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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Marie von Lbner-Lschenbach.

die russischen Häfen einlaufen muß und die Transportkosten dadurch verteuert
werden.

Der Schwerpunkt des russischen Exporthandels liegt demnach nicht in dem
Verkehr mit Europa. Dagegen erschließt sich ihm ein weites, gewinnbringendes
Gebiet der Thätigkeit in der Mittlerrolle, welche er nach vollendetem Ausbau
der großen Bahnliuieu zwischen den im Osten und Westen angrenzenden Welt¬
teilen zu übernehmen bestimmt ist. Aus einem weiten, abgeschlossenen Hiuterraume
wird Nußland zum wichtigen Durchgangsland des internationalen Handels werden,
aus einem Stapelplatz zum direkte" Vermittler zwischen den dichtestbevölkerten
Ländergebieten: zwischen den 200 Millionen des übrigen Europas und deu 300
bis 400 Millionen des "Himmlischen Reiches." Auf diese Weise stellt sich hier
die festländische Hälfte jenes Verbindungsgürtels um die Erde her, dessen See-
Hälfte Amerika immer mehr in seine Hände bekommt, seitdem der Osten und
Westen der Union durch Bahnlinien verbunden sind. Die Zeit ist noch fern,
wo die Vorteile dieser Lage sich in den Rechnungsabschlüssen des Staatshaus¬
halts wiederfinden werden, allein eine umsichtige Handelspolitik hat auch die
allerfernften Ziele im Auge, sobald sie vorteilhaft und erreichbar sind.




Marie von Ebner-Eschenbach.

in Machtstellung, welche sich die schriftstellernden Frauen in unsrer
Literatur erobert haben, ist jetzt von allen Seiten durch Lob und
Tadel, durch Polemik und Huldigung von Kritik und Publikum
als anerkannt zu betrachten, und wenn es noch altväterische Männer
giebt, die von vornherein sich geringschätzig zur literarischen
Frauenarbeit stellen, so sind sie, um einen beliebten Ausdruck zu gebrauchen,
durch die Macht der Thatsachen widerlegt. In einer Betrachtung unsrer Lite¬
ratur von einem noch so hohen und entfernten historischen Standpunkte werden
die schreibenden Frauen schlechtweg nicht mehr zu umgehen sein. Mit dem ihrem
Geschlechte eignen praktischen Sinne haben sie sich fast ausschließlich jeuer lite¬
rarischen Gattung zugewendet, die heutzutage die herrschende, die erfolgreichste
und auch die einträglichste, einzig ihren Mann (oder ihr Weib) nährende ist:
dem Roman, der Novelle; die ganze Familienjournalliteratur und die halbe
Leihbibliothek beherrschen sie; ja der vornehmsten Monatsschrift Deutschlands
sind, wie uus verbürgt mitgeteilt wurde, Werke aus Frauenhand von größerm
materiellen Vorteil gewesen als die tiefsinnigsten Novellen eines Gottfried Keller;


Marie von Lbner-Lschenbach.

die russischen Häfen einlaufen muß und die Transportkosten dadurch verteuert
werden.

Der Schwerpunkt des russischen Exporthandels liegt demnach nicht in dem
Verkehr mit Europa. Dagegen erschließt sich ihm ein weites, gewinnbringendes
Gebiet der Thätigkeit in der Mittlerrolle, welche er nach vollendetem Ausbau
der großen Bahnliuieu zwischen den im Osten und Westen angrenzenden Welt¬
teilen zu übernehmen bestimmt ist. Aus einem weiten, abgeschlossenen Hiuterraume
wird Nußland zum wichtigen Durchgangsland des internationalen Handels werden,
aus einem Stapelplatz zum direkte» Vermittler zwischen den dichtestbevölkerten
Ländergebieten: zwischen den 200 Millionen des übrigen Europas und deu 300
bis 400 Millionen des „Himmlischen Reiches." Auf diese Weise stellt sich hier
die festländische Hälfte jenes Verbindungsgürtels um die Erde her, dessen See-
Hälfte Amerika immer mehr in seine Hände bekommt, seitdem der Osten und
Westen der Union durch Bahnlinien verbunden sind. Die Zeit ist noch fern,
wo die Vorteile dieser Lage sich in den Rechnungsabschlüssen des Staatshaus¬
halts wiederfinden werden, allein eine umsichtige Handelspolitik hat auch die
allerfernften Ziele im Auge, sobald sie vorteilhaft und erreichbar sind.




