Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Oho, rief er mit halbunterdrückter, aber zorniger Stimme; du weißt um
die saubere Geschichte!

Ich weiß nichts, nichts! Glaube es mir!
Doch wer sonst sollte es sein?
'

Sie muß ihm zufällig hier begegnet sein, er ist galant gegen jede Dame.

Der Hofmarschall sah prüfend in die angstvollen Augen seiner Frau. Sie
umklammerte seinen Arm mit ihren beiden Händen. Sie fürchtete ihn.

Du hast Recht, sagte er nach kurzem Schweigen, wir müssen erst sehen,
was an der Sache ist. Er überlegte. Dn hast gewiß recht, wiederholte er
dann, Darda würde sich nie erlauben -- wohin dachte ich nur! Doch es ist
immerhin besser, du unterbrichst das tods-a-tods. Ich werde mich jetzt nach
meinen Arbeitern umsehen.

Ohne eine Antwort abzuwarten, bog er zur Seite und verschwand hinter
den Bäume".

Therese sah ihm beklommen nach. Er hatte ihre Worte anders aufgefaßt,
als sie beabsichtigt hatte. Sie war durchaus nicht ohne Mißtrauen gegen den
Grafen, und wie eine Lüge erschienen ihr nun die Worte, die ihr die Angst
vor seiner Heftigkeit eingegeben hatte. Aber vielleicht konnte sie dem fast un¬
entbehrlichen Hausfreunde ins Gewissen reden, ehe es zwischen ihm und ihrem
Manne zu einer Auseinandersetzung kam. Vielleicht war es so besser und noch
nichts versäumt. So ging sie mutig auf die Lichtung zu, ohne sich Mühe zu
geben, ihr Nahen zu verheimlichen. Sie fand den Grafen allein. Er schien
überrascht, doch trat er ihr völlig unbefangen entgegen und berichtete ihr so¬
gleich, daß er Mademoiselle beim Zeichnen belauscht habe. Doch lief sie mir
davon, fuhr er fort, um die Jngend aufzusuchen, die nach Schlüsselblumen
suchend auseinandergelaufen war.

Therese schwieg und warf einen forschenden Seitenblick auf ihren Begleiter;
aber in seinen schönen Augen war nichts zu lesen.

Ihr ernstes Schweigen, begann er, neben ihr hergehend, zeigt mir, daß ich
das Unglück habe, die Ungnade der^ gnädigen Frau zu verdienen. Reden Sie
nur; ich bin ganz ergeben und frage demütigst: Womit habe ich gesündigt?

Sie war nicht dazu aufgelegt, Umwege zu machen.

Schonen Sie das Mädchen, lieber Graf, bat sie eindringlich; glauben Sie
mir, einer Frau, daß Blick und Wort sich in das Herz graben und darin
fortleben, wen" der sie längst vergessen hatte, der sie uns gab. Ich weiß, daß
sie niemals grausam gegen ein Tier sind, und einem Menschen könnten Sie
so tiefes Leid zufügen?

Sie war stehen geblieben und hatte bewegt seine Hand ergriffen. Er sah
mit Wohlgefallen in ihre beredten Augen, aber auf ihre Worte achtete er
gar nicht. Wie er ihre Hand festhielt, ohne zu antworten, sank ihr der Mut
und sie entzog sie ihm fast heftig. Die ihr eigne Unsicherheit überfiel sie


Oho, rief er mit halbunterdrückter, aber zorniger Stimme; du weißt um
die saubere Geschichte!

Ich weiß nichts, nichts! Glaube es mir!
Doch wer sonst sollte es sein?
'

Sie muß ihm zufällig hier begegnet sein, er ist galant gegen jede Dame.

Der Hofmarschall sah prüfend in die angstvollen Augen seiner Frau. Sie
umklammerte seinen Arm mit ihren beiden Händen. Sie fürchtete ihn.

Du hast Recht, sagte er nach kurzem Schweigen, wir müssen erst sehen,
was an der Sache ist. Er überlegte. Dn hast gewiß recht, wiederholte er
dann, Darda würde sich nie erlauben — wohin dachte ich nur! Doch es ist
immerhin besser, du unterbrichst das tods-a-tods. Ich werde mich jetzt nach
meinen Arbeitern umsehen.

Ohne eine Antwort abzuwarten, bog er zur Seite und verschwand hinter
den Bäume».

