Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
"Lainoens.

nieirim stand unmittelbar neben demselben, seinen Blick, wie es schien, starr auf
ein Bild des heiligen Sebastian mit den Pfeilwunden gerichtet, er wollte, als
er des Königs ansichtig ward, in die Kniee sinkein Der junge Herrscher hinderte
ihn daran und sagte mit zitternder Stimme: Du hast einen Brief für mich,
Mimflores? Der Alte erwiederte den blitzenden, fast zornigen Blick des Königs
nur mit einer wunderlichen Geberde: er schüttelte den Kopf, legte den Finger
auf die dünnen Lippen und zog seine rechte Schulter hoch, um die Aufmerk¬
samkeit seines Fürsten auf den halb zurückgeschlagenen Brabanter Teppich zu
lenken, der den Eingang in das dritte Zimmer verhüllte. Dom Sebastian at¬
mete hörbar und Preßte die Rechte an sei" hvchschlageudes Herz: Sie ist ge¬
kommen, wirklich gekommen, um mir Lebewohl zu sagen? Miraflores vermochte
nur wiederholt zu nicken, bis der König seine Fassung wiedergewann und ihm
mit einem Ausdrucke, der jede Widerrede untersagte, zuflüsterte: Geh hinaus,
Mimflores, geh zu Simao, ihr beide haftet mir mit euerm Kopfe dafür, daß
niemand unberufen hier eintritt. Ich muß die Gräfin allein sprechen.

Ohne dem Davonschleichenden nachzusehen, wandte sich der König zu jenem
dritten Zimmer, das gleich dem zweiten kcrzenhcll war und über dessen Schwelle
er zögernd trat. Im Hintergrunde des Gemaches, ganz in der Nähe eines mit
violettem Sammet überzognen Betschcmels, der unter einem Muttergottesbilde
des Scvillancrs Ribalta stand, erblickte Sebastian die, nach welcher sein Herz
in diesem Augenblicke mehr lechzte als nach dein Ruhme des Glaubensstreiters,
der ihm ja ohnehin gewiß blieb. Catarina Palmeirim zeigte ihm ihr totenblasses
Gesicht und den schönen Kopf unverhüllt, sie hatte die Mantilla auf ein Ruhe¬
bett geworfen, das an der Langwand des großen Zimmers lehnte. Ihre Lippen
waren geschlossen, die dunkeln Augen blickten weitgeöffnet, aber doch starr dem
Eintretenden entgegen, der König trat betroffen einige Schritte wieder zurück und
sagte: Ihr seid gekommen, Donna Catarina, Ihr habt es doch nicht übers Herz
gebracht, so hart zu bleiben, als Euer gestriger Brief war.

- Ihr wolltet es ja -- Eure Majestät hätte Erbarmen zeigen und mir nicht
mehr antworten sollen, entgegnete das schöne Mädchen, immer noch mit dem
finstern Ausdrucke ihres Gesichts, der den König auf die Stelle zu bannen
suchte, an der er vorhin stehen geblieben war. Doch Sebastian war von seiner
eignen Empfindung zu sehr überwältigt, um in diesem Augenblicke diejenige der
jungen Gräfin zu verstehen.

Ihr wolltet mir Lebewohl bieten, Catarina, sagte er, ihr langsam näher¬
tretend. Ein letztes Lebewohl sollte immer sanft sein! Vergeßt es nicht, daß
ich morgen früh auf lange, lange Zeit, vielleicht auf immer von Euch gehe!

Sie widerstand dem Blicke und den schmerzlichen Lauten nicht; um nicht
von seinen Armen umschlossen zu werden, kniete sie plötzlich vor dem König
nieder: Geht nicht, geht nicht, geliebter Herr! Alle meine Träume, alle meine
Gedanke" an Euch weissagen mir Leid und schweres Unheil!


