Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus der Lhronik derer von Riffclshcmsen.

Man befand sich nicht sehr weit vom Ufer entfernt, aber in dem abgelegensten
Teile des Teiches. Dunkle Buchen und Eschen schmückten den ziemlich hohen
Uferrand und warfen tiefen Schatten über das Wasser. Ringsum herrschte des
Abends Stille, kein menschliches Wesen zu hören und zu sehen!

Ist es tief hier? fragte Rohr, als Einnahm seufzend seine erfolglose Arbeit
aufgab.

Nicht bedeutend. Wir benutzen immer die Stange.

Kann man zum Ufer marschiren?

Ach ja! Wenn man sich durch die infamen Pflanzennetze getraut.

Dann wäre es wohl das gescheiteste, einer von uns wagte deu Durchmarsch
und holte Leute, die das Ding heraufzogen. Eine hübsche Strecke ist es freilich,
es wird aber doch nichts andres übrig bleiben.

Die Kameraden sahen sich unmutig an. Schreien wir erst mal Lärm!
meinte Schefflingen. Man schrie, und Mathilde staunte ob der Macht ihrer
Lungen, aber es ließ sich leine Antwort vernehmen.

Sie scheinen alle nach dem Hanse zurückgegangen zu sein, bemerkte Rohr;
übrigens ist es mir, als ob das Wasser im Kahn stiege. Verwünschte
Situation!

Ich glaube auch, es steigt. Da suche du dem und unser Heil in der Flucht.
Oder willst du hier bleiben, dann gehe ich.

Der Freund aber fühlte sich höchst unbehaglich in dem Fahrzeuge. Stille
sitzen und hoffen ist ein hartes Ding. Er warf noch einen trüben Blick auf den
untern Teil seiner Bekleidung, zog dann rasch den Waffenrock aus, warf ihn
über die Schulter und schwang sich mit Hilfe der Stange über Bord. Als er
sich aber bis an deu Gürtel im Wasser fand, faßte ihn doch ein gelinder Schreck.
Mit einem kühnen Wurf beförderte er seinen Rock zum Ufer, wo derselbe, eine
traurige Flagge, an den Vnchcnästen hängen, blieb, dann versuchte er nochmals
das Fahrzeug flott zu machen; aber die Wassernixen mußten zu ungehalten über
die Störung ihres Friedens sein. Sie ließen den Nachen, den festnmklammerten,
nicht los, sodaß auch dieses Helden Anstrengung vergeblich war.

Einnahm bedeutete deu Freund, sich sofort rechts zu wenden, da werde
es seicht. Aber um Gottes Willen, beeile dich, was dn kannst! Sonst sinken
wir, ehe uns deine Rettungsmannschaft erreicht.

Rohr näherte sich in mühsamem Kampfe gegen die Pflanzenwelt des
Gewässers dem Ufer. Mathilde sah ihn, mit wahrer Todesangst zu. Emil
kante an seinein Schnurrbärte und betrachtete bald sie, bald das langsam steigende
Wasser.

Fatale Lage, äußerte er endlich, ans Ehre!

Mathilde bemühte sich eifrig, ihm zu beweisen, daß alles Mögliche und
Unmögliche an dem Mißgeschick schuld sei, nur uicht Emil Schefflingen. Hiervon
war er freilich auch ohne ihre Erklärungen überzeugt. Er hatte ganz famos ge-


Aus der Lhronik derer von Riffclshcmsen.

Man befand sich nicht sehr weit vom Ufer entfernt, aber in dem abgelegensten
Teile des Teiches. Dunkle Buchen und Eschen schmückten den ziemlich hohen
Uferrand und warfen tiefen Schatten über das Wasser. Ringsum herrschte des
Abends Stille, kein menschliches Wesen zu hören und zu sehen!

Ist es tief hier? fragte Rohr, als Einnahm seufzend seine erfolglose Arbeit
aufgab.

Nicht bedeutend. Wir benutzen immer die Stange.

Kann man zum Ufer marschiren?

Ach ja! Wenn man sich durch die infamen Pflanzennetze getraut.

Dann wäre es wohl das gescheiteste, einer von uns wagte deu Durchmarsch
und holte Leute, die das Ding heraufzogen. Eine hübsche Strecke ist es freilich,
es wird aber doch nichts andres übrig bleiben.

Die Kameraden sahen sich unmutig an. Schreien wir erst mal Lärm!
meinte Schefflingen. Man schrie, und Mathilde staunte ob der Macht ihrer
Lungen, aber es ließ sich leine Antwort vernehmen.

