Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien. Tischler hobelt, welches keinem Menschen Kleidung schafft, wenn nicht der Weber Auf eiuer Seite Mangel, dringendes Verlangen nach den Gütern, welche Wenn es der Volkswirtschaft nicht bald gelingt, den Riesenschritten der Hilfe in dieser Not ist wohl nur vom Staate, von der Gesetzgebung zu R. vogdt. volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien. Tischler hobelt, welches keinem Menschen Kleidung schafft, wenn nicht der Weber Auf eiuer Seite Mangel, dringendes Verlangen nach den Gütern, welche Wenn es der Volkswirtschaft nicht bald gelingt, den Riesenschritten der Hilfe in dieser Not ist wohl nur vom Staate, von der Gesetzgebung zu R. vogdt. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0195" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199549"/> <fw type="header" place="top"> volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien.</fw><lb/> <p xml:id="ID_674" prev="#ID_673"> Tischler hobelt, welches keinem Menschen Kleidung schafft, wenn nicht der Weber<lb/> webt und der Schneider näht, welches die Bestimmung hat, den Austausch der<lb/> Güter zu erleichtern, ist zu einem Ballast für die Schaffenskraft des Volkes<lb/> geworden, daß wir fürchten müssen, dahin zu gelangen, die herrlichen Güter,<lb/> welche das Volk der Erde abringe oder selbständig schafft, ungenützt verkommen<lb/> zu lassen, daß wir in Gefahr sind, an der frischen Quelle verdurste», an der<lb/> reichbesetzten Tafel verhungern zu müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_675"> Auf eiuer Seite Mangel, dringendes Verlangen nach den Gütern, welche<lb/> zur Befriedigung der leiblichen und geistigen Bedürfnisse dienen, welche geeignet<lb/> sind, das Leben schöner und behaglicher zu gestalten; auf der andern Seite ein<lb/> solcher Überfluß an diesen Gütern, daß es nicht mehr der Mühe wert erscheint,<lb/> noch mehr davon hervorzubringen. Wie die beide» Pole einer elektrischen<lb/> Batterie sind diese beiden Ströme gespannt, und es fehlt nur noch der geniale<lb/> Kopf, welcher das Mittel angiebt, wie dieselben zum Segen der Menschheit in<lb/> einander fließen und sich ausgleichen können, welcher die dürre Schulweisheit<lb/> durchbricht, die mit allem Aufwande von Gelehrsamkeit und Zahlenmaterial<lb/> weder dem Armen das bereitlegende Brot noch den thatkräftigen Männern die<lb/> ihren Fähigkeiten entsprechende Arbeit verschaffen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_676"> Wenn es der Volkswirtschaft nicht bald gelingt, den Riesenschritten der<lb/> Technik zu solgen, so müssen wir an der großartigen Entwicklung der Technik,<lb/> welche den Stolz unsers Jahrhunderts bildet, welche imstande wäre, der Mensch¬<lb/> heit zum größten Segen zu gereichen, zu Grunde gehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_677"> Hilfe in dieser Not ist wohl nur vom Staate, von der Gesetzgebung zu<lb/> erwarten. Wie sich diese wirtschaftliche Erlösung vollziehen und gestalten wird,<lb/> das weiß ich nicht, eins aber scheint mir nicht zweifelhaft, daß sie nämlich mit<lb/> einer durchgreifenden Änderung in der Bewegung des Geldes zusammenfallen<lb/> wird; dasselbe wird dann nicht mehr im trägen Laufe nach einzelnen Sammel¬<lb/> becken fließen, um dort, zu Millionen aufgestaut, zum Stillstande zu kommen,<lb/> sondern es wird wie das Blut eiues gesunden Organismus mit kräftigem Puls¬<lb/> schlag in rastloser, hin- und wiederfließender, die feinsten Äderchen durchrieselnder,<lb/> befruchtender Bewegung bleiben.</p><lb/> <note type="byline"> R. vogdt.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0195]
volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien.
Tischler hobelt, welches keinem Menschen Kleidung schafft, wenn nicht der Weber
webt und der Schneider näht, welches die Bestimmung hat, den Austausch der
Güter zu erleichtern, ist zu einem Ballast für die Schaffenskraft des Volkes
geworden, daß wir fürchten müssen, dahin zu gelangen, die herrlichen Güter,
welche das Volk der Erde abringe oder selbständig schafft, ungenützt verkommen
zu lassen, daß wir in Gefahr sind, an der frischen Quelle verdurste», an der
reichbesetzten Tafel verhungern zu müssen.
Auf eiuer Seite Mangel, dringendes Verlangen nach den Gütern, welche
zur Befriedigung der leiblichen und geistigen Bedürfnisse dienen, welche geeignet
sind, das Leben schöner und behaglicher zu gestalten; auf der andern Seite ein
solcher Überfluß an diesen Gütern, daß es nicht mehr der Mühe wert erscheint,
noch mehr davon hervorzubringen. Wie die beide» Pole einer elektrischen
Batterie sind diese beiden Ströme gespannt, und es fehlt nur noch der geniale
Kopf, welcher das Mittel angiebt, wie dieselben zum Segen der Menschheit in
einander fließen und sich ausgleichen können, welcher die dürre Schulweisheit
durchbricht, die mit allem Aufwande von Gelehrsamkeit und Zahlenmaterial
weder dem Armen das bereitlegende Brot noch den thatkräftigen Männern die
ihren Fähigkeiten entsprechende Arbeit verschaffen kann.
Wenn es der Volkswirtschaft nicht bald gelingt, den Riesenschritten der
Technik zu solgen, so müssen wir an der großartigen Entwicklung der Technik,
welche den Stolz unsers Jahrhunderts bildet, welche imstande wäre, der Mensch¬
heit zum größten Segen zu gereichen, zu Grunde gehen.
Hilfe in dieser Not ist wohl nur vom Staate, von der Gesetzgebung zu
erwarten. Wie sich diese wirtschaftliche Erlösung vollziehen und gestalten wird,
das weiß ich nicht, eins aber scheint mir nicht zweifelhaft, daß sie nämlich mit
einer durchgreifenden Änderung in der Bewegung des Geldes zusammenfallen
wird; dasselbe wird dann nicht mehr im trägen Laufe nach einzelnen Sammel¬
becken fließen, um dort, zu Millionen aufgestaut, zum Stillstande zu kommen,
sondern es wird wie das Blut eiues gesunden Organismus mit kräftigem Puls¬
schlag in rastloser, hin- und wiederfließender, die feinsten Äderchen durchrieselnder,
befruchtender Bewegung bleiben.
R. vogdt.
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