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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Glymxia und der olympische Zeustempel.

sprechen. Reich der einen wurde der Meister wegen Unterschleifs angeklagt,
dessen er sich bei der Anfertigung des großen Goldclfenbcinstandbildes der
Athena Parthcnos im Parthenon in Athen schuldig gemacht haben sollte, und
zwar hätten die Feinde des mit dem Künstler eng befrenndeten Perikles, um
dessen Ansehen zu untergraben und ihn beim Volke zu verdächtigen, einen Mit¬
arbeiter des Phidias zu der Aussage bestimmt, der Meister habe von dem für
die Statue der Athena bestimmten Golde eine große Menge veruntreut. Die
Nichtigkeit dieser Anklage konnte dadurch widerlegt werden, daß man den Gold-
schmuck der Göttin nachwiegen konnte, wobei das Gewicht als richtig befunden
wurde; aber der Haß sei gegen den Meister -- und wohl auch gegen seinen
Gönner, den großen Staatsmann -- so geschürt gewesen, daß man nun eine
Anklage wegen Gotteslästerung eingebracht habe, weil er sein und des Perikles
Bild auf dem Schilde der Partheuos angebracht habe. Er sei darauf in den
Kerker geworfen worden und hier entweder an einer Krankheit oder an Gift,
das ihm die Feinde des Perikles beigebracht hätten, gestorben. Die andre Über¬
lieferung erzählt, daß Phidias infolge eines Prozesses wegen Unterschlagung
von Elfenbein von Athen nach Elis geflohen sei, den Zeus in Olympia ge¬
fertigt habe und dann von den Eleern wiederum wegen Veruntreuung getötet
worden sei.

War Phidias nach Vollendung der Athena Parthenos und des plastischen
Schmuckes ihres Heiligtums nach Olympia gegangen, so würde sich die Ähn¬
lichkeit einer Reihe von Motiven, die sich in dem Westgiebel des Zenstempels
und einzelnen Parthenonmetopen findet, aus Reminiszenzen erklären lassen,
welche die attischen Künstler im Gefolge ihres großen Meisters nach Olympia
übertrugen. Allein die ganze zweite Überlieferung unterliegt den gewichtigsten
Bedenken. Phidias muß nach Vollendung des Zeus große Ehren bei den
Eleern genossen haben. Die Werkstatt, die der Staat ihm in Olympia hatte
bauen lassen, wurde, wie wir sahen, noch zu Pausanias' Zeit gezeigt, und den
Nachkommen des Meisters hatte man das Amt übertragen, für die Reinigung
des Zeus Sorge zu tragen. Das weist mit zwingender Notwendigkeit darauf
hin, daß -- was Brunn schon vor dreißig Jahren ausgesprochen hat -- Phidias
in Olympia mit Ehren empfangen und mit Ehren wieder entlassen worden
sein muß.

Die neuesten Untersuchungen über die Baugeschichte des Parthenon haben
ergeben, daß der Tempel wahrscheinlich in den Jahren 435--434 vollendet,
447 -- 446 begonnen worden ist. Vom Jahre 446 an muß also Phidias in
Athen anwesend gewesen sein und wird hier neben andern Arbeiten die Athena
Parthenos (im Jahre 438) vollendet und den plastischen Schmuck für den
Parthenon entworfen haben. Es ist undenkbar, daß er während dieser Zeit,
in der seine Arbeitskraft im höchsten Grade in Anspruch genommen war, noch
andre große Werke, wie den Zeus in Olympia, der seine Anwesenheit dort er-


Glymxia und der olympische Zeustempel.

sprechen. Reich der einen wurde der Meister wegen Unterschleifs angeklagt,
dessen er sich bei der Anfertigung des großen Goldclfenbcinstandbildes der
Athena Parthcnos im Parthenon in Athen schuldig gemacht haben sollte, und
zwar hätten die Feinde des mit dem Künstler eng befrenndeten Perikles, um
dessen Ansehen zu untergraben und ihn beim Volke zu verdächtigen, einen Mit¬
arbeiter des Phidias zu der Aussage bestimmt, der Meister habe von dem für
die Statue der Athena bestimmten Golde eine große Menge veruntreut. Die
Nichtigkeit dieser Anklage konnte dadurch widerlegt werden, daß man den Gold-
schmuck der Göttin nachwiegen konnte, wobei das Gewicht als richtig befunden
wurde; aber der Haß sei gegen den Meister — und wohl auch gegen seinen
Gönner, den großen Staatsmann — so geschürt gewesen, daß man nun eine
Anklage wegen Gotteslästerung eingebracht habe, weil er sein und des Perikles
Bild auf dem Schilde der Partheuos angebracht habe. Er sei darauf in den
Kerker geworfen worden und hier entweder an einer Krankheit oder an Gift,
das ihm die Feinde des Perikles beigebracht hätten, gestorben. Die andre Über¬
lieferung erzählt, daß Phidias infolge eines Prozesses wegen Unterschlagung
von Elfenbein von Athen nach Elis geflohen sei, den Zeus in Olympia ge¬
fertigt habe und dann von den Eleern wiederum wegen Veruntreuung getötet
worden sei.