Sie scheinen alle nach dem Hanse zurückgegangen zu sein, bemerkte Rohr;
übrigens ist es mir, als ob das Wasser im Kahn stiege. Verwünschte
Situation!

Ich glaube auch, es steigt. Da suche du dem und unser Heil in der Flucht.
Oder willst du hier bleiben, dann gehe ich.

Der Freund aber fühlte sich höchst unbehaglich in dem Fahrzeuge. Stille
sitzen und hoffen ist ein hartes Ding. Er warf noch einen trüben Blick auf den
untern Teil seiner Bekleidung, zog dann rasch den Waffenrock aus, warf ihn
über die Schulter und schwang sich mit Hilfe der Stange über Bord. Als er
sich aber bis an deu Gürtel im Wasser fand, faßte ihn doch ein gelinder Schreck.
Mit einem kühnen Wurf beförderte er seinen Rock zum Ufer, wo derselbe, eine
traurige Flagge, an den Vnchcnästen hängen, blieb, dann versuchte er nochmals
das Fahrzeug flott zu machen; aber die Wassernixen mußten zu ungehalten über
die Störung ihres Friedens sein. Sie ließen den Nachen, den festnmklammerten,
nicht los, sodaß auch dieses Helden Anstrengung vergeblich war.

Einnahm bedeutete deu Freund, sich sofort rechts zu wenden, da werde
es seicht. Aber um Gottes Willen, beeile dich, was dn kannst! Sonst sinken
wir, ehe uns deine Rettungsmannschaft erreicht.

Rohr näherte sich in mühsamem Kampfe gegen die Pflanzenwelt des
Gewässers dem Ufer. Mathilde sah ihn, mit wahrer Todesangst zu. Emil
kante an seinein Schnurrbärte und betrachtete bald sie, bald das langsam steigende
Wasser.

Fatale Lage, äußerte er endlich, ans Ehre!

