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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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An unsere Leser.

Rechtspflege, unserm Unterrichtswesen hinweisen, wie sie alle wirklich hervor¬
ragenden Erscheinungen auf den Gebieten der Wissenschaft, der Kunst, der
schönen Literatur, die ja anfangs oft nur von wenigen beachtet werden,
zur Geltung zu bringen suchen, wie sie stets dem Echten, Wertvollen, Dauer¬
verheißenden durch die erdrückende Masse des Gemachtem, schwindelhafter, auf
den Modegeschmack des großen Haufens Spekulirenden den Weg zu bahnen suchen,
wie sie nie den Leuten nach dem Munde reden, sondern nicht müde werden, zu
belehren, zu mahnen, zu warnen, zu kämpfen -- und dies alles, ohne mit
"berühmten" Namen zu prahlen, sondern lediglich durch den überzeugenden
sachlichen Gehalt ihrer Aufsätze. Denn auch das wiffen unsre Leser, daß die
Grenzboten auf allen Gebieten von "Wissenden" geschrieben werden, und nicht
am wenigsten gerade dann, wenn die Artikel ohne Namen erscheinen. Wenn die
Grenzboten heute aus dem Kreise der deutschen Zeitschriften verschwänden, es
würde eine empfindliche, vielleicht in Jahren nicht wieder ganz auszufüllende
Lücke entstehen, eine Lücke zunächst für unsre Leser, eine Lücke aber auch --
für unsre Mitarbeiter. Denn durch ihre einzig dastehende Unabhängigkeit, die
leine andre Rücksicht zu nehmen braucht, als die auf die gute Sitte, sind die
Grenzboten in der Lage, so manchem Aufsatz Unterkunft gewähren zu können,
der anderwärts wohl überall vergeblich anklopfen würde.

Leider ist der Leserkreis der Grenzboten, wenn auch nicht klein, so doch
verhältnismäßig beschränkt; die meisten ihrer Aufsätze verdienen eine größere
Verbreitung, als ihnen zu Teil wird, ja bei manchen Artikeln ist es geradezu
ein Jammer, daß sie nicht vor mehr Augen kommen, nicht mehr in die Breite
wirken. Die Tagespresse druckt wohl manchen Artikel der Grenzboten nach
oder macht ihn zum Gegenstände einer Betrachtung, aber es geschieht dies nicht
immer in der Absicht, einem guten Worte weitere Verbreitung zu geben, sondern
viel öfter geben die Äußerungen der Grenzboten der gegnerischen Presse Anlaß
zu Angriffen, und hiergegen wäre auch an und für sich nichts zu sagen. Aber
wer es weiß, wie allmächtig diese gegnerische Presse eine Zeit lang war und in
welcher Weise sie zu kämpfen pflegte, dem wird es erklärlich sein, wie schwer
es die Grenzboten hatten, gegen diese Übermacht anzukämpfen, und wie ihnen
Hohn und Gehässigkeit dabei den Weg verbauen konnte.

So ist auch jetzt, nachdem wir seit acht Jahren konsequent nach einer
Richtung zu wirken gesucht haben, die Verbreitung der Grenzboten noch ganz
ungleich. Nach manchen Städten, zumal Norddeutschlands, gehen sie in einer
größern Anzahl von Exemplaren, und auch in mancher kleinern deutschen Stadt
werden sie in mehreren Exemplaren gehalten -- der beste Beweis, daß da, wo
sie einmal Boden gewonnen haben, die gute, alte Art der Empfehlung von


An unsere Leser.

Rechtspflege, unserm Unterrichtswesen hinweisen, wie sie alle wirklich hervor¬
ragenden Erscheinungen auf den Gebieten der Wissenschaft, der Kunst, der
schönen Literatur, die ja anfangs oft nur von wenigen beachtet werden,
zur Geltung zu bringen suchen, wie sie stets dem Echten, Wertvollen, Dauer¬
verheißenden durch die erdrückende Masse des Gemachtem, schwindelhafter, auf
den Modegeschmack des großen Haufens Spekulirenden den Weg zu bahnen suchen,
wie sie nie den Leuten nach dem Munde reden, sondern nicht müde werden, zu
belehren, zu mahnen, zu warnen, zu kämpfen — und dies alles, ohne mit
„berühmten" Namen zu prahlen, sondern lediglich durch den überzeugenden
sachlichen Gehalt ihrer Aufsätze. Denn auch das wiffen unsre Leser, daß die
Grenzboten auf allen Gebieten von „Wissenden" geschrieben werden, und nicht
am wenigsten gerade dann, wenn die Artikel ohne Namen erscheinen. Wenn die
Grenzboten heute aus dem Kreise der deutschen Zeitschriften verschwänden, es
würde eine empfindliche, vielleicht in Jahren nicht wieder ganz auszufüllende
Lücke entstehen, eine Lücke zunächst für unsre Leser, eine Lücke aber auch —
für unsre Mitarbeiter. Denn durch ihre einzig dastehende Unabhängigkeit, die
leine andre Rücksicht zu nehmen braucht, als die auf die gute Sitte, sind die
Grenzboten in der Lage, so manchem Aufsatz Unterkunft gewähren zu können,
der anderwärts wohl überall vergeblich anklopfen würde.

