Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.Der ewige Jude. abermals. Man sieht eine großartige Fjordlandschaft am Meere. In einem Wär' ich in Indiens Pagoden, Walafried ist in Angst vor der lockenden Hölle; Ahasver spottet des jungen
Damit schließt die Exposition der Dichtung. Einige Bedenken lassen sich nicht unterdrücken. Die Allwissenheit Perachtas Der ewige Jude. abermals. Man sieht eine großartige Fjordlandschaft am Meere. In einem Wär' ich in Indiens Pagoden, Walafried ist in Angst vor der lockenden Hölle; Ahasver spottet des jungen
Damit schließt die Exposition der Dichtung. Einige Bedenken lassen sich nicht unterdrücken. Die Allwissenheit Perachtas <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0236" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199590"/> <fw type="header" place="top"> Der ewige Jude.</fw><lb/> <p xml:id="ID_917" prev="#ID_916" next="#ID_918"> abermals. Man sieht eine großartige Fjordlandschaft am Meere. In einem<lb/> reichgeschmückten Schiffe steht am Steuer Aventiure in Harnisch und Helm. Sie<lb/> singt ein Lied. Widumar eilt auf sie zu; sie reicht ihm die Hand, und er springt<lb/> auf das Schiff. Der Fels schließt sich wieder. Nach einer neuen Pause treten<lb/> Ahasver und Walafried ein. Walafricd fühlt sich durch die überall lebendige<lb/> Natur geängstigt; Ahasver beruhigt ihn mit nüchterner Weisheit: „Leicht wird<lb/> ein loses Spiel der Natur zum grausen Schreckbild erregten Sinnen. . . . Doch<lb/> kommt was wirklich von außen her, dann ist's kein bloßes Geflunker mehr."<lb/> Da geht die Felswand abermals auseinander; man sieht im Mondlicht den<lb/> Garten der Minne. Minne selbst sitzt an einem Brunnen und steht laugsam<lb/> auf. Ahasver ruft verblüfft:</p><lb/> <quote> Wär' ich in Indiens Pagoden,<lb/> Dann sagt' ich: Das ist holde Gaukelei!<lb/> Doch hier, auf Norikums rauhwncknem Boden,<lb/> In öder Fclscuwnstcuei,<lb/> Hier gilt es mehr!</quote><lb/> <p xml:id="ID_918" prev="#ID_917"> Walafried ist in Angst vor der lockenden Hölle; Ahasver spottet des jungen<lb/> Menschen, dem vor einem Mägdlein bangen will. Minne singt ein jubelndes<lb/> Liebeslied. Walafried kämpft mit seiner Pflicht, doch schließlich fällt er der<lb/> Minne zu Füßen und verschwindet mit ihr im Felsen. „Der scheint mir ganz<lb/> gut aufgehoben," sagt Ahasver befriedigt, in der frohen Erwartung, nun endlich<lb/> auch den langen Schlaf genießen zu können, nach dem er in seiner Müdigkeit<lb/> dürstet. Allein Perachtci, die jetzt erscheint, bringt ihm die große Enttäuschung.<lb/> Den letzten Sproß vom Stamme Ahasver, jenen Walafried, habe er selbst her¬<lb/> gelockt zum tausendjährigen Schlaf.</p><lb/> <quote> <p xml:id="ID_919"> O, hättest du ein warnend Wort<lb/> Gesagt, als er mit der Versuchung rang,<lb/> Dann ging' er jetzt mit dir den Gang,<lb/> Der einzig zur Erlösung führen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_920"> Er hätte mich erlöst?</p> <note type="speaker"> Ahasver.</note> <p xml:id="ID_921"> Ja, alter Mann!</p> <note type="speaker"> Pcrachta.</note> <p xml:id="ID_922"> Verdammtes Blendwerk! Mensch! Wach auf!</p> <stage> (Er stürzt ans die</stage> <note type="speaker"> Ahasver </note> <stage> (schreiend).</stage><lb/> <stage> Felswand los; diese schliesst sich; verzweifelnd krallt er die Hände in das Gestein.)</stage> <p xml:id="ID_923"> Laß dem Jahrtausend seinen Lauf!<lb/> Dann frage wieder nach!</p> <note type="speaker"> Pcrachta.</note> <p xml:id="ID_924" next="#ID_925"> Wach' auf! Wach' auf!</p> <note type="speaker"> Ahasver.</note> </quote><lb/> <p xml:id="ID_925" prev="#ID_924"> Damit schließt die Exposition der Dichtung.</p><lb/> <p xml:id="ID_926" next="#ID_927"> Einige Bedenken lassen sich nicht unterdrücken. Die Allwissenheit Perachtas<lb/> sind wir bei ihrer Göttlichkeit in Kauf zu nehmen bereit, obgleich wir trotz<lb/> aller Grübelei nicht imstande sind, die Bedeutung dieser symbolischen Gestalt<lb/> zu ergründen. Aber verwundert fragt man: Wie kommt Ahasver plötzlich zu<lb/> dem Streben nach Erlösung? Ist er nicht als noch immer der Welt sich freuend<lb/> eingeführt worden? hat er nicht im Gespräch mit Walafried verraten, daß er das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0236]
Der ewige Jude.
