Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Lcnnoöns.

Ihr wißt, daß nichts in der Welt mich mehr zurückhalten kann, daß meine
Krone und meine Ehre verpfändet sind, entgegnete der König und versuchte mit
sanfter Gewalt die Knieende emporzurichten. Dieser Platz ist nicht der Eure,
Catarina, mir würde es ziemen, zu Euern Füßen zu knien, wenn Ihr nicht herb
und unerbittlich gewesen wäret. Ich scheide morgen von allem, was mir in der
Welt lieb war, anch von Euch, Herrin, und wenn mir der Tod durch ein
Maurenschwert bestimmt ist, so gehe ich einsam, dürstend und ungelabt, wie ich
gelobt habe. Ihr habt mir die Pforte zum Besten erschlossen, was die Erde
zu bieten hat, und habt sie wieder vor mir zugeschlagen, als meine Königspflicht
mir verbot zu thun, was ich so gern gethan hätte, die Krone auf Euer ge¬
liebtes Haupt zu drücken. Nein, sagt nichts, ich weiß, daß Ihr Recht habt und
ich Unrecht, und doch, doch war es hart von Euch, und ich hoffe, daß es Euch
nie reuen wird!

Catarina Palmeirim erhob sich trotz König Sebastians Drängen nicht vom
Boden, aber ihre Augen, die sie zu ihm emporgewaudt, füllten sich mit Thränen,
um ihre Lippen zuckte es wild: Sagt nichts mehr, Herr, gönnt mir einen
Augenblick Ruhe. Ich kann Euch nicht scheiden lassen, wie Ihr es sagt, ich
will, ja ich will mit Euch gehen!

Catarina richtete sich bei ihrem letzten Ausrufe an der Hand des Königs
vom Boden auf, eine jähe Glut färbte ihr blasses Gesicht, und schluchzend warf
sie sich in die geöffneten Arme Sebastians. Der König, der fast taumelnd die
plötzliche Wandlung ihrer Empfindungen und ihrer Mienen inne ward, hatte
doch noch Kraft genug, die Wankende zu stützen. Er bedeckte ihre Locken, ihre
Stirn, ihren Mund mit wilden Küssen und stammelte wieder und wieder ihren
Namen, bis Catarina aus der krampfhaften Erschütterung der letzten Minuten
erwachend ihre strömenden Thränen trocknete und ihm ins Ohr flüsterte: Ich
gehe mit Euch, geliebter Herr, ich frage nichts mehr nach der Herzogin, die
mir doch grollt, ob ich heute nach Ciutra zurückkehre oder nicht. Ich will bei
Euch, mit Euch sein, und weil ich es bin, weil Ihr an mich zu denken habt,
Herr, so schont Ihr Eurer in dem wilden Feldzuge und setzt Euch nicht jedem
feindlichen Geschoß und jedem verderblichen Sonnenbrande aus? Um meinet¬
willen werdet Ihr Euerm Ungestüm gebieten, ists nicht so, geliebter Herr?

Muß ich Euch nicht geloben, was Ihr begehrt, Catarina? sagte König
Sebastian hochatmend. Zur ungeeignetsten Minute kam ihm, während Catarinas
Haupt auf seiner Schulter ruhte und sie ihn noch mit feuchtschimmernden Angen,
aber mit glücklichem Lächeln hingebend anblickte, der Gedanke an Tellez Alucita
in die Seele, er fühlte, wie ihn neben dem glühenden ein kalter Schalter feind¬
selig berührte, und wandte flüchtig sein Haupt, um dem Blicke Catarinas nicht
zu begegnen. Gleich darauf umschloß er das bebende Mädchen wieder und sagte
leidenschaftlich: Du lädst einen Verschmachtenden, Catarina, aber ihm ist, als
müßte er in der Wonne der Labung vergehen!


Lcnnoöns.

