Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus der Lhronik derer von Riffelshausen.

auf ihre beiden Söhne zurück. Euer Onkel ist kein Richard von Glocester!
dachte sie.

Trotz Vaters eifersüchtiger Anwandlungen waren die zwei Brüder ein Herz
und eine Seele. Einmal nur kam es während Antons Ferienzeit zu ernstem
Streit zwischen ihnen. Es war dies bei Gelegenheit einer Valerianschen Auf¬
führung, in welcher nicht zum erstenmale der Papa eine etwas lächerliche Rolle
spielte. Sobald sich Anton von seinem Lachanfall erholt hatte, überfiel er
entrüstet seinen Bruder. Die beiden jungen Helden wälzten sich in wildem
Handgemenge auf dem Teppich Trakelbergs, dessen Zimmer zum Schallplatze
ihrer Thaten erlesen war. Sie stießen ihre Köpfe gegen Tisch- und Stuhlbeine
und schlugen mit den Fäusten, wohin sie trafen, und hätte Julie nicht mit aller
Macht Widerstand geleistet, so wäre die herabhängende Tischdecke mit samt dem
Tintenfasse und sonstigen Gerätschaften ein Opfer der Kamvfcswut geworden.
Mathilde, der diese Szene ernste Besorgnis erregte, eilte nach Trakelbergs
Schlafgemach, schleppte dessen Wasserkrug herbei und leerte ihn über den Köpfen
der Streiter, ein Verfahren, dessen Anwendung sie bei Hühnerhunden, die in
einander verbissen waren, gesehen hatte. Das Mittet wirkte anch hier. Unsre
Helden ließen einander los und brummten unter Pusten und Schütteln die arme
Mathilde an, die, den geleerten Krug in der Hand, trotz ihres Erfolges etwas
betroffen dastand.

Aber um alles in der Welt, Mathilde, sagte Anton, während er sich von
der lachenden Julie abreiben ließ, was machst du denn nnr?

Valer zog seine Bluse aus und hing sie in den Sonnenschein. Dn hättest
uns wenigstens ans die Dorade vorbereiten sollen, damit wir uns in Kostüme
hätten werfen können! Du, Julie, könntest auch etwas besseres thun als wie
ein Kobold zu grinsen.

Aber warum sieht ihr denn nnr wie toll auf einander los? fragte Mathilde.

Weil Valer es dem Papa nicht nachmachen soll, antwortete Anton, das
ist furchtbar ungezogen und schickt sich nicht. Danke, Julie, jetzt bin ich schon
trocken. Nein, Mathilde, das ist wirklich sehr unrecht von Valer.

Du willst uns wohl imponiren, alter Philister? rief Valer vom Fenster
her, wo er seine trocknende Bluse bewachte.

Sei doch nicht so abscheulich, Valer! wandte sich Mathilde an diesen.

Natürlich, fuhr Valer in dem geringschätzigen Tone fort, dn mußt ja gleich seine
Partei nehmen. Ist mir aber ganz egal, und du bist auch nicht viel wert, Mathilde.

Mathilde war dem Weinen näher als dem Lachen. Zum Glück rief jetzt
Julie aus: Es ist schon zwölf Uhr! Herr Trakelberg wird gleich kommen.
Schnell, helft mir Ordnung machen.

Augenblicklich war aller Streit vergessen, und alle Hände rührten sich.
Der Krug verschwand; ein paar reine Handtücher, die Tante Cäcilie erst heute
herausgegeben hatte, wurden dazu benutzt, den Teppich abzureiben, Tische und


Aus der Lhronik derer von Riffelshausen.

auf ihre beiden Söhne zurück. Euer Onkel ist kein Richard von Glocester!
dachte sie.

Trotz Vaters eifersüchtiger Anwandlungen waren die zwei Brüder ein Herz
und eine Seele. Einmal nur kam es während Antons Ferienzeit zu ernstem
Streit zwischen ihnen. Es war dies bei Gelegenheit einer Valerianschen Auf¬
führung, in welcher nicht zum erstenmale der Papa eine etwas lächerliche Rolle
spielte. Sobald sich Anton von seinem Lachanfall erholt hatte, überfiel er
entrüstet seinen Bruder. Die beiden jungen Helden wälzten sich in wildem
Handgemenge auf dem Teppich Trakelbergs, dessen Zimmer zum Schallplatze
ihrer Thaten erlesen war. Sie stießen ihre Köpfe gegen Tisch- und Stuhlbeine
und schlugen mit den Fäusten, wohin sie trafen, und hätte Julie nicht mit aller
Macht Widerstand geleistet, so wäre die herabhängende Tischdecke mit samt dem
Tintenfasse und sonstigen Gerätschaften ein Opfer der Kamvfcswut geworden.
Mathilde, der diese Szene ernste Besorgnis erregte, eilte nach Trakelbergs
Schlafgemach, schleppte dessen Wasserkrug herbei und leerte ihn über den Köpfen
der Streiter, ein Verfahren, dessen Anwendung sie bei Hühnerhunden, die in
einander verbissen waren, gesehen hatte. Das Mittet wirkte anch hier. Unsre
Helden ließen einander los und brummten unter Pusten und Schütteln die arme
Mathilde an, die, den geleerten Krug in der Hand, trotz ihres Erfolges etwas
betroffen dastand.

