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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die neuen Briefe Robert Schumanns.

Doch NUN zum Inhalte! Des Buches erste Abteilung, Briefe von 1828
bis 1840 enthaltend, giebt uns Aufschluß über den musikalischen Bildungsgang
Schumanns, über die Entstehung und Aufnahme seiner ersten Werke, über seine
umfangreiche Thätigkeit sür die "Neue Zeitschrift," über die Reise nach Wien
und die Bewerbung um seine Braut. Die zweite Abteilung, Briefe von 1340
bis 1854, führt uns den geliebten Meister vor, wie er sein holdes Weib er¬
rungen hat und im ruhigen Glücke des Hauses sich unablässig seiner Schaffens¬
freude hingiebt. Die große Reise uach Rußland, der Umzug uach Dresden,
wo Abonnementskonzerte und Chorvereine gegründet werden, eine schwere Krank¬
heit, die Sorgen um die Oper "Geuovevci," die Übersiedlung nach Düsseldorf
bringen mancherlei Unruhe in sein Leben, ohne ihn jedoch in seinem Schnffens-
drange aufzuhalten: er trägt sich mit immer neuen Plänen. So lesen wir von
einem Oratorium "Luther," dessen Text ihm von Richard Pohl geliefert worden
war, schließlich aber nicht in Angriff genommen wurde. In dieser Abteilung
finden wir viele Briefe von Mendelssohn, dem er eine rührende Verehrung
weiht. Neun Briefe sind an Joachim gerichtet, zu dem sich Schumann hin¬
gezogen fühlte wie zu einem Jugendfreunde. In diesen Briefen spricht sich sein
Entzücken aus über Johannes Brahms, dessen Auftreten die letzte große Freude
Schumanns war. Die Sammluug wird abgeschlossen durch einen Brief an
Joachim vom 6. Februar 1854, worin wir lesen: "Nun will ich schließen. Es
dunkelt schon." Bald sollte es auch für Schumann dunkeln, denn sein Geist
ward umnachtet und blieb es bis zur Todesstunde.

Als Schumann sein erstes Werk, die Abegg-Variationen, herausgab, schrieb
er an seine Mutter: "Wüßtest du mir, was das für Freuden sind, die ersten
Schriftstellcrfreuden! So stolz, wie der Doge von Venedig mit dem Meere,
vermähle ich mich min zum erstenmale mit der großen Welt. Ist es nicht ein
schöner Gedanke, daß dieser erste Tropfen, welcher im Äther zcrflattert, sich
vielleicht an manches wunde Herz anlegen wird, um seinen Schmerz zu lindern
und seine Wunde zu decken?" So wollte Schumann seine Musik verstanden
wissen. Wenn nun auch die große Welt ihm die Anerkennung erst allmählich
entgegenbrachte, so fand er doch sehr bald Verständnis bei Männern, die er
hochschätzte. Grillparzer eröffnete den Reigen mit einer lobenden Besprechung
von "x. 1 und 2 in der "Wiener musikalische" Zeitung." ("Das macht Lust
zur Arbeit und freudige Ideen," sagt Schumann.) Gottfried Weber rühmte
in der Zeitschrift "Cäcilia" die Genialität der ersten Werke (ox. 1, 2, 4 und ö),
über die eigentlich viel mehr gesagt werden müßte, als über das hundertfache
Volumen andrer Komponisten. "Haben Sie Gottfried Webers Rezension über
mich gelesen? -- schreibt Schumann erfreut an Töpler --; das hat mich ein¬
mal erquickt." Moscheles gab 1836 eine Analyse der ^is-moll-Sonate, die
auch heute noch gelten kann; Lißt schrieb 1837 über die Impromptus, ti
1^i8-moII- und die ?-irwU-Sonate sehr schön für die Hg,Me.t,v musio-zlo.


Die neuen Briefe Robert Schumanns.

Doch NUN zum Inhalte! Des Buches erste Abteilung, Briefe von 1828
bis 1840 enthaltend, giebt uns Aufschluß über den musikalischen Bildungsgang
Schumanns, über die Entstehung und Aufnahme seiner ersten Werke, über seine
umfangreiche Thätigkeit sür die „Neue Zeitschrift," über die Reise nach Wien
und die Bewerbung um seine Braut. Die zweite Abteilung, Briefe von 1340
bis 1854, führt uns den geliebten Meister vor, wie er sein holdes Weib er¬
rungen hat und im ruhigen Glücke des Hauses sich unablässig seiner Schaffens¬
freude hingiebt. Die große Reise uach Rußland, der Umzug uach Dresden,
wo Abonnementskonzerte und Chorvereine gegründet werden, eine schwere Krank¬
heit, die Sorgen um die Oper „Geuovevci," die Übersiedlung nach Düsseldorf
bringen mancherlei Unruhe in sein Leben, ohne ihn jedoch in seinem Schnffens-
drange aufzuhalten: er trägt sich mit immer neuen Plänen. So lesen wir von
einem Oratorium „Luther," dessen Text ihm von Richard Pohl geliefert worden
war, schließlich aber nicht in Angriff genommen wurde. In dieser Abteilung
finden wir viele Briefe von Mendelssohn, dem er eine rührende Verehrung
weiht. Neun Briefe sind an Joachim gerichtet, zu dem sich Schumann hin¬
gezogen fühlte wie zu einem Jugendfreunde. In diesen Briefen spricht sich sein
Entzücken aus über Johannes Brahms, dessen Auftreten die letzte große Freude
Schumanns war. Die Sammluug wird abgeschlossen durch einen Brief an
Joachim vom 6. Februar 1854, worin wir lesen: „Nun will ich schließen. Es
dunkelt schon." Bald sollte es auch für Schumann dunkeln, denn sein Geist
ward umnachtet und blieb es bis zur Todesstunde.