Therese sah ihm beklommen nach. Er hatte ihre Worte anders aufgefaßt,
als sie beabsichtigt hatte. Sie war durchaus nicht ohne Mißtrauen gegen den
Grafen, und wie eine Lüge erschienen ihr nun die Worte, die ihr die Angst
vor seiner Heftigkeit eingegeben hatte. Aber vielleicht konnte sie dem fast un¬
entbehrlichen Hausfreunde ins Gewissen reden, ehe es zwischen ihm und ihrem
Manne zu einer Auseinandersetzung kam. Vielleicht war es so besser und noch
nichts versäumt. So ging sie mutig auf die Lichtung zu, ohne sich Mühe zu
geben, ihr Nahen zu verheimlichen. Sie fand den Grafen allein. Er schien
überrascht, doch trat er ihr völlig unbefangen entgegen und berichtete ihr so¬
gleich, daß er Mademoiselle beim Zeichnen belauscht habe. Doch lief sie mir
davon, fuhr er fort, um die Jngend aufzusuchen, die nach Schlüsselblumen
suchend auseinandergelaufen war.

Therese schwieg und warf einen forschenden Seitenblick auf ihren Begleiter;
aber in seinen schönen Augen war nichts zu lesen.

Ihr ernstes Schweigen, begann er, neben ihr hergehend, zeigt mir, daß ich
das Unglück habe, die Ungnade der^ gnädigen Frau zu verdienen. Reden Sie
nur; ich bin ganz ergeben und frage demütigst: Womit habe ich gesündigt?

Sie war nicht dazu aufgelegt, Umwege zu machen.

Schonen Sie das Mädchen, lieber Graf, bat sie eindringlich; glauben Sie
mir, einer Frau, daß Blick und Wort sich in das Herz graben und darin
fortleben, wen» der sie längst vergessen hatte, der sie uns gab. Ich weiß, daß
sie niemals grausam gegen ein Tier sind, und einem Menschen könnten Sie
so tiefes Leid zufügen?

Sie war stehen geblieben und hatte bewegt seine Hand ergriffen. Er sah
mit Wohlgefallen in ihre beredten Augen, aber auf ihre Worte achtete er
gar nicht. Wie er ihre Hand festhielt, ohne zu antworten, sank ihr der Mut
und sie entzog sie ihm fast heftig. Die ihr eigne Unsicherheit überfiel sie


