Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.Die Geschichte der Gotthardbahn. Es ward also ein Vertrag mit L. Favre abgeschlossen, worin dieser die Noch vor Vergebung des Tunnels hatte die Direktion die notwendigen Die Geschichte der Gotthardbahn. Es ward also ein Vertrag mit L. Favre abgeschlossen, worin dieser die Noch vor Vergebung des Tunnels hatte die Direktion die notwendigen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0639" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199993"/> <fw type="header" place="top"> Die Geschichte der Gotthardbahn.</fw><lb/> <p xml:id="ID_3108"> Es ward also ein Vertrag mit L. Favre abgeschlossen, worin dieser die<lb/> Herstellung des Tunnels innerhalb acht Jahren übernahm. Für jeden Tag<lb/> früherer Vollendung sollte eine Prämie von 5000 Franken, für jeden Tag<lb/> späterer Vollendung eine Strafe von 5000 Franken, und sobald die Verspätung<lb/> mehr als sechs Monate betrüge, eine Strafe von 10 000 Franken gezahlt werden.<lb/> Für die Beschaffung der Anstalten zur Ausführung der Arbeit („Installationen")<lb/> gewahrte die Gesellschaft einen Vorschuß von 4 Millionen Franken, der am Schluß<lb/> der Arbeit mit Zinsen zurückgezahlt werden sollte. Die Arbeit sollte nach einem<lb/> aufzustellenden Programm fortgeführt werden. Allmonatlich sollte auf dieselbe<lb/> nach einer ungefähren Abschätzung der Arbeiten, vorbehaltlich endgiltiger Be¬<lb/> rechnung, Zahlung geleistet werden. Für die Durchbrechung des Gebirges erhielt<lb/> der Unternehmer einen festen Preis von 2800 Franken für den laufenden Meter,<lb/> wogegen er die Gefahr aller sich etwa ergebenden Schwierigkeiten übernahm.<lb/> Die Ausmauerung des Tunnels sollte für jede einzelne Strecke nach verschiednen<lb/> vorgesehenen Typen von der Bauleitung der Gesellschaft angeordnet, vom Unter¬<lb/> nehmer ausgeführt und darnach bezahlt werden. Man glaubte damals, es werde<lb/> die Ausmauerung nur etwa für ein Dritten des Tunnels notwendig werden;<lb/> während man schließlich dahin gelangte, den ganzen Tunnel ausmauern zu müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3109" next="#ID_3110"> Noch vor Vergebung des Tunnels hatte die Direktion die notwendigen<lb/> Vorarbeiten, namentlich den Aushub der Voreinschnitte, in Regie begonnen. Am<lb/> 12. September 1872 trat der Unternehmer in die Arbeit ein. Zunächst mußte<lb/> eine Anzahl der notwendigen Installationen hergerichtet werden, die sich dann<lb/> im Laufe der Zeit immer umfangreicher gestalteten. Maschinenhäuser für die<lb/> Betriebsmaschinen, Werkstätten für die Reparatur der Maschinen, Arbeiter¬<lb/> wohnungen, Wohnuugs- und Geschäftsräume für die Beamten, Magazine für<lb/> Pulver und Dhnamit, Dynamitwärmehütten mußten erbaut, Zufahrtslinien von<lb/> der Landstraße nach den Arbeitsstätten mußten gebahnt, Dicnstbahuen mußten<lb/> angelegt werden, auf welcher der Ausbruch durch besonders dafür gebaute Loko¬<lb/> motiven in immer weitere Entfernungen weggeschafft wurde. Um die Richtung<lb/> des Tunnels zu sichern, mußten besondre Anlagen gemacht werden. Auf der<lb/> Nordseite wurde zur Verlängerung der Visirlinie die Anlage eines 115 Meter<lb/> langen Visirstvllcns mittels Dnrchbruches eines Bergvorkopfes notwendig.<lb/> Außerdem wurden auf der Nordseite und der Südseite Observatorien errichtet,<lb/> die dnrch einen Telegraphen mit dem Innern des Tunnels in Verbindung<lb/> standen, und von denen aus im Anschluß an die astronomische Bestimmung<lb/> der Tunnelachse die Einhaltung der Richtung überwacht wurde. Zu den oben¬<lb/> gedachten Gebäuden kamen im Laufe der nächsten Jahre noch hinzu: große<lb/> Schmieden mit Hammerwerken, Magazinschuppen, Aufsehcrwohuuugen, Kan¬<lb/> diren und Krankenhäuser für die Arbeiter, Pferdeställe u. f. w. Auf der Süd¬<lb/> seite ließ die Unternehmung sogar in einem ihr gehörigen Hause eine Schule<lb/> errichten, in welcher die Kinder der Arbeiter unentgeltlichen Unterricht genossen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0639]
Die Geschichte der Gotthardbahn.