Ihr wißt, daß nichts in der Welt mich mehr zurückhalten kann, daß meine
Krone und meine Ehre verpfändet sind, entgegnete der König und versuchte mit
sanfter Gewalt die Knieende emporzurichten. Dieser Platz ist nicht der Eure,
Catarina, mir würde es ziemen, zu Euern Füßen zu knien, wenn Ihr nicht herb
und unerbittlich gewesen wäret. Ich scheide morgen von allem, was mir in der
Welt lieb war, anch von Euch, Herrin, und wenn mir der Tod durch ein
Maurenschwert bestimmt ist, so gehe ich einsam, dürstend und ungelabt, wie ich
gelobt habe. Ihr habt mir die Pforte zum Besten erschlossen, was die Erde
zu bieten hat, und habt sie wieder vor mir zugeschlagen, als meine Königspflicht
mir verbot zu thun, was ich so gern gethan hätte, die Krone auf Euer ge¬
liebtes Haupt zu drücken. Nein, sagt nichts, ich weiß, daß Ihr Recht habt und
ich Unrecht, und doch, doch war es hart von Euch, und ich hoffe, daß es Euch
nie reuen wird!

Catarina Palmeirim erhob sich trotz König Sebastians Drängen nicht vom
Boden, aber ihre Augen, die sie zu ihm emporgewaudt, füllten sich mit Thränen,
um ihre Lippen zuckte es wild: Sagt nichts mehr, Herr, gönnt mir einen
Augenblick Ruhe. Ich kann Euch nicht scheiden lassen, wie Ihr es sagt, ich
will, ja ich will mit Euch gehen!

Catarina richtete sich bei ihrem letzten Ausrufe an der Hand des Königs
vom Boden auf, eine jähe Glut färbte ihr blasses Gesicht, und schluchzend warf
sie sich in die geöffneten Arme Sebastians. Der König, der fast taumelnd die
plötzliche Wandlung ihrer Empfindungen und ihrer Mienen inne ward, hatte
doch noch Kraft genug, die Wankende zu stützen. Er bedeckte ihre Locken, ihre
Stirn, ihren Mund mit wilden Küssen und stammelte wieder und wieder ihren
Namen, bis Catarina aus der krampfhaften Erschütterung der letzten Minuten
erwachend ihre strömenden Thränen trocknete und ihm ins Ohr flüsterte: Ich
gehe mit Euch, geliebter Herr, ich frage nichts mehr nach der Herzogin, die
mir doch grollt, ob ich heute nach Ciutra zurückkehre oder nicht. Ich will bei
Euch, mit Euch sein, und weil ich es bin, weil Ihr an mich zu denken habt,
Herr, so schont Ihr Eurer in dem wilden Feldzuge und setzt Euch nicht jedem
feindlichen Geschoß und jedem verderblichen Sonnenbrande aus? Um meinet¬
willen werdet Ihr Euerm Ungestüm gebieten, ists nicht so, geliebter Herr?

Muß ich Euch nicht geloben, was Ihr begehrt, Catarina? sagte König
Sebastian hochatmend. Zur ungeeignetsten Minute kam ihm, während Catarinas
Haupt auf seiner Schulter ruhte und sie ihn noch mit feuchtschimmernden Angen,
aber mit glücklichem Lächeln hingebend anblickte, der Gedanke an Tellez Alucita
in die Seele, er fühlte, wie ihn neben dem glühenden ein kalter Schalter feind¬
selig berührte, und wandte flüchtig sein Haupt, um dem Blicke Catarinas nicht
zu begegnen. Gleich darauf umschloß er das bebende Mädchen wieder und sagte
leidenschaftlich: Du lädst einen Verschmachtenden, Catarina, aber ihm ist, als
müßte er in der Wonne der Labung vergehen!