Marie von Ebner-Eschenbach.

in Machtstellung, welche sich die schriftstellernden Frauen in unsrer
Literatur erobert haben, ist jetzt von allen Seiten durch Lob und
Tadel, durch Polemik und Huldigung von Kritik und Publikum
als anerkannt zu betrachten, und wenn es noch altväterische Männer
giebt, die von vornherein sich geringschätzig zur literarischen
Frauenarbeit stellen, so sind sie, um einen beliebten Ausdruck zu gebrauchen,
durch die Macht der Thatsachen widerlegt. In einer Betrachtung unsrer Lite¬
ratur von einem noch so hohen und entfernten historischen Standpunkte werden
die schreibenden Frauen schlechtweg nicht mehr zu umgehen sein. Mit dem ihrem
Geschlechte eignen praktischen Sinne haben sie sich fast ausschließlich jeuer lite¬
rarischen Gattung zugewendet, die heutzutage die herrschende, die erfolgreichste
und auch die einträglichste, einzig ihren Mann (oder ihr Weib) nährende ist:
dem Roman, der Novelle; die ganze Familienjournalliteratur und die halbe
Leihbibliothek beherrschen sie; ja der vornehmsten Monatsschrift Deutschlands
sind, wie uus verbürgt mitgeteilt wurde, Werke aus Frauenhand von größerm
materiellen Vorteil gewesen als die tiefsinnigsten Novellen eines Gottfried Keller;


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[0080] Marie von Lbner-Lschenbach. die russischen Häfen einlaufen muß und die Transportkosten dadurch verteuert werden. Der Schwerpunkt des russischen Exporthandels liegt demnach nicht in dem Verkehr mit Europa. Dagegen erschließt sich ihm ein weites, gewinnbringendes Gebiet der Thätigkeit in der Mittlerrolle, welche er nach vollendetem Ausbau der großen Bahnliuieu zwischen den im Osten und Westen angrenzenden Welt¬ teilen zu übernehmen bestimmt ist. Aus einem weiten, abgeschlossenen Hiuterraume wird Nußland zum wichtigen Durchgangsland des internationalen Handels werden, aus einem Stapelplatz zum direkte» Vermittler zwischen den dichtestbevölkerten Ländergebieten: zwischen den 200 Millionen des übrigen Europas und deu 300 bis 400 Millionen des „Himmlischen Reiches." Auf diese Weise stellt sich hier die festländische Hälfte jenes Verbindungsgürtels um die Erde her, dessen See- Hälfte Amerika immer mehr in seine Hände bekommt, seitdem der Osten und Westen der Union durch Bahnlinien verbunden sind. Die Zeit ist noch fern, wo die Vorteile dieser Lage sich in den Rechnungsabschlüssen des Staatshaus¬ halts wiederfinden werden, allein eine umsichtige Handelspolitik hat auch die allerfernften Ziele im Auge, sobald sie vorteilhaft und erreichbar sind. Marie von Ebner-Eschenbach. in Machtstellung, welche sich die schriftstellernden Frauen in unsrer Literatur erobert haben, ist jetzt von allen Seiten durch Lob und Tadel, durch Polemik und Huldigung von Kritik und Publikum als anerkannt zu betrachten, und wenn es noch altväterische Männer giebt, die von vornherein sich geringschätzig zur literarischen Frauenarbeit stellen, so sind sie, um einen beliebten Ausdruck zu gebrauchen, durch die Macht der Thatsachen widerlegt. In einer Betrachtung unsrer Lite¬ ratur von einem noch so hohen und entfernten historischen Standpunkte werden die schreibenden Frauen schlechtweg nicht mehr zu umgehen sein. Mit dem ihrem Geschlechte eignen praktischen Sinne haben sie sich fast ausschließlich jeuer lite¬ rarischen Gattung zugewendet, die heutzutage die herrschende, die erfolgreichste und auch die einträglichste, einzig ihren Mann (oder ihr Weib) nährende ist: dem Roman, der Novelle; die ganze Familienjournalliteratur und die halbe Leihbibliothek beherrschen sie; ja der vornehmsten Monatsschrift Deutschlands sind, wie uus verbürgt mitgeteilt wurde, Werke aus Frauenhand von größerm materiellen Vorteil gewesen als die tiefsinnigsten Novellen eines Gottfried Keller;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/80>, abgerufen am 03.07.2024.