Leider ist der Leserkreis der Grenzboten, wenn auch nicht klein, so doch
verhältnismäßig beschränkt; die meisten ihrer Aufsätze verdienen eine größere
Verbreitung, als ihnen zu Teil wird, ja bei manchen Artikeln ist es geradezu
ein Jammer, daß sie nicht vor mehr Augen kommen, nicht mehr in die Breite
wirken. Die Tagespresse druckt wohl manchen Artikel der Grenzboten nach
oder macht ihn zum Gegenstände einer Betrachtung, aber es geschieht dies nicht
immer in der Absicht, einem guten Worte weitere Verbreitung zu geben, sondern
viel öfter geben die Äußerungen der Grenzboten der gegnerischen Presse Anlaß
zu Angriffen, und hiergegen wäre auch an und für sich nichts zu sagen. Aber
wer es weiß, wie allmächtig diese gegnerische Presse eine Zeit lang war und in
welcher Weise sie zu kämpfen pflegte, dem wird es erklärlich sein, wie schwer
es die Grenzboten hatten, gegen diese Übermacht anzukämpfen, und wie ihnen
Hohn und Gehässigkeit dabei den Weg verbauen konnte.

So ist auch jetzt, nachdem wir seit acht Jahren konsequent nach einer
Richtung zu wirken gesucht haben, die Verbreitung der Grenzboten noch ganz
ungleich. Nach manchen Städten, zumal Norddeutschlands, gehen sie in einer
größern Anzahl von Exemplaren, und auch in mancher kleinern deutschen Stadt
werden sie in mehreren Exemplaren gehalten — der beste Beweis, daß da, wo
sie einmal Boden gewonnen haben, die gute, alte Art der Empfehlung von


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[0671] An unsere Leser. Rechtspflege, unserm Unterrichtswesen hinweisen, wie sie alle wirklich hervor¬ ragenden Erscheinungen auf den Gebieten der Wissenschaft, der Kunst, der schönen Literatur, die ja anfangs oft nur von wenigen beachtet werden, zur Geltung zu bringen suchen, wie sie stets dem Echten, Wertvollen, Dauer¬ verheißenden durch die erdrückende Masse des Gemachtem, schwindelhafter, auf den Modegeschmack des großen Haufens Spekulirenden den Weg zu bahnen suchen, wie sie nie den Leuten nach dem Munde reden, sondern nicht müde werden, zu belehren, zu mahnen, zu warnen, zu kämpfen — und dies alles, ohne mit „berühmten" Namen zu prahlen, sondern lediglich durch den überzeugenden sachlichen Gehalt ihrer Aufsätze. Denn auch das wiffen unsre Leser, daß die Grenzboten auf allen Gebieten von „Wissenden" geschrieben werden, und nicht am wenigsten gerade dann, wenn die Artikel ohne Namen erscheinen. Wenn die Grenzboten heute aus dem Kreise der deutschen Zeitschriften verschwänden, es würde eine empfindliche, vielleicht in Jahren nicht wieder ganz auszufüllende Lücke entstehen, eine Lücke zunächst für unsre Leser, eine Lücke aber auch — für unsre Mitarbeiter. Denn durch ihre einzig dastehende Unabhängigkeit, die leine andre Rücksicht zu nehmen braucht, als die auf die gute Sitte, sind die Grenzboten in der Lage, so manchem Aufsatz Unterkunft gewähren zu können, der anderwärts wohl überall vergeblich anklopfen würde. Leider ist der Leserkreis der Grenzboten, wenn auch nicht klein, so doch verhältnismäßig beschränkt; die meisten ihrer Aufsätze verdienen eine größere Verbreitung, als ihnen zu Teil wird, ja bei manchen Artikeln ist es geradezu ein Jammer, daß sie nicht vor mehr Augen kommen, nicht mehr in die Breite wirken. Die Tagespresse druckt wohl manchen Artikel der Grenzboten nach oder macht ihn zum Gegenstände einer Betrachtung, aber es geschieht dies nicht immer in der Absicht, einem guten Worte weitere Verbreitung zu geben, sondern viel öfter geben die Äußerungen der Grenzboten der gegnerischen Presse Anlaß zu Angriffen, und hiergegen wäre auch an und für sich nichts zu sagen. Aber wer es weiß, wie allmächtig diese gegnerische Presse eine Zeit lang war und in welcher Weise sie zu kämpfen pflegte, dem wird es erklärlich sein, wie schwer es die Grenzboten hatten, gegen diese Übermacht anzukämpfen, und wie ihnen Hohn und Gehässigkeit dabei den Weg verbauen konnte. So ist auch jetzt, nachdem wir seit acht Jahren konsequent nach einer Richtung zu wirken gesucht haben, die Verbreitung der Grenzboten noch ganz ungleich. Nach manchen Städten, zumal Norddeutschlands, gehen sie in einer größern Anzahl von Exemplaren, und auch in mancher kleinern deutschen Stadt werden sie in mehreren Exemplaren gehalten — der beste Beweis, daß da, wo sie einmal Boden gewonnen haben, die gute, alte Art der Empfehlung von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/671>, abgerufen am 19.10.2024.