abermals. Man sieht eine großartige Fjordlandschaft am Meere. In einem
reichgeschmückten Schiffe steht am Steuer Aventiure in Harnisch und Helm. Sie
singt ein Lied. Widumar eilt auf sie zu; sie reicht ihm die Hand, und er springt
auf das Schiff. Der Fels schließt sich wieder. Nach einer neuen Pause treten
Ahasver und Walafried ein. Walafricd fühlt sich durch die überall lebendige
Natur geängstigt; Ahasver beruhigt ihn mit nüchterner Weisheit: „Leicht wird
ein loses Spiel der Natur zum grausen Schreckbild erregten Sinnen. . . . Doch
kommt was wirklich von außen her, dann ist's kein bloßes Geflunker mehr."
Da geht die Felswand abermals auseinander; man sieht im Mondlicht den
Garten der Minne. Minne selbst sitzt an einem Brunnen und steht laugsam
auf. Ahasver ruft verblüfft:
Wär' ich in Indiens Pagoden,
Dann sagt' ich: Das ist holde Gaukelei!
Doch hier, auf Norikums rauhwncknem Boden,
In öder Fclscuwnstcuei,
Hier gilt es mehr!
Walafried ist in Angst vor der lockenden Hölle; Ahasver spottet des jungen
Menschen, dem vor einem Mägdlein bangen will. Minne singt ein jubelndes
Liebeslied. Walafried kämpft mit seiner Pflicht, doch schließlich fällt er der
Minne zu Füßen und verschwindet mit ihr im Felsen. „Der scheint mir ganz
gut aufgehoben," sagt Ahasver befriedigt, in der frohen Erwartung, nun endlich
auch den langen Schlaf genießen zu können, nach dem er in seiner Müdigkeit
dürstet. Allein Perachtci, die jetzt erscheint, bringt ihm die große Enttäuschung.
Den letzten Sproß vom Stamme Ahasver, jenen Walafried, habe er selbst her¬
gelockt zum tausendjährigen Schlaf.
O, hättest du ein warnend Wort
Gesagt, als er mit der Versuchung rang,
Dann ging' er jetzt mit dir den Gang,
Der einzig zur Erlösung führen kann.
Er hätte mich erlöst?
Ahasver. Ja, alter Mann!
Pcrachta. Verdammtes Blendwerk! Mensch! Wach auf!
(Er stürzt ans die Ahasver (schreiend).
Felswand los; diese schliesst sich; verzweifelnd krallt er die Hände in das Gestein.) Laß dem Jahrtausend seinen Lauf!
Dann frage wieder nach!
Pcrachta. Wach' auf! Wach' auf!
Ahasver.
Damit schließt die Exposition der Dichtung.
Einige Bedenken lassen sich nicht unterdrücken. Die Allwissenheit Perachtas
sind wir bei ihrer Göttlichkeit in Kauf zu nehmen bereit, obgleich wir trotz
aller Grübelei nicht imstande sind, die Bedeutung dieser symbolischen Gestalt
zu ergründen. Aber verwundert fragt man: Wie kommt Ahasver plötzlich zu
dem Streben nach Erlösung? Ist er nicht als noch immer der Welt sich freuend
eingeführt worden? hat er nicht im Gespräch mit Walafried verraten, daß er das
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |