Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Gaard als mit der festen Gliederung des altdeutschen Hofes, Ebenso auffallend
ist der Umstand, daß in allen Haudörfern das Hauptgebäude, das Geschlechts¬
haus, niemals Stallungen enthält, im vollsten Gegensatz zu dem deutschen
Hvfbau vom Chiemsee bis hinauf nach Braunschweig, der in seiner älteren und
ursprünglicheren Gestalt -- ein Punkt, in dem ich den Ausführungen Herrings
in seinem verdienstvollen Buche über das deutsche Haus aufs entschiedenste
widersprechen muß -- regelmäßig mindestens das Hauptvieh, die Ackertiere,
Pferde oder Ochsen, einschließt. Der deutsche Bauer hielt es von jeher sür
notwendig, sein wertvollstes Vieh stets unter Augen zu haben, eine wirtschaft¬
liche Grundanschauung, die ihn allein schon von den Skandinaviern und den
in die Gebirge von Südtirol, Kärnten, Steiermark geflüchteten Neste der ost¬
germanischen Gothen und Rügen scheidet, bei denen dergleichen nie vorkommt.
In einem andern Stück hingegen gleicht die Einrichtung des Gaidler Hauses
wieder der deutschen, darin, daß der Herd nicht, wie bei der alten kärntisch-
steirischen "Nauchstube" (vergleiche die nordische rvMwö) in der Stube steht,
sondern in einem besondern Herdraume.

Das Wohnhaus in Gciidcl (die Abbildung bei Schröer, das Bauernhaus
auf der Ausstellung, giebt kein vollständig zutreffendes Bild, die Kammerscite ist
zu kurz geraten) ist immer zweistöckig; die vorspringenden, geschnitzten Schrot¬
köpfe tragen zuweilen einen Umgang, manchmal bloß ein Brett; immer ist hier
der untern Hausthür entsprechend eine obere Thür, auch denn, wenn man in
Ermangelung selbst eines Brettes davor sie garnicht benutzen kann. Das
"Thürmel" kann durchaus nicht als regelmäßig gelten, oft ist das Giebeldach
bis tief hinab gewalmt. Auch in Gaidcl führt die Thür in der Mitte der
laugen Seite in das "Haus," in dessen Hintergründe die Küche abgeteilt ist,
der niedrige Herd an einer Seite ist nischcnartig in ein Manerwerk eingewölbt,
wie ein Kamin, aber auch hier ohne Rauchfang, der Rauch entweicht durch die
obere Hälfte der hintern Hausthür, einer altdeutschen Doppelthür, die zu diesem
Zwecke stets offen gelassen wird, und giebt dem ganzen darüber gelegenen Balken¬
werke einen fast verkohlten Anstrich. Hinter dem Herde erblickt mau in der
Wand das Ofenloch, von dem der weit in die auch hier diese ganze Hälfte des
Hauses einnehmende Stube hineinragende Kachelofen beschickt wird. An der
andern Seite der Stubenthür sieht man den "Kolofen," eine an der Wand an¬
gebrachte Pfanne, auf der zur Winterszeit zur Erleuchtung zerhackter Kien
u. dergl. gebrannt wird; eine darüber befestigte Art von Hut, von etwa einem
Fuß Durchmesser, sammelt den Rauch und setzt sich in einen Schlauch fort,
welcher denselben durch die Wand auf das Vorhaus abführt. Die ganze Vor¬
richtung findet sich wieder in dem allerdings ziemlich dreimal so großen
"LKnhuet" des Egcrlandes und der angrenzenden Pfalz, sowie in der too", der
Slowenen, einem Worte, das, vielleicht früher anch bei den böhmischen Slawen
gebräuchlich, dem ans dem deutschen Sprachstoffe unerklärlichen LS'nhnct z"


Gaard als mit der festen Gliederung des altdeutschen Hofes, Ebenso auffallend
ist der Umstand, daß in allen Haudörfern das Hauptgebäude, das Geschlechts¬
haus, niemals Stallungen enthält, im vollsten Gegensatz zu dem deutschen
Hvfbau vom Chiemsee bis hinauf nach Braunschweig, der in seiner älteren und
ursprünglicheren Gestalt — ein Punkt, in dem ich den Ausführungen Herrings
in seinem verdienstvollen Buche über das deutsche Haus aufs entschiedenste
widersprechen muß — regelmäßig mindestens das Hauptvieh, die Ackertiere,
Pferde oder Ochsen, einschließt. Der deutsche Bauer hielt es von jeher sür
notwendig, sein wertvollstes Vieh stets unter Augen zu haben, eine wirtschaft¬
liche Grundanschauung, die ihn allein schon von den Skandinaviern und den
in die Gebirge von Südtirol, Kärnten, Steiermark geflüchteten Neste der ost¬
germanischen Gothen und Rügen scheidet, bei denen dergleichen nie vorkommt.
