Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien.

Weil das erwähnte "Wie" aber die Hauptsache ist, seine Beantwortung
daher nicht umgangen werden oder unterbleiben kann, so möge es gestattet sein,
auf dasselbe zur Fortsetzung des Aufsatzes gleichfalls etwas näher einzugehen.

Wenn dem so ist, wie der angeführte Aufsatz behauptet, so sind die höchst
ungleichen und in dieser ihrer anscheinend verderblichen Eigenschaft immer mehr
fortschreitenden Besitzverhältnisse an unsern bedenklichen sozialen und wirtschaft¬
lichen Verhältnissen schuld, infolge deren die Mehrzahl der Bevölkerung bereits
nicht mehr so viel Mittel hat, um ihre leiblichen und geistigen Bedürfnisse zu
befriedigen, während der kleinere besitzende Teil sich eines derartigen Überflusses
an solchen Mitteln erfreut, daß er mehr hiervon garnicht aufnehmen kann.

Daß bei einem solchen Zustande ein durch seine Wirkungen die Arbeiter¬
bevölkerung in die größte Not versetzender Stillstand in der Produktion und
Konsumtion eintreten muß, bedarf wohl keiner weitern Ausführung. Es fragt
sich nun, ob deun ein derartig ungleicher und verhängnisvoller Besitzstand nicht
beseitigt werden soll?

Da nun die sogenannten besitzenden Klassen ihren Besitz -- selbst wenn
sämtliche beteiligte Personen den christlich-sozialen Parteien angehörten --
schwerlich freiwillig zur gleichmäßigen Verteilung ausliefern werden, so könnte
diese Verteilung anders als auf dem Wege der Gewalt uicht herbeigeführt
werden. Aber einem solchen Gewaltakte würde sicherlich Gcgengewalt von den
besitzenden Klassen und den zum Schutze der Besitzrechte verpflichteten Rechts¬
staaten entgegengesetzt werden. Derselbe wäre daher wohl nur die Wiederholung
eines in der Geschichte schon oft angewendeten, rohen und zu den allertraurigsten
Zuständen, nämlich zum Bürgerkriege, führenden und daher unsern vollen Ab¬
scheu verdienenden Mittels.

Allein selbst wenn, wie es wahrscheinlich nicht geschehen würde, dieses
Gewaltmittel zu einem Erfolge, nämlich zur ganz gleichen Besitzverteilimg, sei
es nun zur wirklichen, gleichheitlicheu Güterverteilung selbst, oder aber durch
Verstaatlichung aller wirtschaftlichen Güter nur zur Gestattung ihrer gleich¬
heitlichen Benutzung als sogenannter Produktionsmittel führte, so wäre dadurch
doch für die Kultur und den Fortschritt des Menschengeschlechtes im ganzen
nichts gewonnen. Im Gegenteile, mit dem erwähnten, gegen die göttliche Welt-
ordnung verstoßenden vermeintlichen Erfolge müßte der reißende Verfall aller
wirtschaftlichen Verhältnisse und damit der der Menschheit selbst beginnen.

Diese Behauptung ist schon so oft aufgestellt und bewiesen worden,
daß wir hier ihres abermaligen Beweises überhoben zu sein glauben. Wir
werden die Verteilung der Güter, und wenn sie uns auch noch so bedenklich
erscheint, als eine nnn einmal gegebene unabänderliche Thatsache hinnehmen
müssen. Indessen, wenn wir auch die ungleich verteilten wirtschaftlichen Güter,
gleich der Verschiedenheit der geistigen Anlagen und körperlichen Fähigkeiten,
als eine nicht zu ändernde Thatsache anerkennen müssen, so dürfte es doch


volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien.

Weil das erwähnte „Wie" aber die Hauptsache ist, seine Beantwortung
daher nicht umgangen werden oder unterbleiben kann, so möge es gestattet sein,
auf dasselbe zur Fortsetzung des Aufsatzes gleichfalls etwas näher einzugehen.

Wenn dem so ist, wie der angeführte Aufsatz behauptet, so sind die höchst
ungleichen und in dieser ihrer anscheinend verderblichen Eigenschaft immer mehr
fortschreitenden Besitzverhältnisse an unsern bedenklichen sozialen und wirtschaft¬
lichen Verhältnissen schuld, infolge deren die Mehrzahl der Bevölkerung bereits
nicht mehr so viel Mittel hat, um ihre leiblichen und geistigen Bedürfnisse zu
befriedigen, während der kleinere besitzende Teil sich eines derartigen Überflusses
an solchen Mitteln erfreut, daß er mehr hiervon garnicht aufnehmen kann.

Daß bei einem solchen Zustande ein durch seine Wirkungen die Arbeiter¬
bevölkerung in die größte Not versetzender Stillstand in der Produktion und
Konsumtion eintreten muß, bedarf wohl keiner weitern Ausführung. Es fragt
sich nun, ob deun ein derartig ungleicher und verhängnisvoller Besitzstand nicht
beseitigt werden soll?

Da nun die sogenannten besitzenden Klassen ihren Besitz — selbst wenn
sämtliche beteiligte Personen den christlich-sozialen Parteien angehörten —
schwerlich freiwillig zur gleichmäßigen Verteilung ausliefern werden, so könnte
diese Verteilung anders als auf dem Wege der Gewalt uicht herbeigeführt
werden. Aber einem solchen Gewaltakte würde sicherlich Gcgengewalt von den
besitzenden Klassen und den zum Schutze der Besitzrechte verpflichteten Rechts¬
staaten entgegengesetzt werden. Derselbe wäre daher wohl nur die Wiederholung
eines in der Geschichte schon oft angewendeten, rohen und zu den allertraurigsten
Zuständen, nämlich zum Bürgerkriege, führenden und daher unsern vollen Ab¬
scheu verdienenden Mittels.

Allein selbst wenn, wie es wahrscheinlich nicht geschehen würde, dieses
Gewaltmittel zu einem Erfolge, nämlich zur ganz gleichen Besitzverteilimg, sei
es nun zur wirklichen, gleichheitlicheu Güterverteilung selbst, oder aber durch
Verstaatlichung aller wirtschaftlichen Güter nur zur Gestattung ihrer gleich¬
heitlichen Benutzung als sogenannter Produktionsmittel führte, so wäre dadurch
doch für die Kultur und den Fortschritt des Menschengeschlechtes im ganzen
nichts gewonnen. Im Gegenteile, mit dem erwähnten, gegen die göttliche Welt-
ordnung verstoßenden vermeintlichen Erfolge müßte der reißende Verfall aller
wirtschaftlichen Verhältnisse und damit der der Menschheit selbst beginnen.

