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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die Agitation für die größere Freiheit der evangelischen Kirche in j)renßen.

worden. Er führt einzelne Kraftstellm als Zeugnisse für das aufreizende
Element in ihnen an, die allerdings stark sind, aber er sieht etwas zu schwarz.
Die evangelischen Geistlichen sprechen meist mit Geläufigkeit und legen nicht
jedes Wort auf die Goldwage; etwas Antipathie gegen die Juden und einige
unnötige Salbung muß man ihnen nicht zu hoch anrechnen. Das Ganze macht
immer einen ganz respektabeln Eindruck. Herr Hammerstein, der in der Ver¬
sammlung zugegen war, hat als geübter Parlamentarier mehr Verantwortung
dafür, daß er behauptet hat, die Minister hätten bei der Beratung des Klcist-
Netzowschen Antrages im Herrenhause ihren ablehnenden Anschauungen eine
Form gegeben, die beleidigend sür die "evangelische Kirche" sei. Wodurch?
Durch "ostentatives Verlassen des Saales." Das ist doch eine sonderbare Be¬
schuldigung. Sind denn die Antragsteller die evangelische Kirche? So eitel
werden sie doch nicht sein. Derselbe Herr trug eine rhetorisch wirksame, aber
unrichtige Erzählung vor. "Hier in Rheinland und Westfalen -- erzählte Herr
v. Hammerstein") -- haben sich die Kreissynoden alle mit der Frage befaßt,
die auch uns heute beschäftigt, und haben eine feste Stellung dazu genommen.
So ist es auch in den östlichen Provinzen der Fall gewesen oder versucht
worden. Aber was geschieht? In der Provinz Schlesien z. B. reist der Vor¬
sitzende von Synode zu Synode und macht sie mundtot auf dem Gebiete und
leidet nicht, daß die Synoden zu dieser Frage Stellung nehmen. Mir ist es
zweifelhaft, ob er dazu berechtigt ist, aber unzweifelhaft, daß er damit die
Interessen der evangelischen Kirche nicht wahrnimmt." Die Mitteilung schien
die Gemüter gewaltig aufzureizen, wie aus den lebhaften Beifallsäußernngen
hervorging. Nun brachte aber die " Kreuzzeitung," das Blatt des Herrn
v. Hammerstein, am 27. Oktober eine Erklärung des Herrn Koiisistorialprüsi-
dcnten Dr. Stolzmann in Schlesien, aus der hervorgeht, daß die ganze Er¬
zählung nicht wahr ist. Herr Konsistorialpräsident Stolzmann schreibt, er habe
im Laufe dieses Jahres von 55 Synoden 6 besucht, von welchen nur eine ein¬
zige, Osten, sich mit dem Hammerstcinschen Antrage befaßt habe. "Die Art
und Weise, wie auf der Synode Ohlau der Antragsteller staatliche und landes¬
kirchliche Angelegenheiten behandelte, nötigte mich zu einem amtlichen Einspruch,
wobei ich der Synode anheimgab, dem Vorschlage ihres Vorsitzenden entsprechend,
den Antrag bis zur nächstjährigen Synode zu vertagen, da derselbe noch nicht
reiflich genug erwogen zu sein scheine. Die Synode lehnte indes überhaupt
die Besprechung des Antrages ab."

Herr .Hammerstein fühlte sich überhaupt in der Versammlung zu Barmer
wohl und fand viele Anerkennung, wie es ganz in der Ordnung ist. Denn er
vertritt seine Sache mit Gewandtheit und Energie, selbst der Humor fehlt ihm
nicht. Gegen die Ansicht, daß hierarchische Neigungen hinter seinen Anträgen



Wir folgen einem Zeitungsberichte des Herrn v. Eyttcril.
Die Agitation für die größere Freiheit der evangelischen Kirche in j)renßen.

worden. Er führt einzelne Kraftstellm als Zeugnisse für das aufreizende
Element in ihnen an, die allerdings stark sind, aber er sieht etwas zu schwarz.
Die evangelischen Geistlichen sprechen meist mit Geläufigkeit und legen nicht
jedes Wort auf die Goldwage; etwas Antipathie gegen die Juden und einige
unnötige Salbung muß man ihnen nicht zu hoch anrechnen. Das Ganze macht
immer einen ganz respektabeln Eindruck. Herr Hammerstein, der in der Ver¬
sammlung zugegen war, hat als geübter Parlamentarier mehr Verantwortung
dafür, daß er behauptet hat, die Minister hätten bei der Beratung des Klcist-
Netzowschen Antrages im Herrenhause ihren ablehnenden Anschauungen eine
Form gegeben, die beleidigend sür die „evangelische Kirche" sei. Wodurch?
Durch „ostentatives Verlassen des Saales." Das ist doch eine sonderbare Be¬
schuldigung. Sind denn die Antragsteller die evangelische Kirche? So eitel
werden sie doch nicht sein. Derselbe Herr trug eine rhetorisch wirksame, aber
unrichtige Erzählung vor. „Hier in Rheinland und Westfalen — erzählte Herr
v. Hammerstein") — haben sich die Kreissynoden alle mit der Frage befaßt,
die auch uns heute beschäftigt, und haben eine feste Stellung dazu genommen.
So ist es auch in den östlichen Provinzen der Fall gewesen oder versucht
worden. Aber was geschieht? In der Provinz Schlesien z. B. reist der Vor¬
sitzende von Synode zu Synode und macht sie mundtot auf dem Gebiete und
leidet nicht, daß die Synoden zu dieser Frage Stellung nehmen. Mir ist es
zweifelhaft, ob er dazu berechtigt ist, aber unzweifelhaft, daß er damit die
Interessen der evangelischen Kirche nicht wahrnimmt." Die Mitteilung schien
die Gemüter gewaltig aufzureizen, wie aus den lebhaften Beifallsäußernngen
hervorging. Nun brachte aber die „ Kreuzzeitung," das Blatt des Herrn
v. Hammerstein, am 27. Oktober eine Erklärung des Herrn Koiisistorialprüsi-
dcnten Dr. Stolzmann in Schlesien, aus der hervorgeht, daß die ganze Er¬
zählung nicht wahr ist. Herr Konsistorialpräsident Stolzmann schreibt, er habe
im Laufe dieses Jahres von 55 Synoden 6 besucht, von welchen nur eine ein¬
zige, Osten, sich mit dem Hammerstcinschen Antrage befaßt habe. „Die Art
und Weise, wie auf der Synode Ohlau der Antragsteller staatliche und landes¬
kirchliche Angelegenheiten behandelte, nötigte mich zu einem amtlichen Einspruch,
wobei ich der Synode anheimgab, dem Vorschlage ihres Vorsitzenden entsprechend,
den Antrag bis zur nächstjährigen Synode zu vertagen, da derselbe noch nicht
reiflich genug erwogen zu sein scheine. Die Synode lehnte indes überhaupt
die Besprechung des Antrages ab."