Mathilde bemühte sich eifrig, ihm zu beweisen, daß alles Mögliche und
Unmögliche an dem Mißgeschick schuld sei, nur uicht Emil Schefflingen. Hiervon
war er freilich auch ohne ihre Erklärungen überzeugt. Er hatte ganz famos ge-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199709"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus der Lhronik derer von Riffclshcmsen.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1474"> Man befand sich nicht sehr weit vom Ufer entfernt, aber in dem abgelegensten<lb/>
Teile des Teiches. Dunkle Buchen und Eschen schmückten den ziemlich hohen<lb/>
Uferrand und warfen tiefen Schatten über das Wasser. Ringsum herrschte des<lb/>
Abends Stille, kein menschliches Wesen zu hören und zu sehen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1475"> Ist es tief hier? fragte Rohr, als Einnahm seufzend seine erfolglose Arbeit<lb/>
aufgab.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1476"> Nicht bedeutend. Wir benutzen immer die Stange.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1477"> Kann man zum Ufer marschiren?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1478"> Ach ja! Wenn man sich durch die infamen Pflanzennetze getraut.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1479"> Dann wäre es wohl das gescheiteste, einer von uns wagte deu Durchmarsch<lb/>
und holte Leute, die das Ding heraufzogen. Eine hübsche Strecke ist es freilich,<lb/>
es wird aber doch nichts andres übrig bleiben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1480"> Die Kameraden sahen sich unmutig an. Schreien wir erst mal Lärm!<lb/>
meinte Schefflingen. Man schrie, und Mathilde staunte ob der Macht ihrer<lb/>
Lungen, aber es ließ sich leine Antwort vernehmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1481"> Sie scheinen alle nach dem Hanse zurückgegangen zu sein, bemerkte Rohr;<lb/>
übrigens ist es mir, als ob das Wasser im Kahn stiege. Verwünschte<lb/>
Situation!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1482"> Ich glaube auch, es steigt. Da suche du dem und unser Heil in der Flucht.<lb/>
Oder willst du hier bleiben, dann gehe ich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1483"> Der Freund aber fühlte sich höchst unbehaglich in dem Fahrzeuge. Stille<lb/>
sitzen und hoffen ist ein hartes Ding. Er warf noch einen trüben Blick auf den<lb/>
untern Teil seiner Bekleidung, zog dann rasch den Waffenrock aus, warf ihn<lb/>
über die Schulter und schwang sich mit Hilfe der Stange über Bord. Als er<lb/>
sich aber bis an deu Gürtel im Wasser fand, faßte ihn doch ein gelinder Schreck.<lb/>
Mit einem kühnen Wurf beförderte er seinen Rock zum Ufer, wo derselbe, eine<lb/>
traurige Flagge, an den Vnchcnästen hängen, blieb, dann versuchte er nochmals<lb/>
das Fahrzeug flott zu machen; aber die Wassernixen mußten zu ungehalten über<lb/>
die Störung ihres Friedens sein. Sie ließen den Nachen, den festnmklammerten,<lb/>
nicht los, sodaß auch dieses Helden Anstrengung vergeblich war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1484"> Einnahm bedeutete deu Freund, sich sofort rechts zu wenden, da werde<lb/>
es seicht. Aber um Gottes Willen, beeile dich, was dn kannst! Sonst sinken<lb/>
wir, ehe uns deine Rettungsmannschaft erreicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1485"> Rohr näherte sich in mühsamem Kampfe gegen die Pflanzenwelt des<lb/>
Gewässers dem Ufer. Mathilde sah ihn, mit wahrer Todesangst zu. Emil<lb/>
kante an seinein Schnurrbärte und betrachtete bald sie, bald das langsam steigende<lb/>
Wasser.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1486"> Fatale Lage, äußerte er endlich, ans Ehre!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1487" next="#ID_1488"> Mathilde bemühte sich eifrig, ihm zu beweisen, daß alles Mögliche und<lb/>
Unmögliche an dem Mißgeschick schuld sei, nur uicht Emil Schefflingen. Hiervon<lb/>
war er freilich auch ohne ihre Erklärungen überzeugt. Er hatte ganz famos ge-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0355] Aus der Lhronik derer von Riffclshcmsen. Man befand sich nicht sehr weit vom Ufer entfernt, aber in dem abgelegensten Teile des Teiches. Dunkle Buchen und Eschen schmückten den ziemlich hohen Uferrand und warfen tiefen Schatten über das Wasser. Ringsum herrschte des Abends Stille, kein menschliches Wesen zu hören und zu sehen! Ist es tief hier? fragte Rohr, als Einnahm seufzend seine erfolglose Arbeit aufgab. Nicht bedeutend. Wir benutzen immer die Stange. Kann man zum Ufer marschiren? Ach ja! Wenn man sich durch die infamen Pflanzennetze getraut. Dann wäre es wohl das gescheiteste, einer von uns wagte deu Durchmarsch und holte Leute, die das Ding heraufzogen. Eine hübsche Strecke ist es freilich, es wird aber doch nichts andres übrig bleiben. Die Kameraden sahen sich unmutig an. Schreien wir erst mal Lärm! meinte Schefflingen. Man schrie, und Mathilde staunte ob der Macht ihrer Lungen, aber es ließ sich leine Antwort vernehmen. Sie scheinen alle nach dem Hanse zurückgegangen zu sein, bemerkte Rohr; übrigens ist es mir, als ob das Wasser im Kahn stiege. Verwünschte Situation! Ich glaube auch, es steigt. Da suche du dem und unser Heil in der Flucht. Oder willst du hier bleiben, dann gehe ich. Der Freund aber fühlte sich höchst unbehaglich in dem Fahrzeuge. Stille sitzen und hoffen ist ein hartes Ding. Er warf noch einen trüben Blick auf den untern Teil seiner Bekleidung, zog dann rasch den Waffenrock aus, warf ihn über die Schulter und schwang sich mit Hilfe der Stange über Bord. Als er sich aber bis an deu Gürtel im Wasser fand, faßte ihn doch ein gelinder Schreck. Mit einem kühnen Wurf beförderte er seinen Rock zum Ufer, wo derselbe, eine traurige Flagge, an den Vnchcnästen hängen, blieb, dann versuchte er nochmals das Fahrzeug flott zu machen; aber die Wassernixen mußten zu ungehalten über die Störung ihres Friedens sein. Sie ließen den Nachen, den festnmklammerten, nicht los, sodaß auch dieses Helden Anstrengung vergeblich war. Einnahm bedeutete deu Freund, sich sofort rechts zu wenden, da werde es seicht. Aber um Gottes Willen, beeile dich, was dn kannst! Sonst sinken wir, ehe uns deine Rettungsmannschaft erreicht. Rohr näherte sich in mühsamem Kampfe gegen die Pflanzenwelt des Gewässers dem Ufer. Mathilde sah ihn, mit wahrer Todesangst zu. Emil kante an seinein Schnurrbärte und betrachtete bald sie, bald das langsam steigende Wasser. Fatale Lage, äußerte er endlich, ans Ehre! Mathilde bemühte sich eifrig, ihm zu beweisen, daß alles Mögliche und Unmögliche an dem Mißgeschick schuld sei, nur uicht Emil Schefflingen. Hiervon war er freilich auch ohne ihre Erklärungen überzeugt. Er hatte ganz famos ge-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/355
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/355>, abgerufen am 27.09.2024.