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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Bulgarien und sein Fürst.
Blicke auf ihre letzten acht Jahre.
3.

it dem Amtsantritte Kcirawelows, des begabtesten, aber zugleich
charakterlosesten der Demagogen, welche nacheinander Minister des
Fürsten Alexander waren, begann eine neue Epoche in der Ge¬
schichte Bulgariens. Er war noch nicht lange am Ruder, als sich
schon die gemäßigten Liberalen mit den Konservativen zum Kampfe
gegen ihn vereinigten, doch verstand er es, sich der Angriffe dieser Koalition
im Sobrcmje zu erwehren und andernfalls sich den Fürsten zu gewinnen, der ihm
anfänglich nicht wohlwollte. Mit Kojander, dem Vertreter Rußlands, wußte
er sich gleichfalls durch Nachgiebigkeit gegen dessen Wünsche gut zu stellen, ins¬
geheim aber ließ er durch seine Prssse das Volk gegen die Russen aufhetzen.
Als Sukuarow, der Minister des Innern, ihm Opposition machte, bewog er
den Fürsten, ihn zu entlassen. Als seine Begünstigung des Aufstandes, der sich
in Macedonien vorbereitete, Einspruch der Vertreter der Mächte in Sofia zur
Folge hatte, befahl er dem Präfekten in Knstendil, den Türken die Bewegungen
der Insurgenten, welche er vorher dnrch einen seiner Anhänger mit Waffen und
Munition versehen hatte, zu verraten, sodaß jene von Truppen des Sultans
umzingelt und fast gänzlich aufgerieben wurden. Was von ihnen sich auf
bulgarischen Boden rettete, ließ er von seinen Gensdarmen niederschießen, um
nicht durch etwaige Aussagen der Entkommenen kompromittirt zu werden. Durch
diese Unterdrückung des von ihm selbst angezettelten Putsches erwarb er sich
das Vertrauen der fremde" Diplomaten, auch der russischen. Im Stillen aber


Grmzbvtmi III. 133(i. 76


Bulgarien und sein Fürst.
Blicke auf ihre letzten acht Jahre.
3.

it dem Amtsantritte Kcirawelows, des begabtesten, aber zugleich
charakterlosesten der Demagogen, welche nacheinander Minister des
Fürsten Alexander waren, begann eine neue Epoche in der Ge¬
schichte Bulgariens. Er war noch nicht lange am Ruder, als sich
schon die gemäßigten Liberalen mit den Konservativen zum Kampfe
gegen ihn vereinigten, doch verstand er es, sich der Angriffe dieser Koalition
im Sobrcmje zu erwehren und andernfalls sich den Fürsten zu gewinnen, der ihm
anfänglich nicht wohlwollte. Mit Kojander, dem Vertreter Rußlands, wußte
er sich gleichfalls durch Nachgiebigkeit gegen dessen Wünsche gut zu stellen, ins¬
geheim aber ließ er durch seine Prssse das Volk gegen die Russen aufhetzen.
Als Sukuarow, der Minister des Innern, ihm Opposition machte, bewog er
den Fürsten, ihn zu entlassen. Als seine Begünstigung des Aufstandes, der sich
in Macedonien vorbereitete, Einspruch der Vertreter der Mächte in Sofia zur
Folge hatte, befahl er dem Präfekten in Knstendil, den Türken die Bewegungen
der Insurgenten, welche er vorher dnrch einen seiner Anhänger mit Waffen und
Munition versehen hatte, zu verraten, sodaß jene von Truppen des Sultans
umzingelt und fast gänzlich aufgerieben wurden. Was von ihnen sich auf
bulgarischen Boden rettete, ließ er von seinen Gensdarmen niederschießen, um
nicht durch etwaige Aussagen der Entkommenen kompromittirt zu werden. Durch
diese Unterdrückung des von ihm selbst angezettelten Putsches erwarb er sich
das Vertrauen der fremde» Diplomaten, auch der russischen. Im Stillen aber


Grmzbvtmi III. 133(i. 76
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[0585] [Abbildung] Bulgarien und sein Fürst. Blicke auf ihre letzten acht Jahre. 3. it dem Amtsantritte Kcirawelows, des begabtesten, aber zugleich charakterlosesten der Demagogen, welche nacheinander Minister des Fürsten Alexander waren, begann eine neue Epoche in der Ge¬ schichte Bulgariens. Er war noch nicht lange am Ruder, als sich schon die gemäßigten Liberalen mit den Konservativen zum Kampfe gegen ihn vereinigten, doch verstand er es, sich der Angriffe dieser Koalition im Sobrcmje zu erwehren und andernfalls sich den Fürsten zu gewinnen, der ihm anfänglich nicht wohlwollte. Mit Kojander, dem Vertreter Rußlands, wußte er sich gleichfalls durch Nachgiebigkeit gegen dessen Wünsche gut zu stellen, ins¬ geheim aber ließ er durch seine Prssse das Volk gegen die Russen aufhetzen. Als Sukuarow, der Minister des Innern, ihm Opposition machte, bewog er den Fürsten, ihn zu entlassen. Als seine Begünstigung des Aufstandes, der sich in Macedonien vorbereitete, Einspruch der Vertreter der Mächte in Sofia zur Folge hatte, befahl er dem Präfekten in Knstendil, den Türken die Bewegungen der Insurgenten, welche er vorher dnrch einen seiner Anhänger mit Waffen und Munition versehen hatte, zu verraten, sodaß jene von Truppen des Sultans umzingelt und fast gänzlich aufgerieben wurden. Was von ihnen sich auf bulgarischen Boden rettete, ließ er von seinen Gensdarmen niederschießen, um nicht durch etwaige Aussagen der Entkommenen kompromittirt zu werden. Durch diese Unterdrückung des von ihm selbst angezettelten Putsches erwarb er sich das Vertrauen der fremde» Diplomaten, auch der russischen. Im Stillen aber Grmzbvtmi III. 133(i. 76

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/585>, abgerufen am 22.07.2024.