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0575" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199295"/>
            <fw type="header" place="top"/><lb/>
            <p xml:id="ID_1945"> Oho, rief er mit halbunterdrückter, aber zorniger Stimme; du weißt um<lb/>
die saubere Geschichte!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1946"> Ich weiß nichts, nichts! Glaube es mir!<lb/>
Doch wer sonst sollte es sein?<lb/>
'</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1947"> Sie muß ihm zufällig hier begegnet sein, er ist galant gegen jede Dame.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1948"> Der Hofmarschall sah prüfend in die angstvollen Augen seiner Frau. Sie<lb/>
umklammerte seinen Arm mit ihren beiden Händen.  Sie fürchtete ihn.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1949"> Du hast Recht, sagte er nach kurzem Schweigen, wir müssen erst sehen,<lb/>
was an der Sache ist. Er überlegte. Dn hast gewiß recht, wiederholte er<lb/>
dann, Darda würde sich nie erlauben &#x2014; wohin dachte ich nur! Doch es ist<lb/>
immerhin besser, du unterbrichst das tods-a-tods. Ich werde mich jetzt nach<lb/>
meinen Arbeitern umsehen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1950"> Ohne eine Antwort abzuwarten, bog er zur Seite und verschwand hinter<lb/>
den Bäume».</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1951"> Therese sah ihm beklommen nach. Er hatte ihre Worte anders aufgefaßt,<lb/>
als sie beabsichtigt hatte. Sie war durchaus nicht ohne Mißtrauen gegen den<lb/>
Grafen, und wie eine Lüge erschienen ihr nun die Worte, die ihr die Angst<lb/>
vor seiner Heftigkeit eingegeben hatte. Aber vielleicht konnte sie dem fast un¬<lb/>
entbehrlichen Hausfreunde ins Gewissen reden, ehe es zwischen ihm und ihrem<lb/>
Manne zu einer Auseinandersetzung kam. Vielleicht war es so besser und noch<lb/>
nichts versäumt. So ging sie mutig auf die Lichtung zu, ohne sich Mühe zu<lb/>
geben, ihr Nahen zu verheimlichen. Sie fand den Grafen allein. Er schien<lb/>
überrascht, doch trat er ihr völlig unbefangen entgegen und berichtete ihr so¬<lb/>
gleich, daß er Mademoiselle beim Zeichnen belauscht habe. Doch lief sie mir<lb/>
davon, fuhr er fort, um die Jngend aufzusuchen, die nach Schlüsselblumen<lb/>
suchend auseinandergelaufen war.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1952"> Therese schwieg und warf einen forschenden Seitenblick auf ihren Begleiter;<lb/>
aber in seinen schönen Augen war nichts zu lesen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1953"> Ihr ernstes Schweigen, begann er, neben ihr hergehend, zeigt mir, daß ich<lb/>
das Unglück habe, die Ungnade der^ gnädigen Frau zu verdienen. Reden Sie<lb/>
nur; ich bin ganz ergeben und frage demütigst: Womit habe ich gesündigt?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1954"> Sie war nicht dazu aufgelegt, Umwege zu machen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1955"> Schonen Sie das Mädchen, lieber Graf, bat sie eindringlich; glauben Sie<lb/>
mir, einer Frau, daß Blick und Wort sich in das Herz graben und darin<lb/>
fortleben, wen» der sie längst vergessen hatte, der sie uns gab. Ich weiß, daß<lb/>
sie niemals grausam gegen ein Tier sind, und einem Menschen könnten Sie<lb/>
so tiefes Leid zufügen?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1956" next="#ID_1957"> Sie war stehen geblieben und hatte bewegt seine Hand ergriffen. Er sah<lb/>
mit Wohlgefallen in ihre beredten Augen, aber auf ihre Worte achtete er<lb/>
gar nicht. Wie er ihre Hand festhielt, ohne zu antworten, sank ihr der Mut<lb/>
und sie entzog sie ihm fast heftig.  Die ihr eigne Unsicherheit überfiel sie</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0575] Oho, rief er mit halbunterdrückter, aber zorniger Stimme; du weißt um die saubere Geschichte! Ich weiß nichts, nichts! Glaube es mir! Doch wer sonst sollte es sein? ' Sie muß ihm zufällig hier begegnet sein, er ist galant gegen jede Dame. Der Hofmarschall sah prüfend in die angstvollen Augen seiner Frau. Sie umklammerte seinen Arm mit ihren beiden Händen. Sie fürchtete ihn. Du hast Recht, sagte er nach kurzem Schweigen, wir müssen erst sehen, was an der Sache ist. Er überlegte. Dn hast gewiß recht, wiederholte er dann, Darda würde sich nie erlauben — wohin dachte ich nur! Doch es ist immerhin besser, du unterbrichst das tods-a-tods. Ich werde mich jetzt nach meinen Arbeitern umsehen. Ohne eine Antwort abzuwarten, bog er zur Seite und verschwand hinter den Bäume». Therese sah ihm beklommen nach. Er hatte ihre Worte anders aufgefaßt, als sie beabsichtigt hatte. Sie war durchaus nicht ohne Mißtrauen gegen den Grafen, und wie eine Lüge erschienen ihr nun die Worte, die ihr die Angst vor seiner Heftigkeit eingegeben hatte. Aber vielleicht konnte sie dem fast un¬ entbehrlichen Hausfreunde ins Gewissen reden, ehe es zwischen ihm und ihrem Manne zu einer Auseinandersetzung kam. Vielleicht war es so besser und noch nichts versäumt. So ging sie mutig auf die Lichtung zu, ohne sich Mühe zu geben, ihr Nahen zu verheimlichen. Sie fand den Grafen allein. Er schien überrascht, doch trat er ihr völlig unbefangen entgegen und berichtete ihr so¬ gleich, daß er Mademoiselle beim Zeichnen belauscht habe. Doch lief sie mir davon, fuhr er fort, um die Jngend aufzusuchen, die nach Schlüsselblumen suchend auseinandergelaufen war. Therese schwieg und warf einen forschenden Seitenblick auf ihren Begleiter; aber in seinen schönen Augen war nichts zu lesen. Ihr ernstes Schweigen, begann er, neben ihr hergehend, zeigt mir, daß ich das Unglück habe, die Ungnade der^ gnädigen Frau zu verdienen. Reden Sie nur; ich bin ganz ergeben und frage demütigst: Womit habe ich gesündigt? Sie war nicht dazu aufgelegt, Umwege zu machen. Schonen Sie das Mädchen, lieber Graf, bat sie eindringlich; glauben Sie mir, einer Frau, daß Blick und Wort sich in das Herz graben und darin fortleben, wen» der sie längst vergessen hatte, der sie uns gab. Ich weiß, daß sie niemals grausam gegen ein Tier sind, und einem Menschen könnten Sie so tiefes Leid zufügen? Sie war stehen geblieben und hatte bewegt seine Hand ergriffen. Er sah mit Wohlgefallen in ihre beredten Augen, aber auf ihre Worte achtete er gar nicht. Wie er ihre Hand festhielt, ohne zu antworten, sank ihr der Mut und sie entzog sie ihm fast heftig. Die ihr eigne Unsicherheit überfiel sie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/575
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/575>, abgerufen am 03.07.2024.