Es ward also ein Vertrag mit L. Favre abgeschlossen, worin dieser die
Herstellung des Tunnels innerhalb acht Jahren übernahm. Für jeden Tag
früherer Vollendung sollte eine Prämie von 5000 Franken, für jeden Tag
späterer Vollendung eine Strafe von 5000 Franken, und sobald die Verspätung
mehr als sechs Monate betrüge, eine Strafe von 10 000 Franken gezahlt werden.
Für die Beschaffung der Anstalten zur Ausführung der Arbeit („Installationen")
gewahrte die Gesellschaft einen Vorschuß von 4 Millionen Franken, der am Schluß
der Arbeit mit Zinsen zurückgezahlt werden sollte. Die Arbeit sollte nach einem
aufzustellenden Programm fortgeführt werden. Allmonatlich sollte auf dieselbe
nach einer ungefähren Abschätzung der Arbeiten, vorbehaltlich endgiltiger Be¬
rechnung, Zahlung geleistet werden. Für die Durchbrechung des Gebirges erhielt
der Unternehmer einen festen Preis von 2800 Franken für den laufenden Meter,
wogegen er die Gefahr aller sich etwa ergebenden Schwierigkeiten übernahm.
Die Ausmauerung des Tunnels sollte für jede einzelne Strecke nach verschiednen
vorgesehenen Typen von der Bauleitung der Gesellschaft angeordnet, vom Unter¬
nehmer ausgeführt und darnach bezahlt werden. Man glaubte damals, es werde
die Ausmauerung nur etwa für ein Dritten des Tunnels notwendig werden;
während man schließlich dahin gelangte, den ganzen Tunnel ausmauern zu müssen.
Noch vor Vergebung des Tunnels hatte die Direktion die notwendigen
Vorarbeiten, namentlich den Aushub der Voreinschnitte, in Regie begonnen. Am
12. September 1872 trat der Unternehmer in die Arbeit ein. Zunächst mußte
eine Anzahl der notwendigen Installationen hergerichtet werden, die sich dann
im Laufe der Zeit immer umfangreicher gestalteten. Maschinenhäuser für die
Betriebsmaschinen, Werkstätten für die Reparatur der Maschinen, Arbeiter¬
wohnungen, Wohnuugs- und Geschäftsräume für die Beamten, Magazine für
Pulver und Dhnamit, Dynamitwärmehütten mußten erbaut, Zufahrtslinien von
der Landstraße nach den Arbeitsstätten mußten gebahnt, Dicnstbahuen mußten
angelegt werden, auf welcher der Ausbruch durch besonders dafür gebaute Loko¬
motiven in immer weitere Entfernungen weggeschafft wurde. Um die Richtung
des Tunnels zu sichern, mußten besondre Anlagen gemacht werden. Auf der
Nordseite wurde zur Verlängerung der Visirlinie die Anlage eines 115 Meter
langen Visirstvllcns mittels Dnrchbruches eines Bergvorkopfes notwendig.
Außerdem wurden auf der Nordseite und der Südseite Observatorien errichtet,
die dnrch einen Telegraphen mit dem Innern des Tunnels in Verbindung
standen, und von denen aus im Anschluß an die astronomische Bestimmung
der Tunnelachse die Einhaltung der Richtung überwacht wurde. Zu den oben¬
gedachten Gebäuden kamen im Laufe der nächsten Jahre noch hinzu: große
Schmieden mit Hammerwerken, Magazinschuppen, Aufsehcrwohuuugen, Kan¬
diren und Krankenhäuser für die Arbeiter, Pferdeställe u. f. w. Auf der Süd¬
seite ließ die Unternehmung sogar in einem ihr gehörigen Hause eine Schule
errichten, in welcher die Kinder der Arbeiter unentgeltlichen Unterricht genossen.
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