«Lainoens.

nieirim stand unmittelbar neben demselben, seinen Blick, wie es schien, starr auf
ein Bild des heiligen Sebastian mit den Pfeilwunden gerichtet, er wollte, als
er des Königs ansichtig ward, in die Kniee sinkein Der junge Herrscher hinderte
ihn daran und sagte mit zitternder Stimme: Du hast einen Brief für mich,
Mimflores? Der Alte erwiederte den blitzenden, fast zornigen Blick des Königs
nur mit einer wunderlichen Geberde: er schüttelte den Kopf, legte den Finger
auf die dünnen Lippen und zog seine rechte Schulter hoch, um die Aufmerk¬
samkeit seines Fürsten auf den halb zurückgeschlagenen Brabanter Teppich zu
lenken, der den Eingang in das dritte Zimmer verhüllte. Dom Sebastian at¬
mete hörbar und Preßte die Rechte an sei» hvchschlageudes Herz: Sie ist ge¬
kommen, wirklich gekommen, um mir Lebewohl zu sagen? Miraflores vermochte
nur wiederholt zu nicken, bis der König seine Fassung wiedergewann und ihm
mit einem Ausdrucke, der jede Widerrede untersagte, zuflüsterte: Geh hinaus,
Mimflores, geh zu Simao, ihr beide haftet mir mit euerm Kopfe dafür, daß
niemand unberufen hier eintritt. Ich muß die Gräfin allein sprechen.

Ohne dem Davonschleichenden nachzusehen, wandte sich der König zu jenem
dritten Zimmer, das gleich dem zweiten kcrzenhcll war und über dessen Schwelle
er zögernd trat. Im Hintergrunde des Gemaches, ganz in der Nähe eines mit
violettem Sammet überzognen Betschcmels, der unter einem Muttergottesbilde
des Scvillancrs Ribalta stand, erblickte Sebastian die, nach welcher sein Herz
in diesem Augenblicke mehr lechzte als nach dein Ruhme des Glaubensstreiters,
der ihm ja ohnehin gewiß blieb. Catarina Palmeirim zeigte ihm ihr totenblasses
Gesicht und den schönen Kopf unverhüllt, sie hatte die Mantilla auf ein Ruhe¬
bett geworfen, das an der Langwand des großen Zimmers lehnte. Ihre Lippen
waren geschlossen, die dunkeln Augen blickten weitgeöffnet, aber doch starr dem
Eintretenden entgegen, der König trat betroffen einige Schritte wieder zurück und
sagte: Ihr seid gekommen, Donna Catarina, Ihr habt es doch nicht übers Herz
gebracht, so hart zu bleiben, als Euer gestriger Brief war.

- Ihr wolltet es ja — Eure Majestät hätte Erbarmen zeigen und mir nicht
mehr antworten sollen, entgegnete das schöne Mädchen, immer noch mit dem
finstern Ausdrucke ihres Gesichts, der den König auf die Stelle zu bannen
suchte, an der er vorhin stehen geblieben war. Doch Sebastian war von seiner
eignen Empfindung zu sehr überwältigt, um in diesem Augenblicke diejenige der
jungen Gräfin zu verstehen.

Ihr wolltet mir Lebewohl bieten, Catarina, sagte er, ihr langsam näher¬
tretend. Ein letztes Lebewohl sollte immer sanft sein! Vergeßt es nicht, daß
ich morgen früh auf lange, lange Zeit, vielleicht auf immer von Euch gehe!

Sie widerstand dem Blicke und den schmerzlichen Lauten nicht; um nicht
von seinen Armen umschlossen zu werden, kniete sie plötzlich vor dem König
nieder: Geht nicht, geht nicht, geliebter Herr! Alle meine Träume, alle meine
Gedanke« an Euch weissagen mir Leid und schweres Unheil!


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0098" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198818"/>
          <fw type="header" place="top"> «Lainoens.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_268" prev="#ID_267"> nieirim stand unmittelbar neben demselben, seinen Blick, wie es schien, starr auf<lb/>
ein Bild des heiligen Sebastian mit den Pfeilwunden gerichtet, er wollte, als<lb/>
er des Königs ansichtig ward, in die Kniee sinkein Der junge Herrscher hinderte<lb/>
ihn daran und sagte mit zitternder Stimme: Du hast einen Brief für mich,<lb/>
Mimflores? Der Alte erwiederte den blitzenden, fast zornigen Blick des Königs<lb/>
nur mit einer wunderlichen Geberde: er schüttelte den Kopf, legte den Finger<lb/>
auf die dünnen Lippen und zog seine rechte Schulter hoch, um die Aufmerk¬<lb/>
samkeit seines Fürsten auf den halb zurückgeschlagenen Brabanter Teppich zu<lb/>
lenken, der den Eingang in das dritte Zimmer verhüllte. Dom Sebastian at¬<lb/>
mete hörbar und Preßte die Rechte an sei» hvchschlageudes Herz: Sie ist ge¬<lb/>
kommen, wirklich gekommen, um mir Lebewohl zu sagen? Miraflores vermochte<lb/>
nur wiederholt zu nicken, bis der König seine Fassung wiedergewann und ihm<lb/>
mit einem Ausdrucke, der jede Widerrede untersagte, zuflüsterte: Geh hinaus,<lb/>
Mimflores, geh zu Simao, ihr beide haftet mir mit euerm Kopfe dafür, daß<lb/>
niemand unberufen hier eintritt.  Ich muß die Gräfin allein sprechen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_269"> Ohne dem Davonschleichenden nachzusehen, wandte sich der König zu jenem<lb/>
dritten Zimmer, das gleich dem zweiten kcrzenhcll war und über dessen Schwelle<lb/>
er zögernd trat. Im Hintergrunde des Gemaches, ganz in der Nähe eines mit<lb/>
violettem Sammet überzognen Betschcmels, der unter einem Muttergottesbilde<lb/>
des Scvillancrs Ribalta stand, erblickte Sebastian die, nach welcher sein Herz<lb/>
in diesem Augenblicke mehr lechzte als nach dein Ruhme des Glaubensstreiters,<lb/>
der ihm ja ohnehin gewiß blieb. Catarina Palmeirim zeigte ihm ihr totenblasses<lb/>
Gesicht und den schönen Kopf unverhüllt, sie hatte die Mantilla auf ein Ruhe¬<lb/>
bett geworfen, das an der Langwand des großen Zimmers lehnte. Ihre Lippen<lb/>
waren geschlossen, die dunkeln Augen blickten weitgeöffnet, aber doch starr dem<lb/>
Eintretenden entgegen, der König trat betroffen einige Schritte wieder zurück und<lb/>
sagte: Ihr seid gekommen, Donna Catarina, Ihr habt es doch nicht übers Herz<lb/>
gebracht, so hart zu bleiben, als Euer gestriger Brief war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_270"> - Ihr wolltet es ja &#x2014; Eure Majestät hätte Erbarmen zeigen und mir nicht<lb/>
mehr antworten sollen, entgegnete das schöne Mädchen, immer noch mit dem<lb/>
finstern Ausdrucke ihres Gesichts, der den König auf die Stelle zu bannen<lb/>
suchte, an der er vorhin stehen geblieben war. Doch Sebastian war von seiner<lb/>
eignen Empfindung zu sehr überwältigt, um in diesem Augenblicke diejenige der<lb/>
jungen Gräfin zu verstehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_271"> Ihr wolltet mir Lebewohl bieten, Catarina, sagte er, ihr langsam näher¬<lb/>
tretend. Ein letztes Lebewohl sollte immer sanft sein! Vergeßt es nicht, daß<lb/>
ich morgen früh auf lange, lange Zeit, vielleicht auf immer von Euch gehe!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_272"> Sie widerstand dem Blicke und den schmerzlichen Lauten nicht; um nicht<lb/>