In einem andern Stück hingegen gleicht die Einrichtung des Gaidler Hauses
wieder der deutschen, darin, daß der Herd nicht, wie bei der alten kärntisch-
steirischen „Nauchstube" (vergleiche die nordische rvMwö) in der Stube steht,
sondern in einem besondern Herdraume.

Das Wohnhaus in Gciidcl (die Abbildung bei Schröer, das Bauernhaus
auf der Ausstellung, giebt kein vollständig zutreffendes Bild, die Kammerscite ist
zu kurz geraten) ist immer zweistöckig; die vorspringenden, geschnitzten Schrot¬
köpfe tragen zuweilen einen Umgang, manchmal bloß ein Brett; immer ist hier
der untern Hausthür entsprechend eine obere Thür, auch denn, wenn man in
Ermangelung selbst eines Brettes davor sie garnicht benutzen kann. Das
„Thürmel" kann durchaus nicht als regelmäßig gelten, oft ist das Giebeldach
bis tief hinab gewalmt. Auch in Gaidcl führt die Thür in der Mitte der
laugen Seite in das „Haus," in dessen Hintergründe die Küche abgeteilt ist,
der niedrige Herd an einer Seite ist nischcnartig in ein Manerwerk eingewölbt,
wie ein Kamin, aber auch hier ohne Rauchfang, der Rauch entweicht durch die
obere Hälfte der hintern Hausthür, einer altdeutschen Doppelthür, die zu diesem
Zwecke stets offen gelassen wird, und giebt dem ganzen darüber gelegenen Balken¬
werke einen fast verkohlten Anstrich. Hinter dem Herde erblickt mau in der
Wand das Ofenloch, von dem der weit in die auch hier diese ganze Hälfte des
Hauses einnehmende Stube hineinragende Kachelofen beschickt wird. An der
andern Seite der Stubenthür sieht man den „Kolofen," eine an der Wand an¬
gebrachte Pfanne, auf der zur Winterszeit zur Erleuchtung zerhackter Kien
u. dergl. gebrannt wird; eine darüber befestigte Art von Hut, von etwa einem
Fuß Durchmesser, sammelt den Rauch und setzt sich in einen Schlauch fort,
welcher denselben durch die Wand auf das Vorhaus abführt. Die ganze Vor¬
richtung findet sich wieder in dem allerdings ziemlich dreimal so großen
„LKnhuet" des Egcrlandes und der angrenzenden Pfalz, sowie in der too», der
Slowenen, einem Worte, das, vielleicht früher anch bei den böhmischen Slawen
gebräuchlich, dem ans dem deutschen Sprachstoffe unerklärlichen LS'nhnct z»


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0607" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199327"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_2083" prev="#ID_2082"> Gaard als mit der festen Gliederung des altdeutschen Hofes, Ebenso auffallend<lb/>
ist der Umstand, daß in allen Haudörfern das Hauptgebäude, das Geschlechts¬<lb/>
haus, niemals Stallungen enthält, im vollsten Gegensatz zu dem deutschen<lb/>
Hvfbau vom Chiemsee bis hinauf nach Braunschweig, der in seiner älteren und<lb/>
ursprünglicheren Gestalt &#x2014; ein Punkt, in dem ich den Ausführungen Herrings<lb/>
in seinem verdienstvollen Buche über das deutsche Haus aufs entschiedenste<lb/>
widersprechen muß &#x2014; regelmäßig mindestens das Hauptvieh, die Ackertiere,<lb/>
Pferde oder Ochsen, einschließt. Der deutsche Bauer hielt es von jeher sür<lb/>