Herr .Hammerstein fühlte sich überhaupt in der Versammlung zu Barmer
wohl und fand viele Anerkennung, wie es ganz in der Ordnung ist. Denn er
vertritt seine Sache mit Gewandtheit und Energie, selbst der Humor fehlt ihm
nicht. Gegen die Ansicht, daß hierarchische Neigungen hinter seinen Anträgen



Wir folgen einem Zeitungsberichte des Herrn v. Eyttcril.
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[0527] Die Agitation für die größere Freiheit der evangelischen Kirche in j)renßen. worden. Er führt einzelne Kraftstellm als Zeugnisse für das aufreizende Element in ihnen an, die allerdings stark sind, aber er sieht etwas zu schwarz. Die evangelischen Geistlichen sprechen meist mit Geläufigkeit und legen nicht jedes Wort auf die Goldwage; etwas Antipathie gegen die Juden und einige unnötige Salbung muß man ihnen nicht zu hoch anrechnen. Das Ganze macht immer einen ganz respektabeln Eindruck. Herr Hammerstein, der in der Ver¬ sammlung zugegen war, hat als geübter Parlamentarier mehr Verantwortung dafür, daß er behauptet hat, die Minister hätten bei der Beratung des Klcist- Netzowschen Antrages im Herrenhause ihren ablehnenden Anschauungen eine Form gegeben, die beleidigend sür die „evangelische Kirche" sei. Wodurch? Durch „ostentatives Verlassen des Saales." Das ist doch eine sonderbare Be¬ schuldigung. Sind denn die Antragsteller die evangelische Kirche? So eitel werden sie doch nicht sein. Derselbe Herr trug eine rhetorisch wirksame, aber unrichtige Erzählung vor. „Hier in Rheinland und Westfalen — erzählte Herr v. Hammerstein") — haben sich die Kreissynoden alle mit der Frage befaßt, die auch uns heute beschäftigt, und haben eine feste Stellung dazu genommen. So ist es auch in den östlichen Provinzen der Fall gewesen oder versucht worden. Aber was geschieht? In der Provinz Schlesien z. B. reist der Vor¬ sitzende von Synode zu Synode und macht sie mundtot auf dem Gebiete und leidet nicht, daß die Synoden zu dieser Frage Stellung nehmen. Mir ist es zweifelhaft, ob er dazu berechtigt ist, aber unzweifelhaft, daß er damit die Interessen der evangelischen Kirche nicht wahrnimmt." Die Mitteilung schien die Gemüter gewaltig aufzureizen, wie aus den lebhaften Beifallsäußernngen hervorging. Nun brachte aber die „ Kreuzzeitung," das Blatt des Herrn v. Hammerstein, am 27. Oktober eine Erklärung des Herrn Koiisistorialprüsi- dcnten Dr. Stolzmann in Schlesien, aus der hervorgeht, daß die ganze Er¬ zählung nicht wahr ist. Herr Konsistorialpräsident Stolzmann schreibt, er habe im Laufe dieses Jahres von 55 Synoden 6 besucht, von welchen nur eine ein¬ zige, Osten, sich mit dem Hammerstcinschen Antrage befaßt habe. „Die Art und Weise, wie auf der Synode Ohlau der Antragsteller staatliche und landes¬ kirchliche Angelegenheiten behandelte, nötigte mich zu einem amtlichen Einspruch, wobei ich der Synode anheimgab, dem Vorschlage ihres Vorsitzenden entsprechend, den Antrag bis zur nächstjährigen Synode zu vertagen, da derselbe noch nicht reiflich genug erwogen zu sein scheine. Die Synode lehnte indes überhaupt die Besprechung des Antrages ab." Herr .Hammerstein fühlte sich überhaupt in der Versammlung zu Barmer wohl und fand viele Anerkennung, wie es ganz in der Ordnung ist. Denn er vertritt seine Sache mit Gewandtheit und Energie, selbst der Humor fehlt ihm nicht. Gegen die Ansicht, daß hierarchische Neigungen hinter seinen Anträgen Wir folgen einem Zeitungsberichte des Herrn v. Eyttcril.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/527>, abgerufen am 20.10.2024.