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0099" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198819"/>
          <fw type="header" place="top"> Lcnnoöns.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_273"> Ihr wißt, daß nichts in der Welt mich mehr zurückhalten kann, daß meine<lb/>
Krone und meine Ehre verpfändet sind, entgegnete der König und versuchte mit<lb/>
sanfter Gewalt die Knieende emporzurichten. Dieser Platz ist nicht der Eure,<lb/>
Catarina, mir würde es ziemen, zu Euern Füßen zu knien, wenn Ihr nicht herb<lb/>
und unerbittlich gewesen wäret. Ich scheide morgen von allem, was mir in der<lb/>
Welt lieb war, anch von Euch, Herrin, und wenn mir der Tod durch ein<lb/>
Maurenschwert bestimmt ist, so gehe ich einsam, dürstend und ungelabt, wie ich<lb/>
gelobt habe. Ihr habt mir die Pforte zum Besten erschlossen, was die Erde<lb/>
zu bieten hat, und habt sie wieder vor mir zugeschlagen, als meine Königspflicht<lb/>
mir verbot zu thun, was ich so gern gethan hätte, die Krone auf Euer ge¬<lb/>
liebtes Haupt zu drücken. Nein, sagt nichts, ich weiß, daß Ihr Recht habt und<lb/>
ich Unrecht, und doch, doch war es hart von Euch, und ich hoffe, daß es Euch<lb/>
nie reuen wird!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_274"> Catarina Palmeirim erhob sich trotz König Sebastians Drängen nicht vom<lb/>
Boden, aber ihre Augen, die sie zu ihm emporgewaudt, füllten sich mit Thränen,<lb/>
um ihre Lippen zuckte es wild: Sagt nichts mehr, Herr, gönnt mir einen<lb/>
Augenblick Ruhe. Ich kann Euch nicht scheiden lassen, wie Ihr es sagt, ich<lb/>
will, ja ich will mit Euch gehen!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_275"> Catarina richtete sich bei ihrem letzten Ausrufe an der Hand des Königs<lb/>
vom Boden auf, eine jähe Glut färbte ihr blasses Gesicht, und schluchzend warf<lb/>
sie sich in die geöffneten Arme Sebastians. Der König, der fast taumelnd die<lb/>
plötzliche Wandlung ihrer Empfindungen und ihrer Mienen inne ward, hatte<lb/>
doch noch Kraft genug, die Wankende zu stützen. Er bedeckte ihre Locken, ihre<lb/>
Stirn, ihren Mund mit wilden Küssen und stammelte wieder und wieder ihren<lb/>
Namen, bis Catarina aus der krampfhaften Erschütterung der letzten Minuten<lb/>
erwachend ihre strömenden Thränen trocknete und ihm ins Ohr flüsterte: Ich<lb/>
gehe mit Euch, geliebter Herr, ich frage nichts mehr nach der Herzogin, die<lb/>
mir doch grollt, ob ich heute nach Ciutra zurückkehre oder nicht. Ich will bei<lb/>
Euch, mit Euch sein, und weil ich es bin, weil Ihr an mich zu denken habt,<lb/>
Herr, so schont Ihr Eurer in dem wilden Feldzuge und setzt Euch nicht jedem<lb/>
feindlichen Geschoß und jedem verderblichen Sonnenbrande aus? Um meinet¬<lb/>
willen werdet Ihr Euerm Ungestüm gebieten, ists nicht so, geliebter Herr?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_276"> Muß ich Euch nicht geloben, was Ihr begehrt, Catarina? sagte König<lb/>
Sebastian hochatmend. Zur ungeeignetsten Minute kam ihm, während Catarinas<lb/>
Haupt auf seiner Schulter ruhte und sie ihn noch mit feuchtschimmernden Angen,<lb/>
aber mit glücklichem Lächeln hingebend anblickte, der Gedanke an Tellez Alucita<lb/>
in die Seele, er fühlte, wie ihn neben dem glühenden ein kalter Schalter feind¬<lb/>
selig berührte, und wandte flüchtig sein Haupt, um dem Blicke Catarinas nicht<lb/>
