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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Lhronik derer von Risselshcmsen.

Da kam der Schulze und rief uoch einmal ihre Lebensgeister zurück.

Frau Hosmarschalln, sagte er, und sein rotes Gesicht erglühte durch die
Freuden des Festes in besonders lebhaftem Farbenspiel, die jungeu Herrschaften
sind mit den Kindern hinunter gelaufen, um die Bratwürste zu essen, die den
Beschluß der Festivität bilden. Darum möchten die Burschen noch einmal ihre
Mädchen hcrumschwenken, wenn die gnädige Frau Hosmarschalln nichts da¬
wider haben.

Und gnädige Frau, nahm der Kantor das Wort, erzeigen uns vielleicht
die Ehre, zum Beginn ein Tänzchen mitzumachen. Mit freudigem Schmunzeln
führte man ihr Herrn Tobias Schwarz zu, ein bereits ergrautes Mitglied des
Ortsvorstandes und einen sehr würdigen Manu.

Sie erklärte sich durch ein schwaches Kopfnicken bereit und tanzte mit dem
bedächtigen Alten einmal im Saale herum. Einmal nur, dann führte er sie
behutsam nach ihrem Platze zurück.

Soll ich Sie denn etwa lieber nach Hanse bringen, gnädige Frau? fragte
er; es scheint mir nicht ganz richtig mit Ihnen zu sein! Du lieber Gott!
wie verblaßt!

Sie war kraftlos auf den Stuhl gesunken, unfähig, sich länger aufrecht
zu halte", und bereits schickte Tobias Schwarz sich an, seinen Worten die That
folgen zu lassen, als er durch den Hofmarschall daran verhindert wurde, der
mit großen Schritten den Saal durchmessend plötzlich vor ihnen erschien.

Hier bist du noch, Therese? nun -- danke Ihnen, Herr Schwarz, danke
Ihnen.

Ohne zu bemerken, daß das Mitglied des Ortsvorstandes ging, um Theresens
Tuch zu holen, faßte der Hofmarschall ihren Arm und führte sie die Treppe
hinab. Er hatte so viel, was ihm im Kopfe herumging, daß er kaum den
Temperaturunterschied bemerkte zwischen dem erstickend heißen Schenklvtal und
der kühlen Nachtluft draußen.

Der Mond schien bereits über Platz und Dorfstraße; vor der Schenke
standen Gruppen eifrig redender Männer; der Hofmarschall aber und seine Frau
gingen, ohne auf Weg oder Umgebung zu achten, gewohnheitsmäßig an der
Parkmauer entlang.

Dem gepreßten Schweigen machte Bvhemuud durch einen tiefen Seufzer
ein Ende. Dann sagte er: Es ist falsch, Therese, alles falsch!

Falsch? Sie schauderte. Was ist falsch?

Friedrichs Berechnungen. Sie siud absolut nicht zu brauchen, und wir
müssen die ganze Arbeit von neuem anfangen. Als ob ich der Sorgen nicht
genug hätte!

Der Hofmarschall öffnete die Gartenpforte, vor welcher sie jetzt angelangt
waren. Hier erreichte sie Tobias Schwarz, der mit Theresens Tuch unter
starkem Schnaufen hinter dem Paar hergelaufen war.


Aus der Lhronik derer von Risselshcmsen.

Da kam der Schulze und rief uoch einmal ihre Lebensgeister zurück.

Frau Hosmarschalln, sagte er, und sein rotes Gesicht erglühte durch die
Freuden des Festes in besonders lebhaftem Farbenspiel, die jungeu Herrschaften
sind mit den Kindern hinunter gelaufen, um die Bratwürste zu essen, die den
Beschluß der Festivität bilden. Darum möchten die Burschen noch einmal ihre
Mädchen hcrumschwenken, wenn die gnädige Frau Hosmarschalln nichts da¬
wider haben.

Und gnädige Frau, nahm der Kantor das Wort, erzeigen uns vielleicht
die Ehre, zum Beginn ein Tänzchen mitzumachen. Mit freudigem Schmunzeln
führte man ihr Herrn Tobias Schwarz zu, ein bereits ergrautes Mitglied des
Ortsvorstandes und einen sehr würdigen Manu.

Sie erklärte sich durch ein schwaches Kopfnicken bereit und tanzte mit dem
bedächtigen Alten einmal im Saale herum. Einmal nur, dann führte er sie
behutsam nach ihrem Platze zurück.

Soll ich Sie denn etwa lieber nach Hanse bringen, gnädige Frau? fragte
er; es scheint mir nicht ganz richtig mit Ihnen zu sein! Du lieber Gott!
wie verblaßt!

Sie war kraftlos auf den Stuhl gesunken, unfähig, sich länger aufrecht
zu halte», und bereits schickte Tobias Schwarz sich an, seinen Worten die That
folgen zu lassen, als er durch den Hofmarschall daran verhindert wurde, der
mit großen Schritten den Saal durchmessend plötzlich vor ihnen erschien.

