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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die Geschichte der Gotthardbahn.

auf den Betrieb von 4 Taugeutialrädern berechnet. Am Schlusse des Jahres
1873 war die Maschinenbohrung definitiv im Gange. Es zeigte sich jedoch bald,
daß das Wasser der Tremola im Winter völlig unzureichend war. Und deshalb
entschloß sich der Unternehmer im Jahre 1874, eine zweite Wasserleitung vom
Tessin im Bedrettvthale aus einer Entfernung von drei Kilometern anzulegen,
welche eine Betnebskraft von über 1000 Pferden liefern sollte. Diese Leitung
war um aber wieder mehrfach Lawinen- und Felsstürzen ausgesetzt, erforderte
häufige Ausbesserungen und arbeitete nur mit vielfachen Unterbrechungen. Fort¬
während hatte die Betriebsleitung auf der Südseite mit Wassermangel zu kämpfen.

Auch die Maschincnwerkstätten ans beiden Seiten wurden für Maschinen¬
betrieb eingerichtet, und es wurden für dieselben besondre kleinere Wasser
leitungen hergestellt.

Für die Arbeit im Tunnel, aus welchem das Erdreich in einem Querschnitt
von 45,1 Meter auszuheben war, hatte der Unternehmer das sogenannte belgische
System gewählt. Zuerst wurde im First des Tunnels, und zwar im Umfange
von 7,7 Quadratmetern, ein Stollen getrieben (Firststvllen). Dann wurde dieser
Firststollen nach beiden Seiten im Umfange von 9,5 Quadratmetern erweitert
(Calotte), Dann wurde in der Mitte bis zur Sohle des Tunnels im Umfange
von 9,5 Quadratmetern ein Graben gezogen (Sohleuschlitz). Endlich wurde
der Sohlenschlitz nach beiden Seiten im Umfange von 18,4 Quadratmetern er¬
weitert (Strosse). Außerdem mußte in der Sohle des Tunnels ein Kanal für
den Wnsfcrablauf (Dohle) aufgehoben, auch mußten in gewissen Entfernungen
im Verlaufe des Tunnels Nischen und Kammern angelegt werden. Den Aus-
grabnngsarbeiten hatte dann nach Anordnung der Bauleitung die Ausmauerung
zu folgen, wobei sehr verschiedne Stärken sowohl der Gewölbe als der Wider¬
lager zur Anwendung kamen.

Die Maschincubohruug wurde anfangs nur in dem Firststollen angewendet.
Im Laufe der Zeit wurde sie aber auch auf die Erweiterungsarbeiten, namentlich
auf den Sohlenschlitz und die Calotte, ausgedehnt. Das Verfahren dabei war
folgendes. Das Bohrgestelle, welches gewöhnlich sechs Bohrmaschinen trägt,
wird ans der im Stollen befindlichen Dienstbahn bis nahe vor Ort geschoben
und dort uuterleilt. Nachdem die Maschinen mit der Luftleitung in Verbindung
gebracht worden sind, beginnen sie ihre Arbeit in der ungefähr 6 Quadratmeter
großen Stvllenbrnst. Bei jeder Bohrmaschine sind 16 Maun zur Bedienung.
Die Arbeiter haben die Bohrer beim Anbrüsten zu führen und stumpfgewordene
Bohrer auszuwechseln. Nachdem ungefähr 27 Löcher mit der Tiefe von etwa
einem Meter gestoßen sind, wird das Bvhrgestelle entfernt und wenigstens
80 Meter weit zurückgezogen. Hierauf beginnt der 22 Mann starke Lade- und
Schutterposten seine Thätigkeit. Die Löcher werden mit Dynamik geladen und
abgeschossen, zuerst die mittlern, darauf die andern und zuletzt die vier untersten.
Dann wird das gelöste Gestein vollends abgebrochen, der Schutt weggeräumt


Grenzboten IV, 188". 80
Die Geschichte der Gotthardbahn.

auf den Betrieb von 4 Taugeutialrädern berechnet. Am Schlusse des Jahres
1873 war die Maschinenbohrung definitiv im Gange. Es zeigte sich jedoch bald,
daß das Wasser der Tremola im Winter völlig unzureichend war. Und deshalb
entschloß sich der Unternehmer im Jahre 1874, eine zweite Wasserleitung vom
Tessin im Bedrettvthale aus einer Entfernung von drei Kilometern anzulegen,
welche eine Betnebskraft von über 1000 Pferden liefern sollte. Diese Leitung
war um aber wieder mehrfach Lawinen- und Felsstürzen ausgesetzt, erforderte
häufige Ausbesserungen und arbeitete nur mit vielfachen Unterbrechungen. Fort¬
während hatte die Betriebsleitung auf der Südseite mit Wassermangel zu kämpfen.

Auch die Maschincnwerkstätten ans beiden Seiten wurden für Maschinen¬
betrieb eingerichtet, und es wurden für dieselben besondre kleinere Wasser
leitungen hergestellt.

Für die Arbeit im Tunnel, aus welchem das Erdreich in einem Querschnitt
von 45,1 Meter auszuheben war, hatte der Unternehmer das sogenannte belgische
System gewählt. Zuerst wurde im First des Tunnels, und zwar im Umfange
von 7,7 Quadratmetern, ein Stollen getrieben (Firststvllen). Dann wurde dieser
Firststollen nach beiden Seiten im Umfange von 9,5 Quadratmetern erweitert
(Calotte), Dann wurde in der Mitte bis zur Sohle des Tunnels im Umfange
von 9,5 Quadratmetern ein Graben gezogen (Sohleuschlitz). Endlich wurde
der Sohlenschlitz nach beiden Seiten im Umfange von 18,4 Quadratmetern er¬
weitert (Strosse). Außerdem mußte in der Sohle des Tunnels ein Kanal für
den Wnsfcrablauf (Dohle) aufgehoben, auch mußten in gewissen Entfernungen
im Verlaufe des Tunnels Nischen und Kammern angelegt werden. Den Aus-
grabnngsarbeiten hatte dann nach Anordnung der Bauleitung die Ausmauerung
zu folgen, wobei sehr verschiedne Stärken sowohl der Gewölbe als der Wider¬
lager zur Anwendung kamen.