zu begegnen. Gleich darauf umschloß er das bebende Mädchen wieder und sagte<lb/>
leidenschaftlich: Du lädst einen Verschmachtenden, Catarina, aber ihm ist, als<lb/>
müßte er in der Wonne der Labung vergehen!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0099] Lcnnoöns. Ihr wißt, daß nichts in der Welt mich mehr zurückhalten kann, daß meine Krone und meine Ehre verpfändet sind, entgegnete der König und versuchte mit sanfter Gewalt die Knieende emporzurichten. Dieser Platz ist nicht der Eure, Catarina, mir würde es ziemen, zu Euern Füßen zu knien, wenn Ihr nicht herb und unerbittlich gewesen wäret. Ich scheide morgen von allem, was mir in der Welt lieb war, anch von Euch, Herrin, und wenn mir der Tod durch ein Maurenschwert bestimmt ist, so gehe ich einsam, dürstend und ungelabt, wie ich gelobt habe. Ihr habt mir die Pforte zum Besten erschlossen, was die Erde zu bieten hat, und habt sie wieder vor mir zugeschlagen, als meine Königspflicht mir verbot zu thun, was ich so gern gethan hätte, die Krone auf Euer ge¬ liebtes Haupt zu drücken. Nein, sagt nichts, ich weiß, daß Ihr Recht habt und ich Unrecht, und doch, doch war es hart von Euch, und ich hoffe, daß es Euch nie reuen wird! Catarina Palmeirim erhob sich trotz König Sebastians Drängen nicht vom Boden, aber ihre Augen, die sie zu ihm emporgewaudt, füllten sich mit Thränen, um ihre Lippen zuckte es wild: Sagt nichts mehr, Herr, gönnt mir einen Augenblick Ruhe. Ich kann Euch nicht scheiden lassen, wie Ihr es sagt, ich will, ja ich will mit Euch gehen! Catarina richtete sich bei ihrem letzten Ausrufe an der Hand des Königs vom Boden auf, eine jähe Glut färbte ihr blasses Gesicht, und schluchzend warf sie sich in die geöffneten Arme Sebastians. Der König, der fast taumelnd die plötzliche Wandlung ihrer Empfindungen und ihrer Mienen inne ward, hatte doch noch Kraft genug, die Wankende zu stützen. Er bedeckte ihre Locken, ihre Stirn, ihren Mund mit wilden Küssen und stammelte wieder und wieder ihren Namen, bis Catarina aus der krampfhaften Erschütterung der letzten Minuten erwachend ihre strömenden Thränen trocknete und ihm ins Ohr flüsterte: Ich gehe mit Euch, geliebter Herr, ich frage nichts mehr nach der Herzogin, die mir doch grollt, ob ich heute nach Ciutra zurückkehre oder nicht. Ich will bei Euch, mit Euch sein, und weil ich es bin, weil Ihr an mich zu denken habt, Herr, so schont Ihr Eurer in dem wilden Feldzuge und setzt Euch nicht jedem feindlichen Geschoß und jedem verderblichen Sonnenbrande aus? Um meinet¬ willen werdet Ihr Euerm Ungestüm gebieten, ists nicht so, geliebter Herr? Muß ich Euch nicht geloben, was Ihr begehrt, Catarina? sagte König Sebastian hochatmend. Zur ungeeignetsten Minute kam ihm, während Catarinas Haupt auf seiner Schulter ruhte und sie ihn noch mit feuchtschimmernden Angen, aber mit glücklichem Lächeln hingebend anblickte, der Gedanke an Tellez Alucita in die Seele, er fühlte, wie ihn neben dem glühenden ein kalter Schalter feind¬ selig berührte, und wandte flüchtig sein Haupt, um dem Blicke Catarinas nicht zu begegnen. Gleich darauf umschloß er das bebende Mädchen wieder und sagte leidenschaftlich: Du lädst einen Verschmachtenden, Catarina, aber ihm ist, als müßte er in der Wonne der Labung vergehen!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/99
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/99>, abgerufen am 22.07.2024.