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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die Geschichte der Gotthardbahn.

zum Bau der Monte-Ceneri-Linie (die zunächst vom Bau der Gotthardbahn
durch die internationale Konferenz ausgeschlossen war) eine Beisteuer von
2 Millionen bewilligt. Dieser Beschluß gelangte anch im Ständerat zur An¬
nahme. Nun fand auch die Übernahme der noch zurückstehender 2 Millionen
bei den dreizehn Kantonen der Gotthardvereinigung keine erheblichen Schwierig¬
keiten. Aber noch beruhigten sich die Gegner nicht. Mehr als 37000 Schweizer
Bürger (darunter vor allem die Männer des Kanton Waadt) verlangten über
den Beschluß die Volksabstimmung, welche darnach auch geschehen mußte. Die¬
selbe verlief glücklich am 19. Januar 1879. Etwa fünf Siebentel der Männer
des Schweizervolkes erklärten sich für Annahme des Gesetzes. Damit war für
die Schweiz die Sache entschieden. Auch in Deutschland und in Italien fand
der neue Subventionsvertrag die Zustimmung der Volksvertretung. So war
die Gotthardbahngesellschaft gerettet.

Früher, als erwartet war, konnte anch der einstweilen verschobene Bau der
Linie Giubiaseo-Lugano (Ceneri-Linie) gesichert werden; und zwar durch eine
vereinbarte Subvention von 6 Millionen, zu welcher die Eidgenossenschaft
2 Millionen, Italien 3 Millionen und der Kanton Tessin 1 Million beitrugen.

Während dieser langdauernden Krisis trat (am 27. Juli 1878) der ver¬
dienstvolle Präsident der Direktion, or. Escher in Zürich, aus verschiednen
Gründen zurück. Es erfolgte eine Statntenrevision und eine wesentliche Ver¬
änderung in der Organisation der Verwaltung. An die Spitze der Direktion
trat jetzt Direktor Zingg in Luzern, Vizedirektor wurde Dr. stosset von Frauen¬
feld; beide bekleiden noch heute diese Stellen.

Eine Darstellung des Baues der Gotthardbahn umfaßt den Bau der beiden
Zufahrtslinien, der nördlichen und der südlichen, und den Mittelbau des großen
Tunnels. Da der Bau des letzteren weit mehr Zeit erforderte, als der Bau der
erstem, so begann man mit ihm weit früher und ließ die Zufahrtslinien vor¬
läufig beiseite. Erst vom Jahre 1879 an wurden auch diese erbaut. Gleichwohl
wollen wir die Darstellung dieses Baues hier vorwegnehmen, weil sie uns viel
weniger beschäftigen wird, als die Darstellung des Tunnelbaues.

Beide Zufahrtslinien, deren Arbeiten an verschiedne Unternehmer vergeben
wurden, haben insofern gleichen Charakter, als sie beide in eine Thalbahn und
eine Bergbahn zerfallen. Der Ban der Thalbahnen (im Norden von Jmmensee
bis Erstfeld, im Süden von Giubiaseo bis Biasea) erwies sich im allgemeinen
von andern Bahnbautcn nicht wesentlich verschieden, wenn auch an einzelnen
Stellen schon erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden waren. So mußte auf
der elf Kilometer langen Strecke von Brunnen bis Fluelen dem von hohen
Felsen gebildeten Ufer des Vierwaldstcitter Sees entlang die Bahn großenteils
unterirdisch, durch zehn Tunnel in einer Gesamtlänge von 8,3 Kilometer, geführt
werden. Die Hauptschwierigkeiten begannen aber bei den Bergbahnen, wo die
Bahnspur von Erstfeld bis Göschenen in einer Länge von 28,9 Kilometern von


Die Geschichte der Gotthardbahn.

zum Bau der Monte-Ceneri-Linie (die zunächst vom Bau der Gotthardbahn
durch die internationale Konferenz ausgeschlossen war) eine Beisteuer von
2 Millionen bewilligt. Dieser Beschluß gelangte anch im Ständerat zur An¬
nahme. Nun fand auch die Übernahme der noch zurückstehender 2 Millionen
bei den dreizehn Kantonen der Gotthardvereinigung keine erheblichen Schwierig¬
keiten. Aber noch beruhigten sich die Gegner nicht. Mehr als 37000 Schweizer
Bürger (darunter vor allem die Männer des Kanton Waadt) verlangten über
den Beschluß die Volksabstimmung, welche darnach auch geschehen mußte. Die¬
selbe verlief glücklich am 19. Januar 1879. Etwa fünf Siebentel der Männer
des Schweizervolkes erklärten sich für Annahme des Gesetzes. Damit war für
die Schweiz die Sache entschieden. Auch in Deutschland und in Italien fand
der neue Subventionsvertrag die Zustimmung der Volksvertretung. So war
die Gotthardbahngesellschaft gerettet.

Früher, als erwartet war, konnte anch der einstweilen verschobene Bau der
Linie Giubiaseo-Lugano (Ceneri-Linie) gesichert werden; und zwar durch eine
vereinbarte Subvention von 6 Millionen, zu welcher die Eidgenossenschaft
2 Millionen, Italien 3 Millionen und der Kanton Tessin 1 Million beitrugen.

Während dieser langdauernden Krisis trat (am 27. Juli 1878) der ver¬
dienstvolle Präsident der Direktion, or. Escher in Zürich, aus verschiednen
Gründen zurück. Es erfolgte eine Statntenrevision und eine wesentliche Ver¬
änderung in der Organisation der Verwaltung. An die Spitze der Direktion
trat jetzt Direktor Zingg in Luzern, Vizedirektor wurde Dr. stosset von Frauen¬
feld; beide bekleiden noch heute diese Stellen.