Hier bist du noch, Therese? nun — danke Ihnen, Herr Schwarz, danke
Ihnen.

Ohne zu bemerken, daß das Mitglied des Ortsvorstandes ging, um Theresens
Tuch zu holen, faßte der Hofmarschall ihren Arm und führte sie die Treppe
hinab. Er hatte so viel, was ihm im Kopfe herumging, daß er kaum den
Temperaturunterschied bemerkte zwischen dem erstickend heißen Schenklvtal und
der kühlen Nachtluft draußen.

Der Mond schien bereits über Platz und Dorfstraße; vor der Schenke
standen Gruppen eifrig redender Männer; der Hofmarschall aber und seine Frau
gingen, ohne auf Weg oder Umgebung zu achten, gewohnheitsmäßig an der
Parkmauer entlang.

Dem gepreßten Schweigen machte Bvhemuud durch einen tiefen Seufzer
ein Ende. Dann sagte er: Es ist falsch, Therese, alles falsch!

Falsch? Sie schauderte. Was ist falsch?

Friedrichs Berechnungen. Sie siud absolut nicht zu brauchen, und wir
müssen die ganze Arbeit von neuem anfangen. Als ob ich der Sorgen nicht
genug hätte!

Der Hofmarschall öffnete die Gartenpforte, vor welcher sie jetzt angelangt
waren. Hier erreichte sie Tobias Schwarz, der mit Theresens Tuch unter
starkem Schnaufen hinter dem Paar hergelaufen war.


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[0100] Aus der Lhronik derer von Risselshcmsen. Da kam der Schulze und rief uoch einmal ihre Lebensgeister zurück. Frau Hosmarschalln, sagte er, und sein rotes Gesicht erglühte durch die Freuden des Festes in besonders lebhaftem Farbenspiel, die jungeu Herrschaften sind mit den Kindern hinunter gelaufen, um die Bratwürste zu essen, die den Beschluß der Festivität bilden. Darum möchten die Burschen noch einmal ihre Mädchen hcrumschwenken, wenn die gnädige Frau Hosmarschalln nichts da¬ wider haben. Und gnädige Frau, nahm der Kantor das Wort, erzeigen uns vielleicht die Ehre, zum Beginn ein Tänzchen mitzumachen. Mit freudigem Schmunzeln führte man ihr Herrn Tobias Schwarz zu, ein bereits ergrautes Mitglied des Ortsvorstandes und einen sehr würdigen Manu. Sie erklärte sich durch ein schwaches Kopfnicken bereit und tanzte mit dem bedächtigen Alten einmal im Saale herum. Einmal nur, dann führte er sie behutsam nach ihrem Platze zurück. Soll ich Sie denn etwa lieber nach Hanse bringen, gnädige Frau? fragte er; es scheint mir nicht ganz richtig mit Ihnen zu sein! Du lieber Gott! wie verblaßt! Sie war kraftlos auf den Stuhl gesunken, unfähig, sich länger aufrecht zu halte», und bereits schickte Tobias Schwarz sich an, seinen Worten die That folgen zu lassen, als er durch den Hofmarschall daran verhindert wurde, der mit großen Schritten den Saal durchmessend plötzlich vor ihnen erschien. Hier bist du noch, Therese? nun — danke Ihnen, Herr Schwarz, danke Ihnen. Ohne zu bemerken, daß das Mitglied des Ortsvorstandes ging, um Theresens Tuch zu holen, faßte der Hofmarschall ihren Arm und führte sie die Treppe hinab. Er hatte so viel, was ihm im Kopfe herumging, daß er kaum den Temperaturunterschied bemerkte zwischen dem erstickend heißen Schenklvtal und der kühlen Nachtluft draußen. Der Mond schien bereits über Platz und Dorfstraße; vor der Schenke standen Gruppen eifrig redender Männer; der Hofmarschall aber und seine Frau gingen, ohne auf Weg oder Umgebung zu achten, gewohnheitsmäßig an der Parkmauer entlang. Dem gepreßten Schweigen machte Bvhemuud durch einen tiefen Seufzer ein Ende. Dann sagte er: Es ist falsch, Therese, alles falsch! Falsch? Sie schauderte. Was ist falsch? Friedrichs Berechnungen. Sie siud absolut nicht zu brauchen, und wir müssen die ganze Arbeit von neuem anfangen. Als ob ich der Sorgen nicht genug hätte! Der Hofmarschall öffnete die Gartenpforte, vor welcher sie jetzt angelangt waren. Hier erreichte sie Tobias Schwarz, der mit Theresens Tuch unter starkem Schnaufen hinter dem Paar hergelaufen war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/100>, abgerufen am 20.10.2024.