War Phidias nach Vollendung der Athena Parthenos und des plastischen
Schmuckes ihres Heiligtums nach Olympia gegangen, so würde sich die Ähn¬
lichkeit einer Reihe von Motiven, die sich in dem Westgiebel des Zenstempels
und einzelnen Parthenonmetopen findet, aus Reminiszenzen erklären lassen,
welche die attischen Künstler im Gefolge ihres großen Meisters nach Olympia
übertrugen. Allein die ganze zweite Überlieferung unterliegt den gewichtigsten
Bedenken. Phidias muß nach Vollendung des Zeus große Ehren bei den
Eleern genossen haben. Die Werkstatt, die der Staat ihm in Olympia hatte
bauen lassen, wurde, wie wir sahen, noch zu Pausanias' Zeit gezeigt, und den
Nachkommen des Meisters hatte man das Amt übertragen, für die Reinigung
des Zeus Sorge zu tragen. Das weist mit zwingender Notwendigkeit darauf
hin, daß — was Brunn schon vor dreißig Jahren ausgesprochen hat — Phidias
in Olympia mit Ehren empfangen und mit Ehren wieder entlassen worden
sein muß.

Die neuesten Untersuchungen über die Baugeschichte des Parthenon haben
ergeben, daß der Tempel wahrscheinlich in den Jahren 435—434 vollendet,
447 — 446 begonnen worden ist. Vom Jahre 446 an muß also Phidias in
Athen anwesend gewesen sein und wird hier neben andern Arbeiten die Athena
Parthenos (im Jahre 438) vollendet und den plastischen Schmuck für den
Parthenon entworfen haben. Es ist undenkbar, daß er während dieser Zeit,
in der seine Arbeitskraft im höchsten Grade in Anspruch genommen war, noch
andre große Werke, wie den Zeus in Olympia, der seine Anwesenheit dort er-


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[0244] Glymxia und der olympische Zeustempel. sprechen. Reich der einen wurde der Meister wegen Unterschleifs angeklagt, dessen er sich bei der Anfertigung des großen Goldclfenbcinstandbildes der Athena Parthcnos im Parthenon in Athen schuldig gemacht haben sollte, und zwar hätten die Feinde des mit dem Künstler eng befrenndeten Perikles, um dessen Ansehen zu untergraben und ihn beim Volke zu verdächtigen, einen Mit¬ arbeiter des Phidias zu der Aussage bestimmt, der Meister habe von dem für die Statue der Athena bestimmten Golde eine große Menge veruntreut. Die Nichtigkeit dieser Anklage konnte dadurch widerlegt werden, daß man den Gold- schmuck der Göttin nachwiegen konnte, wobei das Gewicht als richtig befunden wurde; aber der Haß sei gegen den Meister — und wohl auch gegen seinen Gönner, den großen Staatsmann — so geschürt gewesen, daß man nun eine Anklage wegen Gotteslästerung eingebracht habe, weil er sein und des Perikles Bild auf dem Schilde der Partheuos angebracht habe. Er sei darauf in den Kerker geworfen worden und hier entweder an einer Krankheit oder an Gift, das ihm die Feinde des Perikles beigebracht hätten, gestorben. Die andre Über¬ lieferung erzählt, daß Phidias infolge eines Prozesses wegen Unterschlagung von Elfenbein von Athen nach Elis geflohen sei, den Zeus in Olympia ge¬ fertigt habe und dann von den Eleern wiederum wegen Veruntreuung getötet worden sei. War Phidias nach Vollendung der Athena Parthenos und des plastischen Schmuckes ihres Heiligtums nach Olympia gegangen, so würde sich die Ähn¬ lichkeit einer Reihe von Motiven, die sich in dem Westgiebel des Zenstempels und einzelnen Parthenonmetopen findet, aus Reminiszenzen erklären lassen, welche die attischen Künstler im Gefolge ihres großen Meisters nach Olympia übertrugen. Allein die ganze zweite Überlieferung unterliegt den gewichtigsten Bedenken. Phidias muß nach Vollendung des Zeus große Ehren bei den Eleern genossen haben. Die Werkstatt, die der Staat ihm in Olympia hatte bauen lassen, wurde, wie wir sahen, noch zu Pausanias' Zeit gezeigt, und den Nachkommen des Meisters hatte man das Amt übertragen, für die Reinigung des Zeus Sorge zu tragen. Das weist mit zwingender Notwendigkeit darauf hin, daß — was Brunn schon vor dreißig Jahren ausgesprochen hat — Phidias in Olympia mit Ehren empfangen und mit Ehren wieder entlassen worden sein muß. Die neuesten Untersuchungen über die Baugeschichte des Parthenon haben ergeben, daß der Tempel wahrscheinlich in den Jahren 435—434 vollendet, 447 — 446 begonnen worden ist. Vom Jahre 446 an muß also Phidias in Athen anwesend gewesen sein und wird hier neben andern Arbeiten die Athena Parthenos (im Jahre 438) vollendet und den plastischen Schmuck für den Parthenon entworfen haben. Es ist undenkbar, daß er während dieser Zeit, in der seine Arbeitskraft im höchsten Grade in Anspruch genommen war, noch andre große Werke, wie den Zeus in Olympia, der seine Anwesenheit dort er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/244>, abgerufen am 27.09.2024.