Diese Behauptung ist schon so oft aufgestellt und bewiesen worden,
daß wir hier ihres abermaligen Beweises überhoben zu sein glauben. Wir
werden die Verteilung der Güter, und wenn sie uns auch noch so bedenklich
erscheint, als eine nnn einmal gegebene unabänderliche Thatsache hinnehmen
müssen. Indessen, wenn wir auch die ungleich verteilten wirtschaftlichen Güter,
gleich der Verschiedenheit der geistigen Anlagen und körperlichen Fähigkeiten,
als eine nicht zu ändernde Thatsache anerkennen müssen, so dürfte es doch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0418" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199772"/>
          <fw type="header" place="top"> volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1732"> Weil das erwähnte &#x201E;Wie" aber die Hauptsache ist, seine Beantwortung<lb/>
daher nicht umgangen werden oder unterbleiben kann, so möge es gestattet sein,<lb/>
auf dasselbe zur Fortsetzung des Aufsatzes gleichfalls etwas näher einzugehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1733"> Wenn dem so ist, wie der angeführte Aufsatz behauptet, so sind die höchst<lb/>
ungleichen und in dieser ihrer anscheinend verderblichen Eigenschaft immer mehr<lb/>
fortschreitenden Besitzverhältnisse an unsern bedenklichen sozialen und wirtschaft¬<lb/>
lichen Verhältnissen schuld, infolge deren die Mehrzahl der Bevölkerung bereits<lb/>
nicht mehr so viel Mittel hat, um ihre leiblichen und geistigen Bedürfnisse zu<lb/>
befriedigen, während der kleinere besitzende Teil sich eines derartigen Überflusses<lb/>
an solchen Mitteln erfreut, daß er mehr hiervon garnicht aufnehmen kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1734"> Daß bei einem solchen Zustande ein durch seine Wirkungen die Arbeiter¬<lb/>
bevölkerung in die größte Not versetzender Stillstand in der Produktion und<lb/>
Konsumtion eintreten muß, bedarf wohl keiner weitern Ausführung. Es fragt<lb/>
sich nun, ob deun ein derartig ungleicher und verhängnisvoller Besitzstand nicht<lb/>
beseitigt werden soll?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1735"> Da nun die sogenannten besitzenden Klassen ihren Besitz &#x2014; selbst wenn<lb/>
sämtliche beteiligte Personen den christlich-sozialen Parteien angehörten &#x2014;<lb/>
schwerlich freiwillig zur gleichmäßigen Verteilung ausliefern werden, so könnte<lb/>
diese Verteilung anders als auf dem Wege der Gewalt uicht herbeigeführt<lb/>
werden. Aber einem solchen Gewaltakte würde sicherlich Gcgengewalt von den<lb/>
besitzenden Klassen und den zum Schutze der Besitzrechte verpflichteten Rechts¬<lb/>
staaten entgegengesetzt werden. Derselbe wäre daher wohl nur die Wiederholung<lb/>
eines in der Geschichte schon oft angewendeten, rohen und zu den allertraurigsten<lb/>
Zuständen, nämlich zum Bürgerkriege, führenden und daher unsern vollen Ab¬<lb/>
scheu verdienenden Mittels.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1736"> Allein selbst wenn, wie es wahrscheinlich nicht geschehen würde, dieses<lb/>
Gewaltmittel zu einem Erfolge, nämlich zur ganz gleichen Besitzverteilimg, sei<lb/>
es nun zur wirklichen, gleichheitlicheu Güterverteilung selbst, oder aber durch<lb/>
Verstaatlichung aller wirtschaftlichen Güter nur zur Gestattung ihrer gleich¬<lb/>
heitlichen Benutzung als sogenannter Produktionsmittel führte, so wäre dadurch<lb/>
doch für die Kultur und den Fortschritt des Menschengeschlechtes im ganzen<lb/>
nichts gewonnen. Im Gegenteile, mit dem erwähnten, gegen die göttliche Welt-<lb/>
ordnung verstoßenden vermeintlichen Erfolge müßte der reißende Verfall aller<lb/>
wirtschaftlichen Verhältnisse und damit der der Menschheit selbst beginnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1737" next="#ID_1738"> Diese Behauptung ist schon so oft aufgestellt und bewiesen worden,<lb/>
daß wir hier ihres abermaligen Beweises überhoben zu sein glauben. Wir<lb/>
werden die Verteilung der Güter, und wenn sie uns auch noch so bedenklich<lb/>
erscheint, als eine nnn einmal gegebene unabänderliche Thatsache hinnehmen<lb/>
müssen. Indessen, wenn wir auch die ungleich verteilten wirtschaftlichen Güter,<lb/>
gleich der Verschiedenheit der geistigen Anlagen und körperlichen Fähigkeiten,<lb/>
als eine nicht zu ändernde Thatsache anerkennen müssen, so dürfte es doch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0418] volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien. Weil das erwähnte „Wie" aber die Hauptsache ist, seine Beantwortung daher nicht umgangen werden oder unterbleiben kann, so möge es gestattet sein, auf dasselbe zur Fortsetzung des Aufsatzes gleichfalls etwas näher einzugehen. Wenn dem so ist, wie der angeführte Aufsatz behauptet, so sind die höchst ungleichen und in dieser ihrer anscheinend verderblichen Eigenschaft immer mehr fortschreitenden Besitzverhältnisse an unsern bedenklichen sozialen und wirtschaft¬ lichen Verhältnissen schuld, infolge deren die Mehrzahl der Bevölkerung bereits nicht mehr so viel Mittel hat, um ihre leiblichen und geistigen Bedürfnisse zu befriedigen, während der kleinere besitzende Teil sich eines derartigen Überflusses an solchen Mitteln erfreut, daß er mehr hiervon garnicht aufnehmen kann. Daß bei einem solchen Zustande ein durch seine Wirkungen die Arbeiter¬ bevölkerung in die größte Not versetzender Stillstand in der Produktion und Konsumtion eintreten muß, bedarf wohl keiner weitern Ausführung. Es fragt sich nun, ob deun ein derartig ungleicher und verhängnisvoller Besitzstand nicht beseitigt werden soll? Da nun die sogenannten besitzenden Klassen ihren Besitz — selbst wenn sämtliche beteiligte Personen den christlich-sozialen Parteien angehörten — schwerlich freiwillig zur gleichmäßigen Verteilung ausliefern werden, so könnte diese Verteilung anders als auf dem Wege der Gewalt uicht herbeigeführt werden. Aber einem solchen Gewaltakte würde sicherlich Gcgengewalt von den besitzenden Klassen und den zum Schutze der Besitzrechte verpflichteten Rechts¬ staaten entgegengesetzt werden. Derselbe wäre daher wohl nur die Wiederholung eines in der Geschichte schon oft angewendeten, rohen und zu den allertraurigsten Zuständen, nämlich zum Bürgerkriege, führenden und daher unsern vollen Ab¬ scheu verdienenden Mittels. Allein selbst wenn, wie es wahrscheinlich nicht geschehen würde, dieses Gewaltmittel zu einem Erfolge, nämlich zur ganz gleichen Besitzverteilimg, sei es nun zur wirklichen, gleichheitlicheu Güterverteilung selbst, oder aber durch Verstaatlichung aller wirtschaftlichen Güter nur zur Gestattung ihrer gleich¬ heitlichen Benutzung als sogenannter Produktionsmittel führte, so wäre dadurch doch für die Kultur und den Fortschritt des Menschengeschlechtes im ganzen nichts gewonnen. Im Gegenteile, mit dem erwähnten, gegen die göttliche Welt- ordnung verstoßenden vermeintlichen Erfolge müßte der reißende Verfall aller wirtschaftlichen Verhältnisse und damit der der Menschheit selbst beginnen. Diese Behauptung ist schon so oft aufgestellt und bewiesen worden, daß wir hier ihres abermaligen Beweises überhoben zu sein glauben. Wir werden die Verteilung der Güter, und wenn sie uns auch noch so bedenklich erscheint, als eine nnn einmal gegebene unabänderliche Thatsache hinnehmen müssen. Indessen, wenn wir auch die ungleich verteilten wirtschaftlichen Güter, gleich der Verschiedenheit der geistigen Anlagen und körperlichen Fähigkeiten, als eine nicht zu ändernde Thatsache anerkennen müssen, so dürfte es doch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/418
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/418>, abgerufen am 27.09.2024.