Als Schumann sein erstes Werk, die Abegg-Variationen, herausgab, schrieb
er an seine Mutter: „Wüßtest du mir, was das für Freuden sind, die ersten
Schriftstellcrfreuden! So stolz, wie der Doge von Venedig mit dem Meere,
vermähle ich mich min zum erstenmale mit der großen Welt. Ist es nicht ein
schöner Gedanke, daß dieser erste Tropfen, welcher im Äther zcrflattert, sich
vielleicht an manches wunde Herz anlegen wird, um seinen Schmerz zu lindern
und seine Wunde zu decken?" So wollte Schumann seine Musik verstanden
wissen. Wenn nun auch die große Welt ihm die Anerkennung erst allmählich
entgegenbrachte, so fand er doch sehr bald Verständnis bei Männern, die er
hochschätzte. Grillparzer eröffnete den Reigen mit einer lobenden Besprechung
von »x. 1 und 2 in der „Wiener musikalische» Zeitung." („Das macht Lust
zur Arbeit und freudige Ideen," sagt Schumann.) Gottfried Weber rühmte
in der Zeitschrift „Cäcilia" die Genialität der ersten Werke (ox. 1, 2, 4 und ö),
über die eigentlich viel mehr gesagt werden müßte, als über das hundertfache
Volumen andrer Komponisten. „Haben Sie Gottfried Webers Rezension über
mich gelesen? — schreibt Schumann erfreut an Töpler —; das hat mich ein¬
mal erquickt." Moscheles gab 1836 eine Analyse der ^is-moll-Sonate, die
auch heute noch gelten kann; Lißt schrieb 1837 über die Impromptus, ti
1^i8-moII- und die ?-irwU-Sonate sehr schön für die Hg,Me.t,v musio-zlo.


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[0436] Die neuen Briefe Robert Schumanns. Doch NUN zum Inhalte! Des Buches erste Abteilung, Briefe von 1828 bis 1840 enthaltend, giebt uns Aufschluß über den musikalischen Bildungsgang Schumanns, über die Entstehung und Aufnahme seiner ersten Werke, über seine umfangreiche Thätigkeit sür die „Neue Zeitschrift," über die Reise nach Wien und die Bewerbung um seine Braut. Die zweite Abteilung, Briefe von 1340 bis 1854, führt uns den geliebten Meister vor, wie er sein holdes Weib er¬ rungen hat und im ruhigen Glücke des Hauses sich unablässig seiner Schaffens¬ freude hingiebt. Die große Reise uach Rußland, der Umzug uach Dresden, wo Abonnementskonzerte und Chorvereine gegründet werden, eine schwere Krank¬ heit, die Sorgen um die Oper „Geuovevci," die Übersiedlung nach Düsseldorf bringen mancherlei Unruhe in sein Leben, ohne ihn jedoch in seinem Schnffens- drange aufzuhalten: er trägt sich mit immer neuen Plänen. So lesen wir von einem Oratorium „Luther," dessen Text ihm von Richard Pohl geliefert worden war, schließlich aber nicht in Angriff genommen wurde. In dieser Abteilung finden wir viele Briefe von Mendelssohn, dem er eine rührende Verehrung weiht. Neun Briefe sind an Joachim gerichtet, zu dem sich Schumann hin¬ gezogen fühlte wie zu einem Jugendfreunde. In diesen Briefen spricht sich sein Entzücken aus über Johannes Brahms, dessen Auftreten die letzte große Freude Schumanns war. Die Sammluug wird abgeschlossen durch einen Brief an Joachim vom 6. Februar 1854, worin wir lesen: „Nun will ich schließen. Es dunkelt schon." Bald sollte es auch für Schumann dunkeln, denn sein Geist ward umnachtet und blieb es bis zur Todesstunde. Als Schumann sein erstes Werk, die Abegg-Variationen, herausgab, schrieb er an seine Mutter: „Wüßtest du mir, was das für Freuden sind, die ersten Schriftstellcrfreuden! So stolz, wie der Doge von Venedig mit dem Meere, vermähle ich mich min zum erstenmale mit der großen Welt. Ist es nicht ein schöner Gedanke, daß dieser erste Tropfen, welcher im Äther zcrflattert, sich vielleicht an manches wunde Herz anlegen wird, um seinen Schmerz zu lindern und seine Wunde zu decken?" So wollte Schumann seine Musik verstanden wissen. Wenn nun auch die große Welt ihm die Anerkennung erst allmählich entgegenbrachte, so fand er doch sehr bald Verständnis bei Männern, die er hochschätzte. Grillparzer eröffnete den Reigen mit einer lobenden Besprechung von »x. 1 und 2 in der „Wiener musikalische» Zeitung." („Das macht Lust zur Arbeit und freudige Ideen," sagt Schumann.) Gottfried Weber rühmte in der Zeitschrift „Cäcilia" die Genialität der ersten Werke (ox. 1, 2, 4 und ö), über die eigentlich viel mehr gesagt werden müßte, als über das hundertfache Volumen andrer Komponisten. „Haben Sie Gottfried Webers Rezension über mich gelesen? — schreibt Schumann erfreut an Töpler —; das hat mich ein¬ mal erquickt." Moscheles gab 1836 eine Analyse der ^is-moll-Sonate, die auch heute noch gelten kann; Lißt schrieb 1837 über die Impromptus, ti 1^i8-moII- und die ?-irwU-Sonate sehr schön für die Hg,Me.t,v musio-zlo.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/436>, abgerufen am 20.10.2024.