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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Ans Wien.

"
Konvertiten, welche durch verdoppelten Eifer den Flecken protestantischer Herkunft
in Vergessenheit zu bringen suchten. Das hatte der damalige Legationsrat Leopold
v. Hofmann nicht notwendig, aber gut ultramontau war er auch, und als eine
große feudalistisch-föderalistisch-katholische Zeitung gegründet wurde, beteiligte
er sich lebhaft. Das von dieser Partei ausgearbeitete "Oktoberdiplom" wurde
diesseits und jenseits der Leitha ziemlich einmütig abgelehnt, Schmerling schob
es beiseite, indem er es vorgeblich ergänzte, und in dem durch das "Februar¬
patent" geschaffenen Herrenhause wurde Hofmann Protokollführer. Dieser wenig
anstrengenden Thätigkeit entriß ihn der dänische Krieg, er wurde nach Holstein
geschickt. Der eigentliche "Ziviladlatus" des Generals Gablenz hieß Halbhuber,
und im Einklang damit wurde Hofmann, der später in jene Stellung ausrückte,
von seinen Wiener Freunden Gschaftlhuber genannt. Er hat lange nachher
versichert, stets einer Verständigung mit Preußen das Wort geredet, rechtzeitig
gewarnt zu haben u. s. w. Damals galt er im Gegenteil für den Mittelpunkt und
Inspirator jeues Kreises wunderlicher demokratischer Heiligen, welche nach
Kiel gekommen waren, um die transalbingische Republik aufrichten zu helfen,
und dann für den Herzog von Augustenburg, für Osterreich, für den Bundes¬
tag, nur unter allen Umstünden gegen Preußen sich die Finger wund schrieben.
Als Manteuffel Holstein besetzt hatte, sagte ein späterer Kollege Hofmanns:
"Wenn sie uns Holstein wegnehmen, werden sie hoffentlich auch den Hofmann
mit Beschlag belegen." Doch der hatte sich rechtzeitig davongemacht, bald
darauf war er im Gefolge des Grafen Mensdorff in Nitolsburg, und Beust er¬
kannte in ihm den Mann, welcher ihn in die österreichischen Verhältnisse ein¬
führen könnte.

Wenn man das Memorandum kennte, welches der von seinem Könige
notgedrungen, mit dem Ausdruck tiefen Bedauerns, entlassene sächsische Minister
in Prag dem Kaiser vou Österreich überreicht und welches diesen bewogen
hatte, ihn zu seinem Minister zu machen! Enthielt es nur ein Programm der
auswärtigen Politik, so wäre diese Berufung weniger wunderbar. In der Zeit
der Verbindung der deutschen Kaiserkrone mit der Königskrone von Ungarn und
Böhmen war es ja zur Gewohnheit geworden, Edelleute "aus dem Reich" in
den höchsten Stellungen in Wien zu sehen, und die ausländischen Besitzungen
Österreichs hatten vollends dafür gesorgt, die Hofkanzleien und die Armee
Polyglott, national geschlechtslos zu machen. Immerhin pflegte mau niemand
an deu obersten Platz zu stellen, der nicht schon im Dienste des Landes einige
Erfahrung gesammelt hatte. Und wie immer behauptet worden ist und die
späteren Ereignisse zu bestätigen scheine", hatte Herr v. Beust sich schnell bereit
finden lassen, auch für die Lösung der Verwicklungen im Innern ein Rezept
zu verschreiben. Wenn das wahr ist, so charakterisirt es ihn zur Genüge. Wie
der Journalist, der täglich seinen Leitartikel liefern muß, bespricht er wohlgemut
Verhältnisse, die er garnicht kennen kann, die so schwierig und verwickelt sind,


Ans Wien.

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Konvertiten, welche durch verdoppelten Eifer den Flecken protestantischer Herkunft
in Vergessenheit zu bringen suchten. Das hatte der damalige Legationsrat Leopold
v. Hofmann nicht notwendig, aber gut ultramontau war er auch, und als eine
große feudalistisch-föderalistisch-katholische Zeitung gegründet wurde, beteiligte
er sich lebhaft. Das von dieser Partei ausgearbeitete „Oktoberdiplom" wurde
diesseits und jenseits der Leitha ziemlich einmütig abgelehnt, Schmerling schob
es beiseite, indem er es vorgeblich ergänzte, und in dem durch das „Februar¬
patent" geschaffenen Herrenhause wurde Hofmann Protokollführer. Dieser wenig
anstrengenden Thätigkeit entriß ihn der dänische Krieg, er wurde nach Holstein
geschickt. Der eigentliche „Ziviladlatus" des Generals Gablenz hieß Halbhuber,
und im Einklang damit wurde Hofmann, der später in jene Stellung ausrückte,
von seinen Wiener Freunden Gschaftlhuber genannt. Er hat lange nachher
versichert, stets einer Verständigung mit Preußen das Wort geredet, rechtzeitig
gewarnt zu haben u. s. w. Damals galt er im Gegenteil für den Mittelpunkt und
Inspirator jeues Kreises wunderlicher demokratischer Heiligen, welche nach
Kiel gekommen waren, um die transalbingische Republik aufrichten zu helfen,
und dann für den Herzog von Augustenburg, für Osterreich, für den Bundes¬
tag, nur unter allen Umstünden gegen Preußen sich die Finger wund schrieben.
Als Manteuffel Holstein besetzt hatte, sagte ein späterer Kollege Hofmanns:
„Wenn sie uns Holstein wegnehmen, werden sie hoffentlich auch den Hofmann
mit Beschlag belegen." Doch der hatte sich rechtzeitig davongemacht, bald
darauf war er im Gefolge des Grafen Mensdorff in Nitolsburg, und Beust er¬
kannte in ihm den Mann, welcher ihn in die österreichischen Verhältnisse ein¬
führen könnte.

