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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die Briefe Turgenjews.

Gelehrten" vom 2. September 1883, der ersten Sitzung nach Turgenjews Tode,
wurde beschlossen, zum Andenken des Dichters einen unantastbciren Fonds zu
gründen, um von den Zinsen des Kapitals Unterstützungen gewähren zu können.
Unter anderen nahm man, um den nötigen Fonds zu beschaffen, die Herausgabe
seiner Korrespondenz unter der Redaktion von W. P. Gajcwski, dem Vorsitzenden
der Gesellschaft, in Aussicht. Die Sammlung, welche. . . zum Abdruck gelangte,
umfaßt nicht die gesamte Korrespondenz Turgenjews, sondern enthält nur einen
ganz kleinen Teil seine Briefe an Freunde, Bekannte und teilweise an ganz
fremde Persönlichkeiten, da nicht alle Adressaten seine Korrespondenz dem Komitee
zur Verfügung stellten. Trotzdem schließt diese Sammlung die hauptsächlichsten
literarischen Beziehungen des Verewigten in sich und liefert ein höchst schätzens¬
wertes biographisches Material. Die Briefe sind getreu den Originalen nach¬
gedruckt, welche die Empfänger oder deren Erben bereitwilligst der Redaktion
überließen; nur sehr wenige entlehnte man periodischen Zeitschriften. Bevor
sie zum Abdruck gelangten, wurden sie einer sorgfältigen Prüfung hinsichtlich
des Textes unterzogen. Einige erlitten auch eine mehr oder weniger umfang¬
reiche Kürzung, teils Vonseiten der Adressaten, teils vonseiten der Redaktion,
besonders an solchen Stellen, welche einen zu intimen Charakter haben, oder
überhaupt nicht zum Abdruck geeignet schienen, weil seit dem Tode des Autors
erst eine kurze Zeit verflossen war. . . . Im ganzen wurden 488 Briefe an
55 verschiedene Personen abgedruckt. Diese Briefe umfassen einen Zeitraum von
mehr als vierzig Jahren, von 1840 bis zum Tode I. S. Turgenjews, welcher
am 22. August 1883 erfolgte. Se. Petersburg, den 28. Oktober 1884."

Bemerkenswert ist vor allen der 122. Brief, da er uns ein kurzes eurri-
eulum viwo unsers Dichters giebt, des Dichters, dem Gogol, der berühmte
Verfasser der "Toten Seelen," noch zwei Monate vor seinem Tode das Zeugnis
ausstellte, "er besitze unter sämtlichen Schriftstellern der Gegenwart das größte
Talent." Unter dem 8. März 1869 schreibt Turgenjew an Konstantin Slu-
tschcwski, den damaligen Redakteur der "Internationalen Illustration," auf
dessen Anfrage folgendermaßen: "Ich wurde am 28. Oktober 1818 in Orel
geboren. Meine Eltern sind Sergej Nikolajewitsch Turgenjew und Barbara
Petrowna Lutowinowci. Die erste Erziehung erhielt ich in Moskau und horte
sodann Vorlesungen an der Moskaner, später an der Petersburger Universität.
1838 reiste ich ins Ausland, und ich wäre beim Brande des Dampfers "Ni-
kolaj I." ^in TravemüudeZ beinahe ums Leben gekommen. Hierauf hörte ich
Vorlesungen in Berlin, kehrte sodann in die Heimat zurück und war ungefähr
ein Jahr in der Kanzlei des Ministeriums des Innern ^als Kollegienratj thätig.


dem Russischen übersetzt und mit einer biographischen Einleitung und Anmerkungen versehen
von Dr. Heinrich Ruhe. Mit Turgenjews Bildnis. Leipzig, F. W. von Biedermann,
XVI und 502 S.
Die Briefe Turgenjews.

Gelehrten« vom 2. September 1883, der ersten Sitzung nach Turgenjews Tode,
wurde beschlossen, zum Andenken des Dichters einen unantastbciren Fonds zu
gründen, um von den Zinsen des Kapitals Unterstützungen gewähren zu können.
Unter anderen nahm man, um den nötigen Fonds zu beschaffen, die Herausgabe
seiner Korrespondenz unter der Redaktion von W. P. Gajcwski, dem Vorsitzenden
der Gesellschaft, in Aussicht. Die Sammlung, welche. . . zum Abdruck gelangte,
umfaßt nicht die gesamte Korrespondenz Turgenjews, sondern enthält nur einen
ganz kleinen Teil seine Briefe an Freunde, Bekannte und teilweise an ganz
fremde Persönlichkeiten, da nicht alle Adressaten seine Korrespondenz dem Komitee
zur Verfügung stellten. Trotzdem schließt diese Sammlung die hauptsächlichsten
literarischen Beziehungen des Verewigten in sich und liefert ein höchst schätzens¬
wertes biographisches Material. Die Briefe sind getreu den Originalen nach¬
gedruckt, welche die Empfänger oder deren Erben bereitwilligst der Redaktion
überließen; nur sehr wenige entlehnte man periodischen Zeitschriften. Bevor
sie zum Abdruck gelangten, wurden sie einer sorgfältigen Prüfung hinsichtlich
des Textes unterzogen. Einige erlitten auch eine mehr oder weniger umfang¬
reiche Kürzung, teils Vonseiten der Adressaten, teils vonseiten der Redaktion,
besonders an solchen Stellen, welche einen zu intimen Charakter haben, oder
überhaupt nicht zum Abdruck geeignet schienen, weil seit dem Tode des Autors
erst eine kurze Zeit verflossen war. . . . Im ganzen wurden 488 Briefe an
55 verschiedene Personen abgedruckt. Diese Briefe umfassen einen Zeitraum von
mehr als vierzig Jahren, von 1840 bis zum Tode I. S. Turgenjews, welcher
am 22. August 1883 erfolgte. Se. Petersburg, den 28. Oktober 1884."

