Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.Alexander von Roberts. nicht eher, da wäre das Billet. Auf die Passagiere, die schon im Wagen Noch sind zwei Bände von Roberts zu erwähnen: die Novellensammlung Alexander von Roberts. nicht eher, da wäre das Billet. Auf die Passagiere, die schon im Wagen Noch sind zwei Bände von Roberts zu erwähnen: die Novellensammlung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0615" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199335"/> <fw type="header" place="top"> Alexander von Roberts.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2103" prev="#ID_2102"> nicht eher, da wäre das Billet. Auf die Passagiere, die schon im Wagen<lb/> saßen, hatte ich beim Einsteigen keine Acht gehabt, und ich will denn auch ge¬<lb/> stehen, es lag mir von dem Liebesnacht her wie ein Spinneweb über den Augen.<lb/> Jedenfalls hatte da drüben ein Herr mit einer roten Nase gesessen, die wie eine<lb/> Signallatcrne leuchtete. Ferner eine Dame, welche Zahnschmerzen hatte und<lb/> ein Hündchen unter der Mantille verborgen hielt, das fortwährend winselte.<lb/> Auch stolperte ein junger Man» herein, der ein sehr erstauntes Gesicht auf<lb/> einer blauen Kravatte trug und in einen falschen Zug geraten war. Derselbe<lb/> stürzte auf der nächsten Station wieder heraus und trat dem Herrn mit der<lb/> Funkelnase auf die Füße, worauf dieser ein paarmal »Pardon« sagte, was ich<lb/> nicht recht begreifen konnte. Ich halte mich mit diesen Details auf, um Ihnen<lb/> zu beweisen, daß ich durchaus nicht fest geschlafen, sondern so zwischen Träumen<lb/> und Wachen stets noch a-u Kik geblieben war. Darauf wars eine Weile dunkel,<lb/> und da mochte ich denn wirklich eingeschlafen sein. Als ich aufwachte, war über<lb/> uns eine Lampe angezündet, welche sehr matt leuchtete, dafür aber umso toller<lb/> klapperte. Über uns, sage ich. Wer saß denn mir gegenüber? Nun, eine<lb/> Dame — nicht jene mit den Zahnschmerzen, die war mit der Funkelnase jeden¬<lb/> falls verschwunden; nein, eine einsame, junge Dame. Potz Wetter! dachte ich.<lb/> Jung, hübsch, reizend, elegant, jedenfalls etwas Exquisites! Saß da in ihrer<lb/> Ecke mir gegenüber und sah mich an — bei Gott, sah mich stramm an ohne<lb/> zu zucken. Bauute mich förmlich mit ihren großen, flammenden Augen. Warum<lb/> rüttelte ich mich nicht empor? Wahrhaftig, die ganze hübsche Anrede, die ich<lb/> vom Stapel lassen wollte, blieb mir wie gefroren auf der Zunge kleben. . . .<lb/> Und sie, das wunderbare Weib, immer mit ihren Augen auf mich los¬<lb/> zielend. ... Da hält plötzlich der Zug, ich höre uoch draußen eine Station<lb/> ausrufen, und da geschiehts! Nun, was denn? Was glaubt Ihr deun? Haltet<lb/> Jhrs für möglich? — Neben mir, dicht vor mir steht ihre elegante Gestalt,<lb/> steht da und beugt sich zu mir nieder. Und da fühle ich, wie ein warmer,<lb/> zarter, duftender Hauch über mein Antlitz weht und gleich darauf — Mohren<lb/> und Wetter! — pressen sich zwei heiße Lippen auf die meinen, zwei heiße,<lb/> schwellende Lippen — haften einen Augenblick auf meinem Munde — einen<lb/> Himmel von einem Augenblicke, meine Herren, und fort sind sie!" Den weitern<lb/> Verlauf der Geschichte, die mit diesen: Vorfalle erst ihren Anfang nimmt, mag<lb/> der Leser im Original verfolgen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2104" next="#ID_2105"> Noch sind zwei Bände von Roberts zu erwähnen: die Novellensammlung<lb/> ..Kohinor. Mal' Occhio, Die Trvvatella, Die Holzhauer" (zweite Auflage,<lb/> Dresden, 1886) und der Roman „Lou" (dritte Auflage, ebenda, 1887). Hier<lb/> lernen wir einen neuen Stvffkreis seiner Phantasie kennen; die Novellen spielen<lb/> in Italien, die Motive sind dem italienischen Volksleben entnommen. Der<lb/> Roman „Lou" spielt in Paris, sein Motiv ist wohl eines der bizarrsten, welche<lb/> gewählt werden können. Lou ist der Name eines Negersklaven, der durch den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0615]
Alexander von Roberts.