notwendig, sein wertvollstes Vieh stets unter Augen zu haben, eine wirtschaft¬<lb/>
liche Grundanschauung, die ihn allein schon von den Skandinaviern und den<lb/>
in die Gebirge von Südtirol, Kärnten, Steiermark geflüchteten Neste der ost¬<lb/>
germanischen Gothen und Rügen scheidet, bei denen dergleichen nie vorkommt.<lb/>
In einem andern Stück hingegen gleicht die Einrichtung des Gaidler Hauses<lb/>
wieder der deutschen, darin, daß der Herd nicht, wie bei der alten kärntisch-<lb/>
steirischen &#x201E;Nauchstube" (vergleiche die nordische rvMwö) in der Stube steht,<lb/>
sondern in einem besondern Herdraume.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2084" next="#ID_2085"> Das Wohnhaus in Gciidcl (die Abbildung bei Schröer, das Bauernhaus<lb/>
auf der Ausstellung, giebt kein vollständig zutreffendes Bild, die Kammerscite ist<lb/>
zu kurz geraten) ist immer zweistöckig; die vorspringenden, geschnitzten Schrot¬<lb/>
köpfe tragen zuweilen einen Umgang, manchmal bloß ein Brett; immer ist hier<lb/>
der untern Hausthür entsprechend eine obere Thür, auch denn, wenn man in<lb/>
Ermangelung selbst eines Brettes davor sie garnicht benutzen kann. Das<lb/>
&#x201E;Thürmel" kann durchaus nicht als regelmäßig gelten, oft ist das Giebeldach<lb/>
bis tief hinab gewalmt. Auch in Gaidcl führt die Thür in der Mitte der<lb/>
laugen Seite in das &#x201E;Haus," in dessen Hintergründe die Küche abgeteilt ist,<lb/>
der niedrige Herd an einer Seite ist nischcnartig in ein Manerwerk eingewölbt,<lb/>
wie ein Kamin, aber auch hier ohne Rauchfang, der Rauch entweicht durch die<lb/>
obere Hälfte der hintern Hausthür, einer altdeutschen Doppelthür, die zu diesem<lb/>
Zwecke stets offen gelassen wird, und giebt dem ganzen darüber gelegenen Balken¬<lb/>
werke einen fast verkohlten Anstrich. Hinter dem Herde erblickt mau in der<lb/>
Wand das Ofenloch, von dem der weit in die auch hier diese ganze Hälfte des<lb/>
Hauses einnehmende Stube hineinragende Kachelofen beschickt wird. An der<lb/>
andern Seite der Stubenthür sieht man den &#x201E;Kolofen," eine an der Wand an¬<lb/>
gebrachte Pfanne, auf der zur Winterszeit zur Erleuchtung zerhackter Kien<lb/>
u. dergl. gebrannt wird; eine darüber befestigte Art von Hut, von etwa einem<lb/>
Fuß Durchmesser, sammelt den Rauch und setzt sich in einen Schlauch fort,<lb/>
welcher denselben durch die Wand auf das Vorhaus abführt. Die ganze Vor¬<lb/>
richtung findet sich wieder in dem allerdings ziemlich dreimal so großen<lb/>
&#x201E;LKnhuet" des Egcrlandes und der angrenzenden Pfalz, sowie in der too», der<lb/>
Slowenen, einem Worte, das, vielleicht früher anch bei den böhmischen Slawen<lb/>