Eine Darstellung des Baues der Gotthardbahn umfaßt den Bau der beiden
Zufahrtslinien, der nördlichen und der südlichen, und den Mittelbau des großen
Tunnels. Da der Bau des letzteren weit mehr Zeit erforderte, als der Bau der
erstem, so begann man mit ihm weit früher und ließ die Zufahrtslinien vor¬
läufig beiseite. Erst vom Jahre 1879 an wurden auch diese erbaut. Gleichwohl
wollen wir die Darstellung dieses Baues hier vorwegnehmen, weil sie uns viel
weniger beschäftigen wird, als die Darstellung des Tunnelbaues.

Beide Zufahrtslinien, deren Arbeiten an verschiedne Unternehmer vergeben
wurden, haben insofern gleichen Charakter, als sie beide in eine Thalbahn und
eine Bergbahn zerfallen. Der Ban der Thalbahnen (im Norden von Jmmensee
bis Erstfeld, im Süden von Giubiaseo bis Biasea) erwies sich im allgemeinen
von andern Bahnbautcn nicht wesentlich verschieden, wenn auch an einzelnen
Stellen schon erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden waren. So mußte auf
der elf Kilometer langen Strecke von Brunnen bis Fluelen dem von hohen
Felsen gebildeten Ufer des Vierwaldstcitter Sees entlang die Bahn großenteils
unterirdisch, durch zehn Tunnel in einer Gesamtlänge von 8,3 Kilometer, geführt
werden. Die Hauptschwierigkeiten begannen aber bei den Bergbahnen, wo die
Bahnspur von Erstfeld bis Göschenen in einer Länge von 28,9 Kilometern von


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[0579] Die Geschichte der Gotthardbahn. zum Bau der Monte-Ceneri-Linie (die zunächst vom Bau der Gotthardbahn durch die internationale Konferenz ausgeschlossen war) eine Beisteuer von 2 Millionen bewilligt. Dieser Beschluß gelangte anch im Ständerat zur An¬ nahme. Nun fand auch die Übernahme der noch zurückstehender 2 Millionen bei den dreizehn Kantonen der Gotthardvereinigung keine erheblichen Schwierig¬ keiten. Aber noch beruhigten sich die Gegner nicht. Mehr als 37000 Schweizer Bürger (darunter vor allem die Männer des Kanton Waadt) verlangten über den Beschluß die Volksabstimmung, welche darnach auch geschehen mußte. Die¬ selbe verlief glücklich am 19. Januar 1879. Etwa fünf Siebentel der Männer des Schweizervolkes erklärten sich für Annahme des Gesetzes. Damit war für die Schweiz die Sache entschieden. Auch in Deutschland und in Italien fand der neue Subventionsvertrag die Zustimmung der Volksvertretung. So war die Gotthardbahngesellschaft gerettet. Früher, als erwartet war, konnte anch der einstweilen verschobene Bau der Linie Giubiaseo-Lugano (Ceneri-Linie) gesichert werden; und zwar durch eine vereinbarte Subvention von 6 Millionen, zu welcher die Eidgenossenschaft 2 Millionen, Italien 3 Millionen und der Kanton Tessin 1 Million beitrugen. Während dieser langdauernden Krisis trat (am 27. Juli 1878) der ver¬ dienstvolle Präsident der Direktion, or. Escher in Zürich, aus verschiednen Gründen zurück. Es erfolgte eine Statntenrevision und eine wesentliche Ver¬ änderung in der Organisation der Verwaltung. An die Spitze der Direktion trat jetzt Direktor Zingg in Luzern, Vizedirektor wurde Dr. stosset von Frauen¬ feld; beide bekleiden noch heute diese Stellen. Eine Darstellung des Baues der Gotthardbahn umfaßt den Bau der beiden Zufahrtslinien, der nördlichen und der südlichen, und den Mittelbau des großen Tunnels. Da der Bau des letzteren weit mehr Zeit erforderte, als der Bau der erstem, so begann man mit ihm weit früher und ließ die Zufahrtslinien vor¬ läufig beiseite. Erst vom Jahre 1879 an wurden auch diese erbaut. Gleichwohl wollen wir die Darstellung dieses Baues hier vorwegnehmen, weil sie uns viel weniger beschäftigen wird, als die Darstellung des Tunnelbaues. Beide Zufahrtslinien, deren Arbeiten an verschiedne Unternehmer vergeben wurden, haben insofern gleichen Charakter, als sie beide in eine Thalbahn und eine Bergbahn zerfallen. Der Ban der Thalbahnen (im Norden von Jmmensee bis Erstfeld, im Süden von Giubiaseo bis Biasea) erwies sich im allgemeinen von andern Bahnbautcn nicht wesentlich verschieden, wenn auch an einzelnen Stellen schon erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden waren. So mußte auf der elf Kilometer langen Strecke von Brunnen bis Fluelen dem von hohen Felsen gebildeten Ufer des Vierwaldstcitter Sees entlang die Bahn großenteils unterirdisch, durch zehn Tunnel in einer Gesamtlänge von 8,3 Kilometer, geführt werden. Die Hauptschwierigkeiten begannen aber bei den Bergbahnen, wo die Bahnspur von Erstfeld bis Göschenen in einer Länge von 28,9 Kilometern von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/579>, abgerufen am 27.09.2024.