nicht eher, da wäre das Billet. Auf die Passagiere, die schon im Wagen
saßen, hatte ich beim Einsteigen keine Acht gehabt, und ich will denn auch ge¬
stehen, es lag mir von dem Liebesnacht her wie ein Spinneweb über den Augen.
Jedenfalls hatte da drüben ein Herr mit einer roten Nase gesessen, die wie eine
Signallatcrne leuchtete. Ferner eine Dame, welche Zahnschmerzen hatte und
ein Hündchen unter der Mantille verborgen hielt, das fortwährend winselte.
Auch stolperte ein junger Man» herein, der ein sehr erstauntes Gesicht auf
einer blauen Kravatte trug und in einen falschen Zug geraten war. Derselbe
stürzte auf der nächsten Station wieder heraus und trat dem Herrn mit der
Funkelnase auf die Füße, worauf dieser ein paarmal »Pardon« sagte, was ich
nicht recht begreifen konnte. Ich halte mich mit diesen Details auf, um Ihnen
zu beweisen, daß ich durchaus nicht fest geschlafen, sondern so zwischen Träumen
und Wachen stets noch a-u Kik geblieben war. Darauf wars eine Weile dunkel,
und da mochte ich denn wirklich eingeschlafen sein. Als ich aufwachte, war über
uns eine Lampe angezündet, welche sehr matt leuchtete, dafür aber umso toller
klapperte. Über uns, sage ich. Wer saß denn mir gegenüber? Nun, eine
Dame — nicht jene mit den Zahnschmerzen, die war mit der Funkelnase jeden¬
falls verschwunden; nein, eine einsame, junge Dame. Potz Wetter! dachte ich.
Jung, hübsch, reizend, elegant, jedenfalls etwas Exquisites! Saß da in ihrer
Ecke mir gegenüber und sah mich an — bei Gott, sah mich stramm an ohne
zu zucken. Bauute mich förmlich mit ihren großen, flammenden Augen. Warum
rüttelte ich mich nicht empor? Wahrhaftig, die ganze hübsche Anrede, die ich
vom Stapel lassen wollte, blieb mir wie gefroren auf der Zunge kleben. . . .
Und sie, das wunderbare Weib, immer mit ihren Augen auf mich los¬
zielend. ... Da hält plötzlich der Zug, ich höre uoch draußen eine Station
ausrufen, und da geschiehts! Nun, was denn? Was glaubt Ihr deun? Haltet
Jhrs für möglich? — Neben mir, dicht vor mir steht ihre elegante Gestalt,
steht da und beugt sich zu mir nieder. Und da fühle ich, wie ein warmer,
zarter, duftender Hauch über mein Antlitz weht und gleich darauf — Mohren
und Wetter! — pressen sich zwei heiße Lippen auf die meinen, zwei heiße,
schwellende Lippen — haften einen Augenblick auf meinem Munde — einen
Himmel von einem Augenblicke, meine Herren, und fort sind sie!" Den weitern
Verlauf der Geschichte, die mit diesen: Vorfalle erst ihren Anfang nimmt, mag
der Leser im Original verfolgen.
Noch sind zwei Bände von Roberts zu erwähnen: die Novellensammlung
..Kohinor. Mal' Occhio, Die Trvvatella, Die Holzhauer" (zweite Auflage,
Dresden, 1886) und der Roman „Lou" (dritte Auflage, ebenda, 1887). Hier
lernen wir einen neuen Stvffkreis seiner Phantasie kennen; die Novellen spielen
in Italien, die Motive sind dem italienischen Volksleben entnommen. Der
Roman „Lou" spielt in Paris, sein Motiv ist wohl eines der bizarrsten, welche
gewählt werden können. Lou ist der Name eines Negersklaven, der durch den
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