gebräuchlich, dem ans dem deutschen Sprachstoffe unerklärlichen LS'nhnct z»</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0607] Gaard als mit der festen Gliederung des altdeutschen Hofes, Ebenso auffallend ist der Umstand, daß in allen Haudörfern das Hauptgebäude, das Geschlechts¬ haus, niemals Stallungen enthält, im vollsten Gegensatz zu dem deutschen Hvfbau vom Chiemsee bis hinauf nach Braunschweig, der in seiner älteren und ursprünglicheren Gestalt — ein Punkt, in dem ich den Ausführungen Herrings in seinem verdienstvollen Buche über das deutsche Haus aufs entschiedenste widersprechen muß — regelmäßig mindestens das Hauptvieh, die Ackertiere, Pferde oder Ochsen, einschließt. Der deutsche Bauer hielt es von jeher sür notwendig, sein wertvollstes Vieh stets unter Augen zu haben, eine wirtschaft¬ liche Grundanschauung, die ihn allein schon von den Skandinaviern und den in die Gebirge von Südtirol, Kärnten, Steiermark geflüchteten Neste der ost¬ germanischen Gothen und Rügen scheidet, bei denen dergleichen nie vorkommt. In einem andern Stück hingegen gleicht die Einrichtung des Gaidler Hauses wieder der deutschen, darin, daß der Herd nicht, wie bei der alten kärntisch- steirischen „Nauchstube" (vergleiche die nordische rvMwö) in der Stube steht, sondern in einem besondern Herdraume. Das Wohnhaus in Gciidcl (die Abbildung bei Schröer, das Bauernhaus auf der Ausstellung, giebt kein vollständig zutreffendes Bild, die Kammerscite ist zu kurz geraten) ist immer zweistöckig; die vorspringenden, geschnitzten Schrot¬ köpfe tragen zuweilen einen Umgang, manchmal bloß ein Brett; immer ist hier der untern Hausthür entsprechend eine obere Thür, auch denn, wenn man in Ermangelung selbst eines Brettes davor sie garnicht benutzen kann. Das „Thürmel" kann durchaus nicht als regelmäßig gelten, oft ist das Giebeldach bis tief hinab gewalmt. Auch in Gaidcl führt die Thür in der Mitte der laugen Seite in das „Haus," in dessen Hintergründe die Küche abgeteilt ist, der niedrige Herd an einer Seite ist nischcnartig in ein Manerwerk eingewölbt, wie ein Kamin, aber auch hier ohne Rauchfang, der Rauch entweicht durch die obere Hälfte der hintern Hausthür, einer altdeutschen Doppelthür, die zu diesem Zwecke stets offen gelassen wird, und giebt dem ganzen darüber gelegenen Balken¬ werke einen fast verkohlten Anstrich. Hinter dem Herde erblickt mau in der Wand das Ofenloch, von dem der weit in die auch hier diese ganze Hälfte des Hauses einnehmende Stube hineinragende Kachelofen beschickt wird. An der andern Seite der Stubenthür sieht man den „Kolofen," eine an der Wand an¬ gebrachte Pfanne, auf der zur Winterszeit zur Erleuchtung zerhackter Kien u. dergl. gebrannt wird; eine darüber befestigte Art von Hut, von etwa einem Fuß Durchmesser, sammelt den Rauch und setzt sich in einen Schlauch fort, welcher denselben durch die Wand auf das Vorhaus abführt. Die ganze Vor¬ richtung findet sich wieder in dem allerdings ziemlich dreimal so großen „LKnhuet" des Egcrlandes und der angrenzenden Pfalz, sowie in der too», der Slowenen, einem Worte, das, vielleicht früher anch bei den böhmischen Slawen gebräuchlich, dem ans dem deutschen Sprachstoffe unerklärlichen LS'nhnct z»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/607
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/607>, abgerufen am 22.07.2024.