Aber um alles in der Welt, Mathilde, sagte Anton, während er sich von
der lachenden Julie abreiben ließ, was machst du denn nnr?

Valer zog seine Bluse aus und hing sie in den Sonnenschein. Dn hättest
uns wenigstens ans die Dorade vorbereiten sollen, damit wir uns in Kostüme
hätten werfen können! Du, Julie, könntest auch etwas besseres thun als wie
ein Kobold zu grinsen.

Aber warum sieht ihr denn nnr wie toll auf einander los? fragte Mathilde.

Weil Valer es dem Papa nicht nachmachen soll, antwortete Anton, das
ist furchtbar ungezogen und schickt sich nicht. Danke, Julie, jetzt bin ich schon
trocken. Nein, Mathilde, das ist wirklich sehr unrecht von Valer.

Du willst uns wohl imponiren, alter Philister? rief Valer vom Fenster
her, wo er seine trocknende Bluse bewachte.

Sei doch nicht so abscheulich, Valer! wandte sich Mathilde an diesen.

Natürlich, fuhr Valer in dem geringschätzigen Tone fort, dn mußt ja gleich seine
Partei nehmen. Ist mir aber ganz egal, und du bist auch nicht viel wert, Mathilde.

Mathilde war dem Weinen näher als dem Lachen. Zum Glück rief jetzt
Julie aus: Es ist schon zwölf Uhr! Herr Trakelberg wird gleich kommen.
Schnell, helft mir Ordnung machen.