Wenn man das Memorandum kennte, welches der von seinem Könige
notgedrungen, mit dem Ausdruck tiefen Bedauerns, entlassene sächsische Minister
in Prag dem Kaiser vou Österreich überreicht und welches diesen bewogen
hatte, ihn zu seinem Minister zu machen! Enthielt es nur ein Programm der
auswärtigen Politik, so wäre diese Berufung weniger wunderbar. In der Zeit
der Verbindung der deutschen Kaiserkrone mit der Königskrone von Ungarn und
Böhmen war es ja zur Gewohnheit geworden, Edelleute „aus dem Reich" in
den höchsten Stellungen in Wien zu sehen, und die ausländischen Besitzungen
Österreichs hatten vollends dafür gesorgt, die Hofkanzleien und die Armee
Polyglott, national geschlechtslos zu machen. Immerhin pflegte mau niemand
an deu obersten Platz zu stellen, der nicht schon im Dienste des Landes einige
Erfahrung gesammelt hatte. Und wie immer behauptet worden ist und die
späteren Ereignisse zu bestätigen scheine», hatte Herr v. Beust sich schnell bereit
finden lassen, auch für die Lösung der Verwicklungen im Innern ein Rezept
zu verschreiben. Wenn das wahr ist, so charakterisirt es ihn zur Genüge. Wie
der Journalist, der täglich seinen Leitartikel liefern muß, bespricht er wohlgemut
Verhältnisse, die er garnicht kennen kann, die so schwierig und verwickelt sind,


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[0306] Ans Wien. « Konvertiten, welche durch verdoppelten Eifer den Flecken protestantischer Herkunft in Vergessenheit zu bringen suchten. Das hatte der damalige Legationsrat Leopold v. Hofmann nicht notwendig, aber gut ultramontau war er auch, und als eine große feudalistisch-föderalistisch-katholische Zeitung gegründet wurde, beteiligte er sich lebhaft. Das von dieser Partei ausgearbeitete „Oktoberdiplom" wurde diesseits und jenseits der Leitha ziemlich einmütig abgelehnt, Schmerling schob es beiseite, indem er es vorgeblich ergänzte, und in dem durch das „Februar¬ patent" geschaffenen Herrenhause wurde Hofmann Protokollführer. Dieser wenig anstrengenden Thätigkeit entriß ihn der dänische Krieg, er wurde nach Holstein geschickt. Der eigentliche „Ziviladlatus" des Generals Gablenz hieß Halbhuber, und im Einklang damit wurde Hofmann, der später in jene Stellung ausrückte, von seinen Wiener Freunden Gschaftlhuber genannt. Er hat lange nachher versichert, stets einer Verständigung mit Preußen das Wort geredet, rechtzeitig gewarnt zu haben u. s. w. Damals galt er im Gegenteil für den Mittelpunkt und Inspirator jeues Kreises wunderlicher demokratischer Heiligen, welche nach Kiel gekommen waren, um die transalbingische Republik aufrichten zu helfen, und dann für den Herzog von Augustenburg, für Osterreich, für den Bundes¬ tag, nur unter allen Umstünden gegen Preußen sich die Finger wund schrieben. Als Manteuffel Holstein besetzt hatte, sagte ein späterer Kollege Hofmanns: „Wenn sie uns Holstein wegnehmen, werden sie hoffentlich auch den Hofmann mit Beschlag belegen." Doch der hatte sich rechtzeitig davongemacht, bald darauf war er im Gefolge des Grafen Mensdorff in Nitolsburg, und Beust er¬ kannte in ihm den Mann, welcher ihn in die österreichischen Verhältnisse ein¬ führen könnte. Wenn man das Memorandum kennte, welches der von seinem Könige notgedrungen, mit dem Ausdruck tiefen Bedauerns, entlassene sächsische Minister in Prag dem Kaiser vou Österreich überreicht und welches diesen bewogen hatte, ihn zu seinem Minister zu machen! Enthielt es nur ein Programm der auswärtigen Politik, so wäre diese Berufung weniger wunderbar. In der Zeit der Verbindung der deutschen Kaiserkrone mit der Königskrone von Ungarn und Böhmen war es ja zur Gewohnheit geworden, Edelleute „aus dem Reich" in den höchsten Stellungen in Wien zu sehen, und die ausländischen Besitzungen Österreichs hatten vollends dafür gesorgt, die Hofkanzleien und die Armee Polyglott, national geschlechtslos zu machen. Immerhin pflegte mau niemand an deu obersten Platz zu stellen, der nicht schon im Dienste des Landes einige Erfahrung gesammelt hatte. Und wie immer behauptet worden ist und die späteren Ereignisse zu bestätigen scheine», hatte Herr v. Beust sich schnell bereit finden lassen, auch für die Lösung der Verwicklungen im Innern ein Rezept zu verschreiben. Wenn das wahr ist, so charakterisirt es ihn zur Genüge. Wie der Journalist, der täglich seinen Leitartikel liefern muß, bespricht er wohlgemut Verhältnisse, die er garnicht kennen kann, die so schwierig und verwickelt sind,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/306>, abgerufen am 27.09.2024.