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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Lhroink dorer von Riffelshcmsen.

Aber die Köchin wartet auf die Linsen!

Mademoiselle Adeline beendet gewiß die Arbeit für dich.

Sie ist mit den Kindern hinaus und hat ihr Skizzciibnch mitgenommen.

Nun, zum Kukuk, rief er ärgerlich, so mögen sich die Linsen selbst lesen!
Ich habe nicht alle Tage Zeit, mit dir spazieren zu gehen.

Therese räumte die Sachen zusammen und nahm ihren Gemahl, der so¬
gleich seine heitere Laune wieder erlangte, beim Arme. Sie durchwanderten den
Gemüsegarten und erfreuten sich an der Banmblüte. Der Hvfmcirschall hatte
sich in diesem Frühjahr daran gemacht, die Obstzucht zu verbessern.

Siehst du, Frau, sagte er, das muß alles noch ganz anders werden. Ich
denke mir -- er schloß während des Sprechens ein Pförtchen auf, das nach
den Waldwiesen führte --, ich denke mir, daß in vielleicht zehn Jahren sich hier
manches vorteilhaft verändert haben soll. Und er schaute freudig über die
frühlingsgrüne Flur, durch die ein schmaler Fußpfad zum Waldhange führte.
Hinter ihnen und zur Seite lagen die letzten Häuser des Dorfes, die vereinzelt
durch das junge Laub der Bäume sahen. Am Fuße der waldigen Hügelkette
wand sich in weitem Bogen vom Dorfe herkommend der kleine Fluß, den der
im Gebirge gethaute Schnee etwas wasserreicher gemacht hatte. Der Wiesen-
Pfad führte nach einer naturwüchsigen Brücke, die dicht über dem Wasser durch
zwei umgelegte Stämme gebildet war. Aber die Bäume streckten ihr Äste zuvor¬
kommend über deu Fluß, um den Furchtsamen einen sichern Anhalt zu bieten.

Bohemuud und Therese unterbrachen ihre ernste Unterhciltnng öfters durch
Ausrufe des Entzückens über deu grünen Schimmer, der Bänme und Sträucher
bedeckte, über den feuchten, würzigen Wnldduft, die reizende" Frühlingsblumen
und den Gesang der Vögel. Von der Anhöhe aus hatte man einen Blick nach
den saatbcdecktcn Hügeln, über welche die Straße von Moosdvrf kam. Dort,
auf der Fahrstraße, schlich ein mit schönen Pferden bespannter Jagdwagen
langsam dem Dorfe zu. Der Herr war aufgestiegen und hatte neben dem
Steinkrenze am Wegrande den Sicbenhofer Wald betreten.

Als der Hofmarschall und seine Frau durch den Bestand schritten, blieb
Bohemuud plötzlich stehen: Wer ist denn dort?

Theresens Blick folgte der angegebenen Richtung. Dort in der Lichtung
saß eine weibliche Gestalt in Heller Kleidung auf einem der moosbewachsenen
Steinblöcke unter den Tannen; neben ihr glaubte sie einen Mann zu erkennen.
Ganz richtig, er ruhte im Grase.

Was heißt das? fragte Bohemuud seine Frau. Sie sah ihn ängstlich an.
Er schien erregt und zum Zorne bereit.

Frappante Ähnlichkeit mit einem Rendezvous. Warte du hier; ich werde
mir Gewißheit verschaffen.

Sie hielt ihn zurück. Nicht jetzt, Bvhemund, laß es sein! Urteile nicht
zu rasch! Das arme Mädchen!


Aus der Lhroink dorer von Riffelshcmsen.

Aber die Köchin wartet auf die Linsen!

Mademoiselle Adeline beendet gewiß die Arbeit für dich.

Sie ist mit den Kindern hinaus und hat ihr Skizzciibnch mitgenommen.

Nun, zum Kukuk, rief er ärgerlich, so mögen sich die Linsen selbst lesen!
Ich habe nicht alle Tage Zeit, mit dir spazieren zu gehen.

Therese räumte die Sachen zusammen und nahm ihren Gemahl, der so¬
gleich seine heitere Laune wieder erlangte, beim Arme. Sie durchwanderten den
Gemüsegarten und erfreuten sich an der Banmblüte. Der Hvfmcirschall hatte
sich in diesem Frühjahr daran gemacht, die Obstzucht zu verbessern.

Siehst du, Frau, sagte er, das muß alles noch ganz anders werden. Ich
denke mir — er schloß während des Sprechens ein Pförtchen auf, das nach
den Waldwiesen führte —, ich denke mir, daß in vielleicht zehn Jahren sich hier
manches vorteilhaft verändert haben soll. Und er schaute freudig über die
frühlingsgrüne Flur, durch die ein schmaler Fußpfad zum Waldhange führte.
Hinter ihnen und zur Seite lagen die letzten Häuser des Dorfes, die vereinzelt
durch das junge Laub der Bäume sahen. Am Fuße der waldigen Hügelkette
wand sich in weitem Bogen vom Dorfe herkommend der kleine Fluß, den der
im Gebirge gethaute Schnee etwas wasserreicher gemacht hatte. Der Wiesen-
Pfad führte nach einer naturwüchsigen Brücke, die dicht über dem Wasser durch
zwei umgelegte Stämme gebildet war. Aber die Bäume streckten ihr Äste zuvor¬
kommend über deu Fluß, um den Furchtsamen einen sichern Anhalt zu bieten.

Bohemuud und Therese unterbrachen ihre ernste Unterhciltnng öfters durch
Ausrufe des Entzückens über deu grünen Schimmer, der Bänme und Sträucher
bedeckte, über den feuchten, würzigen Wnldduft, die reizende» Frühlingsblumen
und den Gesang der Vögel. Von der Anhöhe aus hatte man einen Blick nach
den saatbcdecktcn Hügeln, über welche die Straße von Moosdvrf kam. Dort,
auf der Fahrstraße, schlich ein mit schönen Pferden bespannter Jagdwagen
langsam dem Dorfe zu. Der Herr war aufgestiegen und hatte neben dem
Steinkrenze am Wegrande den Sicbenhofer Wald betreten.

Als der Hofmarschall und seine Frau durch den Bestand schritten, blieb
Bohemuud plötzlich stehen: Wer ist denn dort?

Theresens Blick folgte der angegebenen Richtung. Dort in der Lichtung
saß eine weibliche Gestalt in Heller Kleidung auf einem der moosbewachsenen
Steinblöcke unter den Tannen; neben ihr glaubte sie einen Mann zu erkennen.
Ganz richtig, er ruhte im Grase.

Was heißt das? fragte Bohemuud seine Frau. Sie sah ihn ängstlich an.
Er schien erregt und zum Zorne bereit.

Frappante Ähnlichkeit mit einem Rendezvous. Warte du hier; ich werde
mir Gewißheit verschaffen.

Sie hielt ihn zurück. Nicht jetzt, Bvhemund, laß es sein! Urteile nicht
zu rasch! Das arme Mädchen!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/574>, abgerufen am 03.07.2024.