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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Herr von Hülsen und die Zukunft des Berliner Schauspielhauses.

Drama, das auch dem denkenden und weltkundigen Manne des Anschauens
würdig erscheint, von unbekannten oder wenig bekannten Schriftstellern in die
Lücken zu stellen, so soll es ihm von allen Parteien gedankt werden; wenn er
es gar dahin brächte, dem in Jamben dahiutrabendcn Dilettantentum ein- für
allemal die Thür zu weisen, so wäre das eine That, welche des Nachruhms
würdig wäre.

Ich hoffe, wie gesagt, nicht zu viel auch von dem besten Nachfolger Hülsens,
weil er Rücksichten nehmen muß, welche der Tod sind für alle wahren Interessen
der Kunst. Nur hüte man sich vor Leuten, welche der Literatur in Selbst¬
gefälligkeit nahe stehen. Der geeignetste Mann für eine solche Stellung ist
immer der verständnisvolle, unparteiische Nichtdramatiker, wenn das Ideal, ein
uneigennütziger, nur die Kunst liebender Künstler (Dramatiker), nicht zu finden
ist. Laube ließ neben sich nur wenige Zeitgenossen zur Geltung kommen, und
doch war er in dieser Beziehung noch großherziger als alle andern Schriftsteller-
Direktoren; Dingelstedt verachtete die Zeitgenossen geradezu und ließ das Repertoire
veröden; Wilbrandt duldet neben sich nur Leute wie Blumenthal, Rödel und
Co.ro; Herr von Wildenbruch, von dessen Berufung auch zuweilen gesprochen
wird, würde natürlich nur die "Karolinger," den "Harold" und die andern
Meisterwerke seiner Feder für mustergiltig halten und so gut wie alles abweisen,
was ihm im Wege wäre. Man hüte sich vor Geistern dieser Art oder verwende
sie so, daß sie nur das Gute in ihrem Wollen bethätigen können.

Das königliche Schauspielhaus in Berlin ist ein wichtiger Faktor für die
mittlere Bühnenkunst und für das gesellschaftliche Leben der Hauptstadt. Sein
Wohl erhalten und gefördert zu sehen, muß jedem am Herzen liegen, der es
mit der Bühneukuust und der Pflege des guten Geschmackes ernst und ehrlich
meint. Möge die Wahl, vor die das Institut gestellt ist, allen Teilen zum
Segen gereichen!


Lügen Reiche!.


Herr von Hülsen und die Zukunft des Berliner Schauspielhauses.

Drama, das auch dem denkenden und weltkundigen Manne des Anschauens
würdig erscheint, von unbekannten oder wenig bekannten Schriftstellern in die
Lücken zu stellen, so soll es ihm von allen Parteien gedankt werden; wenn er
es gar dahin brächte, dem in Jamben dahiutrabendcn Dilettantentum ein- für
allemal die Thür zu weisen, so wäre das eine That, welche des Nachruhms
würdig wäre.

Ich hoffe, wie gesagt, nicht zu viel auch von dem besten Nachfolger Hülsens,
weil er Rücksichten nehmen muß, welche der Tod sind für alle wahren Interessen
der Kunst. Nur hüte man sich vor Leuten, welche der Literatur in Selbst¬
gefälligkeit nahe stehen. Der geeignetste Mann für eine solche Stellung ist
immer der verständnisvolle, unparteiische Nichtdramatiker, wenn das Ideal, ein
uneigennütziger, nur die Kunst liebender Künstler (Dramatiker), nicht zu finden
ist. Laube ließ neben sich nur wenige Zeitgenossen zur Geltung kommen, und
doch war er in dieser Beziehung noch großherziger als alle andern Schriftsteller-
Direktoren; Dingelstedt verachtete die Zeitgenossen geradezu und ließ das Repertoire
veröden; Wilbrandt duldet neben sich nur Leute wie Blumenthal, Rödel und
Co.ro; Herr von Wildenbruch, von dessen Berufung auch zuweilen gesprochen
wird, würde natürlich nur die „Karolinger," den „Harold" und die andern
Meisterwerke seiner Feder für mustergiltig halten und so gut wie alles abweisen,
was ihm im Wege wäre. Man hüte sich vor Geistern dieser Art oder verwende
sie so, daß sie nur das Gute in ihrem Wollen bethätigen können.

Das königliche Schauspielhaus in Berlin ist ein wichtiger Faktor für die
mittlere Bühnenkunst und für das gesellschaftliche Leben der Hauptstadt. Sein
Wohl erhalten und gefördert zu sehen, muß jedem am Herzen liegen, der es
mit der Bühneukuust und der Pflege des guten Geschmackes ernst und ehrlich
meint. Möge die Wahl, vor die das Institut gestellt ist, allen Teilen zum
Segen gereichen!


Lügen Reiche!.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/96>, abgerufen am 19.10.2024.