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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Lhronik^derer von Riffelshausen.

geifern! Bruder in Christo, lasse noch heute meine Worte dich ans dem Seclen-
schlafe rütteln! Heute, donnerte er sich erhebend, heute, so ihr meine Stimme
höret, verstocket -- eure -- Herzen nicht!

Die Tischgesellschaft starrte den Redner an. Dieser aber zog sein Taschen¬
tuch hervor, rollte es auseinander und wischte schnaufend die Schweißtropfen
von der Stirn. Darauf setzte er sich behaglich wieder hiu und bearbeitete mit
Eifer ein Stück Hühnerbrühe mit Fricasseesauce.

Therese fürchtete, der Hofmarschall möchte diese improvisirte Tischpredigt
ungünstig aufnehmen, bemerkte aber, daß eine halblaute Bemerkung des Mvos-
dvrfers die Lachmuskeln ihres Maunes derartig reizte, daß er kaum äußerlich
seine Haltung zu bewahren vermochte.

Als der würdige Priester unsre Freunde verlasse" hatte, bemerkte Cneilie,
sie habe dem verdrehten Kauz etwas Kuchen eingepackt. Es mag in seiner
Junggesellenwirtschaft in Trübensee wunderlich genng aussehen.

Nun, meinte der Hofmarschall lachend, dn hat er die Laodieäerin vielleicht
nach Philadelphia versetzt. Er ist übrigens gewiß der erste gewesen, der dich
"lau" fand.

Wenn sich der Hofmarschall von Zeit zu Zeit von der scherzenden Laune
seines Freundes Danda anstecken ließ, so konnte das allen nur erfreulich sein,
da sein Gesundheitszustand natürliche Heiterkeit eben nicht beförderte. Weniger
harmlos war es, daß Dcüdas Einfluß sich in Sachen der Gutsbewirtschaftuug
anfing geltend zu macheu.

Ein Magdeburger namens Häuser hatte in Niedertcllenheim eine Zucker¬
fabrik angelegt und versuchte die Gutsherren der Nachbarschaft für sein Unter¬
nehmen zu gewinnen. Danda war sehr für den Plan eingenommen und versicherte
dem Herrn von Riffelshausen, daß Häuser seine Sache gründlich verstehe. Wir
müssen Rüben bauen und uns mehr und mehr auf Viehzucht werfe". Das ist
heute, wo uns Amerika und Nußland das Korn zu Spottpreisen liefern, in der
That das einzig Rationelle für den Landmann.

Niffelshausen, den die angenehmen Formen Dcüdas stets bestachen, war von
vornherein geneigt, ihm Recht zu gebe". Nur muß ich, bevor ich einen Beschluß
fasse, ernstlich mit meinem Inspektor die Sache besprechen. Sogar Georg, der
weit mehr praktische Kenntnisse besitzt als ich, unternahm nichts, ohne zuvor
den Rat Klees einzuholen. Besagter Klee hatte nun schon seit sieben
Jahren in Joppe, Lederhosen und Wasserstiefeln die Äcker Siebenhvfens über¬
wacht, keineswegs zum Schaden ihrer Besitzer. Nur besaß der Vortreffliche
leider keine diplomatischen Gaben, und leider waren er und Danda stille, aber
energische Feinde.

Klee äußerte denn auch unverhohlen, daß der Hofmarschall sich ans eine
so unsichere Spekulation jetzt nicht einlassen dürfe, und machte, als Niffelshausen
nicht losließ, Schwierigkeiten ohne Ende.


Aus der Lhronik^derer von Riffelshausen.

geifern! Bruder in Christo, lasse noch heute meine Worte dich ans dem Seclen-
schlafe rütteln! Heute, donnerte er sich erhebend, heute, so ihr meine Stimme
höret, verstocket — eure — Herzen nicht!

Die Tischgesellschaft starrte den Redner an. Dieser aber zog sein Taschen¬
tuch hervor, rollte es auseinander und wischte schnaufend die Schweißtropfen
von der Stirn. Darauf setzte er sich behaglich wieder hiu und bearbeitete mit
Eifer ein Stück Hühnerbrühe mit Fricasseesauce.

Therese fürchtete, der Hofmarschall möchte diese improvisirte Tischpredigt
ungünstig aufnehmen, bemerkte aber, daß eine halblaute Bemerkung des Mvos-
dvrfers die Lachmuskeln ihres Maunes derartig reizte, daß er kaum äußerlich
seine Haltung zu bewahren vermochte.

Als der würdige Priester unsre Freunde verlasse» hatte, bemerkte Cneilie,
sie habe dem verdrehten Kauz etwas Kuchen eingepackt. Es mag in seiner
Junggesellenwirtschaft in Trübensee wunderlich genng aussehen.

Nun, meinte der Hofmarschall lachend, dn hat er die Laodieäerin vielleicht
nach Philadelphia versetzt. Er ist übrigens gewiß der erste gewesen, der dich
„lau" fand.

Wenn sich der Hofmarschall von Zeit zu Zeit von der scherzenden Laune
seines Freundes Danda anstecken ließ, so konnte das allen nur erfreulich sein,
da sein Gesundheitszustand natürliche Heiterkeit eben nicht beförderte. Weniger
harmlos war es, daß Dcüdas Einfluß sich in Sachen der Gutsbewirtschaftuug
anfing geltend zu macheu.

