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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

zu Wetter", oder um der vortrefflichen Damen Moralpredigten anzuhören? Dn
zweifelst an meiner Liebe, Adcline? Sieh mich doch an! Lügen meine Augen?
Fühle doch meine Hand, wie sie glüht! Und du wirfst mir Kälte vor!

Aber das Mädchen senkte den Kopf und weinte.

Adeline! Ich muß gehen; aber wir sehen uns wieder. Jetzt bin ich mit
hundert Ketten gefesselt; aber die Zeit kommt sicherlich, wo ich mich frei machen
kann, und dann --

Ein leuchtender Blitz zuckte durch die Dunkelheit; lärmend gössen Regen-
strome gegen das Fenster. Dcäda haßte die Gewitter. Der finster rollende
Donner machte ihn nervös. Jetzt hatte er das Mädchen in die Arme ge¬
schloffen, stärker erregt, als er selbst es meinte.

Laß mich! laß mich! O Himmel, ich werde gerufen! Man kommt! Ach --
ich bin verloren!

Er sprang auf und händigte ihr den Stubenschlüsfel ein. Hier, öffne und
zeige dich ganz ruhig. Es ist niemand hier gewesen.

Noch einmal küßte er sie und verschwand dann im anstoßenden Zimmer.

Bereits wurde aber vom Flur aus an der Thür gerissen und gelärmt.
Mit geschicktem Handgriffe strich sie über ihre etwas in Unordnung geratene
Toilette und schloß auf. Ungestüm wurde die Thür aufgerissen, und vor ihr
stand der Hofmarschall. Seine blauen Augen blitzten wie blanker Stahl. Was
geht hier vor? rief er zornig.

nron visu, nronÄvur, qns vou8 nie tÄtes psur! Ich zittere ja noch
an allen Gliedern von dem schrecklichen Donnerschlage! Da, sehen Sie doch.

Sie hielt ihm die kleine zitternde Hand hin, die er ergriff und mit eisernem
Drucke umklammerte.

Warum bei verschlossener Thür?

Nlüs, monsisur! Sie sah wirklich empört aus. Ein kleines Derangement
der Toilette -- aber das ist ja ein Verhör!

Er ließ sich nicht beirren. Es war noch jemand hier, sagte er mit zurück¬
gehaltener Heftigkeit.

Mein Himmel, wer denn? Das ist doch zu arg. Lassen Sie meine Hand
los! Es war niemand hier.

Das werden wir sehen.

Mit einem finstern Blicke überflog er ihre Gestalt; dann sah er sich forschend
in dem Zimmer um. Der Regen peitschte gegen die Scheiben; die Dunkelheit,
verbunden mit der drückenden Gewitterluft, wirkte beängstigend. Der Hof¬
marschall durchspähte die Winkel und öffnete den Wandschrank; dann schloß er
die nach dem Flur führende Thür ab und ging in das Nebenzimmer. Dies,
Georgs Schlafzimmer, welches keinen besondern Ausgang hatte, wurde ebenfalls
durchsucht, aber auch erfolglos.

Adeline wußte, daß er nur hier sein konnte, hier sein mußte, da er keinen


Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

zu Wetter», oder um der vortrefflichen Damen Moralpredigten anzuhören? Dn
zweifelst an meiner Liebe, Adcline? Sieh mich doch an! Lügen meine Augen?
Fühle doch meine Hand, wie sie glüht! Und du wirfst mir Kälte vor!

Aber das Mädchen senkte den Kopf und weinte.

Adeline! Ich muß gehen; aber wir sehen uns wieder. Jetzt bin ich mit
hundert Ketten gefesselt; aber die Zeit kommt sicherlich, wo ich mich frei machen
kann, und dann —

Ein leuchtender Blitz zuckte durch die Dunkelheit; lärmend gössen Regen-
strome gegen das Fenster. Dcäda haßte die Gewitter. Der finster rollende
Donner machte ihn nervös. Jetzt hatte er das Mädchen in die Arme ge¬
schloffen, stärker erregt, als er selbst es meinte.

Laß mich! laß mich! O Himmel, ich werde gerufen! Man kommt! Ach —
ich bin verloren!

Er sprang auf und händigte ihr den Stubenschlüsfel ein. Hier, öffne und
zeige dich ganz ruhig. Es ist niemand hier gewesen.

Noch einmal küßte er sie und verschwand dann im anstoßenden Zimmer.