von seinen Armen umschlossen zu werden, kniete sie plötzlich vor dem König<lb/>
nieder: Geht nicht, geht nicht, geliebter Herr! Alle meine Träume, alle meine<lb/>
Gedanke« an Euch weissagen mir Leid und schweres Unheil!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0098] «Lainoens. nieirim stand unmittelbar neben demselben, seinen Blick, wie es schien, starr auf ein Bild des heiligen Sebastian mit den Pfeilwunden gerichtet, er wollte, als er des Königs ansichtig ward, in die Kniee sinkein Der junge Herrscher hinderte ihn daran und sagte mit zitternder Stimme: Du hast einen Brief für mich, Mimflores? Der Alte erwiederte den blitzenden, fast zornigen Blick des Königs nur mit einer wunderlichen Geberde: er schüttelte den Kopf, legte den Finger auf die dünnen Lippen und zog seine rechte Schulter hoch, um die Aufmerk¬ samkeit seines Fürsten auf den halb zurückgeschlagenen Brabanter Teppich zu lenken, der den Eingang in das dritte Zimmer verhüllte. Dom Sebastian at¬ mete hörbar und Preßte die Rechte an sei» hvchschlageudes Herz: Sie ist ge¬ kommen, wirklich gekommen, um mir Lebewohl zu sagen? Miraflores vermochte nur wiederholt zu nicken, bis der König seine Fassung wiedergewann und ihm mit einem Ausdrucke, der jede Widerrede untersagte, zuflüsterte: Geh hinaus, Mimflores, geh zu Simao, ihr beide haftet mir mit euerm Kopfe dafür, daß niemand unberufen hier eintritt. Ich muß die Gräfin allein sprechen. Ohne dem Davonschleichenden nachzusehen, wandte sich der König zu jenem dritten Zimmer, das gleich dem zweiten kcrzenhcll war und über dessen Schwelle er zögernd trat. Im Hintergrunde des Gemaches, ganz in der Nähe eines mit violettem Sammet überzognen Betschcmels, der unter einem Muttergottesbilde des Scvillancrs Ribalta stand, erblickte Sebastian die, nach welcher sein Herz in diesem Augenblicke mehr lechzte als nach dein Ruhme des Glaubensstreiters, der ihm ja ohnehin gewiß blieb. Catarina Palmeirim zeigte ihm ihr totenblasses Gesicht und den schönen Kopf unverhüllt, sie hatte die Mantilla auf ein Ruhe¬ bett geworfen, das an der Langwand des großen Zimmers lehnte. Ihre Lippen waren geschlossen, die dunkeln Augen blickten weitgeöffnet, aber doch starr dem Eintretenden entgegen, der König trat betroffen einige Schritte wieder zurück und sagte: Ihr seid gekommen, Donna Catarina, Ihr habt es doch nicht übers Herz gebracht, so hart zu bleiben, als Euer gestriger Brief war. - Ihr wolltet es ja — Eure Majestät hätte Erbarmen zeigen und mir nicht mehr antworten sollen, entgegnete das schöne Mädchen, immer noch mit dem finstern Ausdrucke ihres Gesichts, der den König auf die Stelle zu bannen suchte, an der er vorhin stehen geblieben war. Doch Sebastian war von seiner eignen Empfindung zu sehr überwältigt, um in diesem Augenblicke diejenige der jungen Gräfin zu verstehen. Ihr wolltet mir Lebewohl bieten, Catarina, sagte er, ihr langsam näher¬ tretend. Ein letztes Lebewohl sollte immer sanft sein! Vergeßt es nicht, daß ich morgen früh auf lange, lange Zeit, vielleicht auf immer von Euch gehe! Sie widerstand dem Blicke und den schmerzlichen Lauten nicht; um nicht von seinen Armen umschlossen zu werden, kniete sie plötzlich vor dem König nieder: Geht nicht, geht nicht, geliebter Herr! Alle meine Träume, alle meine Gedanke« an Euch weissagen mir Leid und schweres Unheil!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/98
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/98>, abgerufen am 22.07.2024.