Bemerkenswert ist vor allen der 122. Brief, da er uns ein kurzes eurri-
eulum viwo unsers Dichters giebt, des Dichters, dem Gogol, der berühmte
Verfasser der „Toten Seelen," noch zwei Monate vor seinem Tode das Zeugnis
ausstellte, „er besitze unter sämtlichen Schriftstellern der Gegenwart das größte
Talent." Unter dem 8. März 1869 schreibt Turgenjew an Konstantin Slu-
tschcwski, den damaligen Redakteur der „Internationalen Illustration," auf
dessen Anfrage folgendermaßen: „Ich wurde am 28. Oktober 1818 in Orel
geboren. Meine Eltern sind Sergej Nikolajewitsch Turgenjew und Barbara
Petrowna Lutowinowci. Die erste Erziehung erhielt ich in Moskau und horte
sodann Vorlesungen an der Moskaner, später an der Petersburger Universität.
1838 reiste ich ins Ausland, und ich wäre beim Brande des Dampfers „Ni-
kolaj I." ^in TravemüudeZ beinahe ums Leben gekommen. Hierauf hörte ich
Vorlesungen in Berlin, kehrte sodann in die Heimat zurück und war ungefähr
ein Jahr in der Kanzlei des Ministeriums des Innern ^als Kollegienratj thätig.


dem Russischen übersetzt und mit einer biographischen Einleitung und Anmerkungen versehen
von Dr. Heinrich Ruhe. Mit Turgenjews Bildnis. Leipzig, F. W. von Biedermann,
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[0175] Die Briefe Turgenjews. Gelehrten« vom 2. September 1883, der ersten Sitzung nach Turgenjews Tode, wurde beschlossen, zum Andenken des Dichters einen unantastbciren Fonds zu gründen, um von den Zinsen des Kapitals Unterstützungen gewähren zu können. Unter anderen nahm man, um den nötigen Fonds zu beschaffen, die Herausgabe seiner Korrespondenz unter der Redaktion von W. P. Gajcwski, dem Vorsitzenden der Gesellschaft, in Aussicht. Die Sammlung, welche. . . zum Abdruck gelangte, umfaßt nicht die gesamte Korrespondenz Turgenjews, sondern enthält nur einen ganz kleinen Teil seine Briefe an Freunde, Bekannte und teilweise an ganz fremde Persönlichkeiten, da nicht alle Adressaten seine Korrespondenz dem Komitee zur Verfügung stellten. Trotzdem schließt diese Sammlung die hauptsächlichsten literarischen Beziehungen des Verewigten in sich und liefert ein höchst schätzens¬ wertes biographisches Material. Die Briefe sind getreu den Originalen nach¬ gedruckt, welche die Empfänger oder deren Erben bereitwilligst der Redaktion überließen; nur sehr wenige entlehnte man periodischen Zeitschriften. Bevor sie zum Abdruck gelangten, wurden sie einer sorgfältigen Prüfung hinsichtlich des Textes unterzogen. Einige erlitten auch eine mehr oder weniger umfang¬ reiche Kürzung, teils Vonseiten der Adressaten, teils vonseiten der Redaktion, besonders an solchen Stellen, welche einen zu intimen Charakter haben, oder überhaupt nicht zum Abdruck geeignet schienen, weil seit dem Tode des Autors erst eine kurze Zeit verflossen war. . . . Im ganzen wurden 488 Briefe an 55 verschiedene Personen abgedruckt. Diese Briefe umfassen einen Zeitraum von mehr als vierzig Jahren, von 1840 bis zum Tode I. S. Turgenjews, welcher am 22. August 1883 erfolgte. Se. Petersburg, den 28. Oktober 1884." Bemerkenswert ist vor allen der 122. Brief, da er uns ein kurzes eurri- eulum viwo unsers Dichters giebt, des Dichters, dem Gogol, der berühmte Verfasser der „Toten Seelen," noch zwei Monate vor seinem Tode das Zeugnis ausstellte, „er besitze unter sämtlichen Schriftstellern der Gegenwart das größte Talent." Unter dem 8. März 1869 schreibt Turgenjew an Konstantin Slu- tschcwski, den damaligen Redakteur der „Internationalen Illustration," auf dessen Anfrage folgendermaßen: „Ich wurde am 28. Oktober 1818 in Orel geboren. Meine Eltern sind Sergej Nikolajewitsch Turgenjew und Barbara Petrowna Lutowinowci. Die erste Erziehung erhielt ich in Moskau und horte sodann Vorlesungen an der Moskaner, später an der Petersburger Universität. 1838 reiste ich ins Ausland, und ich wäre beim Brande des Dampfers „Ni- kolaj I." ^in TravemüudeZ beinahe ums Leben gekommen. Hierauf hörte ich Vorlesungen in Berlin, kehrte sodann in die Heimat zurück und war ungefähr ein Jahr in der Kanzlei des Ministeriums des Innern ^als Kollegienratj thätig. dem Russischen übersetzt und mit einer biographischen Einleitung und Anmerkungen versehen von Dr. Heinrich Ruhe. Mit Turgenjews Bildnis. Leipzig, F. W. von Biedermann, XVI und 502 S.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/175>, abgerufen am 27.09.2024.