Augenblicklich war aller Streit vergessen, und alle Hände rührten sich.
Der Krug verschwand; ein paar reine Handtücher, die Tante Cäcilie erst heute
herausgegeben hatte, wurden dazu benutzt, den Teppich abzureiben, Tische und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199394"/>
            <fw type="header" place="top"> Aus der Lhronik derer von Riffelshausen.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_82" prev="#ID_81"> auf ihre beiden Söhne zurück. Euer Onkel ist kein Richard von Glocester!<lb/>
dachte sie.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_83"> Trotz Vaters eifersüchtiger Anwandlungen waren die zwei Brüder ein Herz<lb/>
und eine Seele. Einmal nur kam es während Antons Ferienzeit zu ernstem<lb/>
Streit zwischen ihnen. Es war dies bei Gelegenheit einer Valerianschen Auf¬<lb/>
führung, in welcher nicht zum erstenmale der Papa eine etwas lächerliche Rolle<lb/>
spielte. Sobald sich Anton von seinem Lachanfall erholt hatte, überfiel er<lb/>
entrüstet seinen Bruder. Die beiden jungen Helden wälzten sich in wildem<lb/>
Handgemenge auf dem Teppich Trakelbergs, dessen Zimmer zum Schallplatze<lb/>
ihrer Thaten erlesen war. Sie stießen ihre Köpfe gegen Tisch- und Stuhlbeine<lb/>
und schlugen mit den Fäusten, wohin sie trafen, und hätte Julie nicht mit aller<lb/>
Macht Widerstand geleistet, so wäre die herabhängende Tischdecke mit samt dem<lb/>
Tintenfasse und sonstigen Gerätschaften ein Opfer der Kamvfcswut geworden.<lb/>
Mathilde, der diese Szene ernste Besorgnis erregte, eilte nach Trakelbergs<lb/>
Schlafgemach, schleppte dessen Wasserkrug herbei und leerte ihn über den Köpfen<lb/>
der Streiter, ein Verfahren, dessen Anwendung sie bei Hühnerhunden, die in<lb/>
einander verbissen waren, gesehen hatte. Das Mittet wirkte anch hier. Unsre<lb/>
Helden ließen einander los und brummten unter Pusten und Schütteln die arme<lb/>
Mathilde an, die, den geleerten Krug in der Hand, trotz ihres Erfolges etwas<lb/>
betroffen dastand.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_84"> Aber um alles in der Welt, Mathilde, sagte Anton, während er sich von<lb/>
der lachenden Julie abreiben ließ, was machst du denn nnr?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_85"> Valer zog seine Bluse aus und hing sie in den Sonnenschein. Dn hättest<lb/>
uns wenigstens ans die Dorade vorbereiten sollen, damit wir uns in Kostüme<lb/>
hätten werfen können! Du, Julie, könntest auch etwas besseres thun als wie<lb/>
ein Kobold zu grinsen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_86"> Aber warum sieht ihr denn nnr wie toll auf einander los? fragte Mathilde.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_87"> Weil Valer es dem Papa nicht nachmachen soll, antwortete Anton, das<lb/>
ist furchtbar ungezogen und schickt sich nicht. Danke, Julie, jetzt bin ich schon<lb/>
trocken.  Nein, Mathilde, das ist wirklich sehr unrecht von Valer.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_88"> Du willst uns wohl imponiren, alter Philister? rief Valer vom Fenster<lb/>
her, wo er seine trocknende Bluse bewachte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_89"> Sei doch nicht so abscheulich, Valer! wandte sich Mathilde an diesen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_90"> Natürlich, fuhr Valer in dem geringschätzigen Tone fort, dn mußt ja gleich seine<lb/>
Partei nehmen. Ist mir aber ganz egal, und du bist auch nicht viel wert, Mathilde.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_91"> Mathilde war dem Weinen näher als dem Lachen. Zum Glück rief jetzt<lb/>
Julie aus: Es ist schon zwölf Uhr! Herr Trakelberg wird gleich kommen.<lb/>
Schnell, helft mir Ordnung machen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_92" next="#ID_93"> Augenblicklich war aller Streit vergessen, und alle Hände rührten sich.<lb/>
Der Krug verschwand; ein paar reine Handtücher, die Tante Cäcilie erst heute<lb/>
herausgegeben hatte, wurden dazu benutzt, den Teppich abzureiben, Tische und</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0040] Aus der Lhronik derer von Riffelshausen. auf ihre beiden Söhne zurück. Euer Onkel ist kein Richard von Glocester! dachte sie. Trotz Vaters eifersüchtiger Anwandlungen waren die zwei Brüder ein Herz und eine Seele. Einmal nur kam es während Antons Ferienzeit zu ernstem Streit zwischen ihnen. Es war dies bei Gelegenheit einer Valerianschen Auf¬ führung, in welcher nicht zum erstenmale der Papa eine etwas lächerliche Rolle spielte. Sobald sich Anton von seinem Lachanfall erholt hatte, überfiel er entrüstet seinen Bruder. Die beiden jungen Helden wälzten sich in wildem Handgemenge auf dem Teppich Trakelbergs, dessen Zimmer zum Schallplatze ihrer Thaten erlesen war. Sie stießen ihre Köpfe gegen Tisch- und Stuhlbeine und schlugen mit den Fäusten, wohin sie trafen, und hätte Julie nicht mit aller Macht Widerstand geleistet, so wäre die herabhängende Tischdecke mit samt dem Tintenfasse und sonstigen Gerätschaften ein Opfer der Kamvfcswut geworden. Mathilde, der diese Szene ernste Besorgnis erregte, eilte nach Trakelbergs Schlafgemach, schleppte dessen Wasserkrug herbei und leerte ihn über den Köpfen der Streiter, ein Verfahren, dessen Anwendung sie bei Hühnerhunden, die in einander verbissen waren, gesehen hatte. Das Mittet wirkte anch hier. Unsre Helden ließen einander los und brummten unter Pusten und Schütteln die arme Mathilde an, die, den geleerten Krug in der Hand, trotz ihres Erfolges etwas betroffen dastand. Aber um alles in der Welt, Mathilde, sagte Anton, während er sich von der lachenden Julie abreiben ließ, was machst du denn nnr? Valer zog seine Bluse aus und hing sie in den Sonnenschein. Dn hättest uns wenigstens ans die Dorade vorbereiten sollen, damit wir uns in Kostüme hätten werfen können! Du, Julie, könntest auch etwas besseres thun als wie ein Kobold zu grinsen. Aber warum sieht ihr denn nnr wie toll auf einander los? fragte Mathilde. Weil Valer es dem Papa nicht nachmachen soll, antwortete Anton, das ist furchtbar ungezogen und schickt sich nicht. Danke, Julie, jetzt bin ich schon trocken. Nein, Mathilde, das ist wirklich sehr unrecht von Valer. Du willst uns wohl imponiren, alter Philister? rief Valer vom Fenster her, wo er seine trocknende Bluse bewachte. Sei doch nicht so abscheulich, Valer! wandte sich Mathilde an diesen. Natürlich, fuhr Valer in dem geringschätzigen Tone fort, dn mußt ja gleich seine Partei nehmen. Ist mir aber ganz egal, und du bist auch nicht viel wert, Mathilde. Mathilde war dem Weinen näher als dem Lachen. Zum Glück rief jetzt Julie aus: Es ist schon zwölf Uhr! Herr Trakelberg wird gleich kommen. Schnell, helft mir Ordnung machen. Augenblicklich war aller Streit vergessen, und alle Hände rührten sich. Der Krug verschwand; ein paar reine Handtücher, die Tante Cäcilie erst heute herausgegeben hatte, wurden dazu benutzt, den Teppich abzureiben, Tische und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/40
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/40>, abgerufen am 19.10.2024.