Die Maschincubohruug wurde anfangs nur in dem Firststollen angewendet.
Im Laufe der Zeit wurde sie aber auch auf die Erweiterungsarbeiten, namentlich
auf den Sohlenschlitz und die Calotte, ausgedehnt. Das Verfahren dabei war
folgendes. Das Bohrgestelle, welches gewöhnlich sechs Bohrmaschinen trägt,
wird ans der im Stollen befindlichen Dienstbahn bis nahe vor Ort geschoben
und dort uuterleilt. Nachdem die Maschinen mit der Luftleitung in Verbindung
gebracht worden sind, beginnen sie ihre Arbeit in der ungefähr 6 Quadratmeter
großen Stvllenbrnst. Bei jeder Bohrmaschine sind 16 Maun zur Bedienung.
Die Arbeiter haben die Bohrer beim Anbrüsten zu führen und stumpfgewordene
Bohrer auszuwechseln. Nachdem ungefähr 27 Löcher mit der Tiefe von etwa
einem Meter gestoßen sind, wird das Bvhrgestelle entfernt und wenigstens
80 Meter weit zurückgezogen. Hierauf beginnt der 22 Mann starke Lade- und
Schutterposten seine Thätigkeit. Die Löcher werden mit Dynamik geladen und
abgeschossen, zuerst die mittlern, darauf die andern und zuletzt die vier untersten.
Dann wird das gelöste Gestein vollends abgebrochen, der Schutt weggeräumt


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[0641] Die Geschichte der Gotthardbahn. auf den Betrieb von 4 Taugeutialrädern berechnet. Am Schlusse des Jahres 1873 war die Maschinenbohrung definitiv im Gange. Es zeigte sich jedoch bald, daß das Wasser der Tremola im Winter völlig unzureichend war. Und deshalb entschloß sich der Unternehmer im Jahre 1874, eine zweite Wasserleitung vom Tessin im Bedrettvthale aus einer Entfernung von drei Kilometern anzulegen, welche eine Betnebskraft von über 1000 Pferden liefern sollte. Diese Leitung war um aber wieder mehrfach Lawinen- und Felsstürzen ausgesetzt, erforderte häufige Ausbesserungen und arbeitete nur mit vielfachen Unterbrechungen. Fort¬ während hatte die Betriebsleitung auf der Südseite mit Wassermangel zu kämpfen. Auch die Maschincnwerkstätten ans beiden Seiten wurden für Maschinen¬ betrieb eingerichtet, und es wurden für dieselben besondre kleinere Wasser leitungen hergestellt. Für die Arbeit im Tunnel, aus welchem das Erdreich in einem Querschnitt von 45,1 Meter auszuheben war, hatte der Unternehmer das sogenannte belgische System gewählt. Zuerst wurde im First des Tunnels, und zwar im Umfange von 7,7 Quadratmetern, ein Stollen getrieben (Firststvllen). Dann wurde dieser Firststollen nach beiden Seiten im Umfange von 9,5 Quadratmetern erweitert (Calotte), Dann wurde in der Mitte bis zur Sohle des Tunnels im Umfange von 9,5 Quadratmetern ein Graben gezogen (Sohleuschlitz). Endlich wurde der Sohlenschlitz nach beiden Seiten im Umfange von 18,4 Quadratmetern er¬ weitert (Strosse). Außerdem mußte in der Sohle des Tunnels ein Kanal für den Wnsfcrablauf (Dohle) aufgehoben, auch mußten in gewissen Entfernungen im Verlaufe des Tunnels Nischen und Kammern angelegt werden. Den Aus- grabnngsarbeiten hatte dann nach Anordnung der Bauleitung die Ausmauerung zu folgen, wobei sehr verschiedne Stärken sowohl der Gewölbe als der Wider¬ lager zur Anwendung kamen. Die Maschincubohruug wurde anfangs nur in dem Firststollen angewendet. Im Laufe der Zeit wurde sie aber auch auf die Erweiterungsarbeiten, namentlich auf den Sohlenschlitz und die Calotte, ausgedehnt. Das Verfahren dabei war folgendes. Das Bohrgestelle, welches gewöhnlich sechs Bohrmaschinen trägt, wird ans der im Stollen befindlichen Dienstbahn bis nahe vor Ort geschoben und dort uuterleilt. Nachdem die Maschinen mit der Luftleitung in Verbindung gebracht worden sind, beginnen sie ihre Arbeit in der ungefähr 6 Quadratmeter großen Stvllenbrnst. Bei jeder Bohrmaschine sind 16 Maun zur Bedienung. Die Arbeiter haben die Bohrer beim Anbrüsten zu führen und stumpfgewordene Bohrer auszuwechseln. Nachdem ungefähr 27 Löcher mit der Tiefe von etwa einem Meter gestoßen sind, wird das Bvhrgestelle entfernt und wenigstens 80 Meter weit zurückgezogen. Hierauf beginnt der 22 Mann starke Lade- und Schutterposten seine Thätigkeit. Die Löcher werden mit Dynamik geladen und abgeschossen, zuerst die mittlern, darauf die andern und zuletzt die vier untersten. Dann wird das gelöste Gestein vollends abgebrochen, der Schutt weggeräumt Grenzboten IV, 188«. 80

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/641>, abgerufen am 20.10.2024.