Bereits wurde aber vom Flur aus an der Thür gerissen und gelärmt.
Mit geschicktem Handgriffe strich sie über ihre etwas in Unordnung geratene
Toilette und schloß auf. Ungestüm wurde die Thür aufgerissen, und vor ihr
stand der Hofmarschall. Seine blauen Augen blitzten wie blanker Stahl. Was
geht hier vor? rief er zornig.

nron visu, nronÄvur, qns vou8 nie tÄtes psur! Ich zittere ja noch
an allen Gliedern von dem schrecklichen Donnerschlage! Da, sehen Sie doch.

Sie hielt ihm die kleine zitternde Hand hin, die er ergriff und mit eisernem
Drucke umklammerte.

Warum bei verschlossener Thür?

Nlüs, monsisur! Sie sah wirklich empört aus. Ein kleines Derangement
der Toilette — aber das ist ja ein Verhör!

Er ließ sich nicht beirren. Es war noch jemand hier, sagte er mit zurück¬
gehaltener Heftigkeit.

Mein Himmel, wer denn? Das ist doch zu arg. Lassen Sie meine Hand
los! Es war niemand hier.

Das werden wir sehen.

Mit einem finstern Blicke überflog er ihre Gestalt; dann sah er sich forschend
in dem Zimmer um. Der Regen peitschte gegen die Scheiben; die Dunkelheit,
verbunden mit der drückenden Gewitterluft, wirkte beängstigend. Der Hof¬
marschall durchspähte die Winkel und öffnete den Wandschrank; dann schloß er
die nach dem Flur führende Thür ab und ging in das Nebenzimmer. Dies,
Georgs Schlafzimmer, welches keinen besondern Ausgang hatte, wurde ebenfalls
durchsucht, aber auch erfolglos.

Adeline wußte, daß er nur hier sein konnte, hier sein mußte, da er keinen


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[0619] Aus der Chronik derer von Riffelshausen. zu Wetter», oder um der vortrefflichen Damen Moralpredigten anzuhören? Dn zweifelst an meiner Liebe, Adcline? Sieh mich doch an! Lügen meine Augen? Fühle doch meine Hand, wie sie glüht! Und du wirfst mir Kälte vor! Aber das Mädchen senkte den Kopf und weinte. Adeline! Ich muß gehen; aber wir sehen uns wieder. Jetzt bin ich mit hundert Ketten gefesselt; aber die Zeit kommt sicherlich, wo ich mich frei machen kann, und dann — Ein leuchtender Blitz zuckte durch die Dunkelheit; lärmend gössen Regen- strome gegen das Fenster. Dcäda haßte die Gewitter. Der finster rollende Donner machte ihn nervös. Jetzt hatte er das Mädchen in die Arme ge¬ schloffen, stärker erregt, als er selbst es meinte. Laß mich! laß mich! O Himmel, ich werde gerufen! Man kommt! Ach — ich bin verloren! Er sprang auf und händigte ihr den Stubenschlüsfel ein. Hier, öffne und zeige dich ganz ruhig. Es ist niemand hier gewesen. Noch einmal küßte er sie und verschwand dann im anstoßenden Zimmer. Bereits wurde aber vom Flur aus an der Thür gerissen und gelärmt. Mit geschicktem Handgriffe strich sie über ihre etwas in Unordnung geratene Toilette und schloß auf. Ungestüm wurde die Thür aufgerissen, und vor ihr stand der Hofmarschall. Seine blauen Augen blitzten wie blanker Stahl. Was geht hier vor? rief er zornig. nron visu, nronÄvur, qns vou8 nie tÄtes psur! Ich zittere ja noch an allen Gliedern von dem schrecklichen Donnerschlage! Da, sehen Sie doch. Sie hielt ihm die kleine zitternde Hand hin, die er ergriff und mit eisernem Drucke umklammerte. Warum bei verschlossener Thür? Nlüs, monsisur! Sie sah wirklich empört aus. Ein kleines Derangement der Toilette — aber das ist ja ein Verhör! Er ließ sich nicht beirren. Es war noch jemand hier, sagte er mit zurück¬ gehaltener Heftigkeit. Mein Himmel, wer denn? Das ist doch zu arg. Lassen Sie meine Hand los! Es war niemand hier. Das werden wir sehen. Mit einem finstern Blicke überflog er ihre Gestalt; dann sah er sich forschend in dem Zimmer um. Der Regen peitschte gegen die Scheiben; die Dunkelheit, verbunden mit der drückenden Gewitterluft, wirkte beängstigend. Der Hof¬ marschall durchspähte die Winkel und öffnete den Wandschrank; dann schloß er die nach dem Flur führende Thür ab und ging in das Nebenzimmer. Dies, Georgs Schlafzimmer, welches keinen besondern Ausgang hatte, wurde ebenfalls durchsucht, aber auch erfolglos. Adeline wußte, daß er nur hier sein konnte, hier sein mußte, da er keinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/619>, abgerufen am 22.07.2024.