Ein Magdeburger namens Häuser hatte in Niedertcllenheim eine Zucker¬
fabrik angelegt und versuchte die Gutsherren der Nachbarschaft für sein Unter¬
nehmen zu gewinnen. Danda war sehr für den Plan eingenommen und versicherte
dem Herrn von Riffelshausen, daß Häuser seine Sache gründlich verstehe. Wir
müssen Rüben bauen und uns mehr und mehr auf Viehzucht werfe». Das ist
heute, wo uns Amerika und Nußland das Korn zu Spottpreisen liefern, in der
That das einzig Rationelle für den Landmann.

Niffelshausen, den die angenehmen Formen Dcüdas stets bestachen, war von
vornherein geneigt, ihm Recht zu gebe». Nur muß ich, bevor ich einen Beschluß
fasse, ernstlich mit meinem Inspektor die Sache besprechen. Sogar Georg, der
weit mehr praktische Kenntnisse besitzt als ich, unternahm nichts, ohne zuvor
den Rat Klees einzuholen. Besagter Klee hatte nun schon seit sieben
Jahren in Joppe, Lederhosen und Wasserstiefeln die Äcker Siebenhvfens über¬
wacht, keineswegs zum Schaden ihrer Besitzer. Nur besaß der Vortreffliche
leider keine diplomatischen Gaben, und leider waren er und Danda stille, aber
energische Feinde.

Klee äußerte denn auch unverhohlen, daß der Hofmarschall sich ans eine
so unsichere Spekulation jetzt nicht einlassen dürfe, und machte, als Niffelshausen
nicht losließ, Schwierigkeiten ohne Ende.


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[0578] Aus der Lhronik^derer von Riffelshausen. geifern! Bruder in Christo, lasse noch heute meine Worte dich ans dem Seclen- schlafe rütteln! Heute, donnerte er sich erhebend, heute, so ihr meine Stimme höret, verstocket — eure — Herzen nicht! Die Tischgesellschaft starrte den Redner an. Dieser aber zog sein Taschen¬ tuch hervor, rollte es auseinander und wischte schnaufend die Schweißtropfen von der Stirn. Darauf setzte er sich behaglich wieder hiu und bearbeitete mit Eifer ein Stück Hühnerbrühe mit Fricasseesauce. Therese fürchtete, der Hofmarschall möchte diese improvisirte Tischpredigt ungünstig aufnehmen, bemerkte aber, daß eine halblaute Bemerkung des Mvos- dvrfers die Lachmuskeln ihres Maunes derartig reizte, daß er kaum äußerlich seine Haltung zu bewahren vermochte. Als der würdige Priester unsre Freunde verlasse» hatte, bemerkte Cneilie, sie habe dem verdrehten Kauz etwas Kuchen eingepackt. Es mag in seiner Junggesellenwirtschaft in Trübensee wunderlich genng aussehen. Nun, meinte der Hofmarschall lachend, dn hat er die Laodieäerin vielleicht nach Philadelphia versetzt. Er ist übrigens gewiß der erste gewesen, der dich „lau" fand. Wenn sich der Hofmarschall von Zeit zu Zeit von der scherzenden Laune seines Freundes Danda anstecken ließ, so konnte das allen nur erfreulich sein, da sein Gesundheitszustand natürliche Heiterkeit eben nicht beförderte. Weniger harmlos war es, daß Dcüdas Einfluß sich in Sachen der Gutsbewirtschaftuug anfing geltend zu macheu. Ein Magdeburger namens Häuser hatte in Niedertcllenheim eine Zucker¬ fabrik angelegt und versuchte die Gutsherren der Nachbarschaft für sein Unter¬ nehmen zu gewinnen. Danda war sehr für den Plan eingenommen und versicherte dem Herrn von Riffelshausen, daß Häuser seine Sache gründlich verstehe. Wir müssen Rüben bauen und uns mehr und mehr auf Viehzucht werfe». Das ist heute, wo uns Amerika und Nußland das Korn zu Spottpreisen liefern, in der That das einzig Rationelle für den Landmann. Niffelshausen, den die angenehmen Formen Dcüdas stets bestachen, war von vornherein geneigt, ihm Recht zu gebe». Nur muß ich, bevor ich einen Beschluß fasse, ernstlich mit meinem Inspektor die Sache besprechen. Sogar Georg, der weit mehr praktische Kenntnisse besitzt als ich, unternahm nichts, ohne zuvor den Rat Klees einzuholen. Besagter Klee hatte nun schon seit sieben Jahren in Joppe, Lederhosen und Wasserstiefeln die Äcker Siebenhvfens über¬ wacht, keineswegs zum Schaden ihrer Besitzer. Nur besaß der Vortreffliche leider keine diplomatischen Gaben, und leider waren er und Danda stille, aber energische Feinde. Klee äußerte denn auch unverhohlen, daß der Hofmarschall sich ans eine so unsichere Spekulation jetzt nicht einlassen dürfe, und machte, als Niffelshausen nicht losließ, Schwierigkeiten ohne Ende.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/578>, abgerufen am 03.07.2024.