Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
j)orträi, Ge"re und Landschaft eins der Berliner Inbilciums-llunstausstellung.

Freien, die aus Figuren zusammengesetzt ist, welche in ihrer malerischen Durch¬
führung oder gar in ihrem ganzen Habitus um Rubens, van Dyck und Teniers,
Ausstellung bezeichnen für unsre Urteilskraft und unser Messuugsvermögen den
Höhepunkt einer geschichtlichen Entwicklung der Malerei, der nicht mehr über¬
schritten werden kann, ebenso wie die mit unsäglicher Geduld durchgeführten
Feinmalereien von S. Buchbinder, der "Hofnarr" und der Forscher in seinem
Studirzimmer, welche man mit einer Hand bedecken kann, die subtilsten Kabinett¬
stücke eines Don in den Schatten stellen.

Mail könnte nun sagen, daß sich diese Richtung der Genremalerei, einmal
auf dieser Höhe angelangt, gewissermaßen zugleich in einer Sackgasse verrannt
habe, weil auch dem virtuosesten Nachahmer eine Grenze gesteckt ist. Indessen
hat die geistige Beweglichkeit dieser Maler schon bei Zeiten dafür gesorgt, einen
Seitenpfad aufzufinden, welcher, von der Hauptstraße abweichend, wieder auf
ein neues Terrain führt. Claus Meyer hat nicht bloß in den Galerien, sondern
auch an Ort und Stelle studirt. Er hat sich mit den eigentümlichen Licht- und
Luftverhältnissen der Niederlande, mit altertümlichen Jnnenrüumeu, mit antikem
Hausrat vertraut gemacht und sich besonders in den Klöstern der Begnincn
umgesehen. Dein Leben der arbeitsamen Schwestern hat er bereits einige fesselnde
Motive abgewonnen und damit gezeigt, wie sich die überlieferte klassische Technik
eines mit malerischen Anlagen vor vielen andern begnadeten Volkes auf das
Leben der Gegenwart anwenden läßt. Während die belgischen und holländischen
Maler entweder die Affen der Franzosen sind oder sich einem unüberlegten,
instinktiven Naturalismus hingeben, war es einem dentschen Künstler beschieden,
die nationale Überlieferung lebendig zu machen. Damit war wieder ein neuer
Schritt vorwärts gethan, aber er ist nicht der letzte geblieben.

Dasjenige, was an der großen Entdeckung der französischen Maler, deren
Ruhm ihnen unbestritten sein soll, nämlich eine neue, völlig unbefangene Art
des Sehens in freier Natur und im abgeschlossenen Raume einzuführen und
darnach das Gesehene mit gleicher Unbefangenheit darzustellen, was an dieser
Entdeckung wahr, gesund und entwicklungsfähig ist, das ist unsern Malern bei
ihren Studien in Holland und Belgien so recht zum Bewußtsein gekommen.
Wer der erste gewesen ist, der davon Gebrauch gemacht hat, läßt sich nicht
mehr historisch feststellen. Doch weisen verschiedne Spuren ans Fritz von Abbe
hin, der anch auf dem Gebiete der Genremalerei als Reformator aufgetreten
ist. In einer Zeit, da ihm noch die düstere Färbung Muukaesys als sein kolo¬
ristisches Ideal galt, malte er humoristische Genrebilder aus dem holländischen
Leben des siebzehnten Jahrhunderts, die zumeist an Jan Steen, in der breiten,
geistreichen Technik an Frans Hals erinnerten, in der Charakteristik aber noch
feiner und tiefer als Terbvrch, Netscher und Mieris waren. Das "Familien-
kvnzert" und die "Holländische Gaststube" sind Beispiele dieser ersten Bestre¬
bungen Abtes, die in das Jahr 1881 fallen, also dem Auftreten Claus Meyers


j)orträi, Ge»re und Landschaft eins der Berliner Inbilciums-llunstausstellung.

Freien, die aus Figuren zusammengesetzt ist, welche in ihrer malerischen Durch¬
führung oder gar in ihrem ganzen Habitus um Rubens, van Dyck und Teniers,
Ausstellung bezeichnen für unsre Urteilskraft und unser Messuugsvermögen den
Höhepunkt einer geschichtlichen Entwicklung der Malerei, der nicht mehr über¬
schritten werden kann, ebenso wie die mit unsäglicher Geduld durchgeführten
Feinmalereien von S. Buchbinder, der „Hofnarr" und der Forscher in seinem
Studirzimmer, welche man mit einer Hand bedecken kann, die subtilsten Kabinett¬
stücke eines Don in den Schatten stellen.

Mail könnte nun sagen, daß sich diese Richtung der Genremalerei, einmal
auf dieser Höhe angelangt, gewissermaßen zugleich in einer Sackgasse verrannt
habe, weil auch dem virtuosesten Nachahmer eine Grenze gesteckt ist. Indessen
hat die geistige Beweglichkeit dieser Maler schon bei Zeiten dafür gesorgt, einen
Seitenpfad aufzufinden, welcher, von der Hauptstraße abweichend, wieder auf
ein neues Terrain führt. Claus Meyer hat nicht bloß in den Galerien, sondern
auch an Ort und Stelle studirt. Er hat sich mit den eigentümlichen Licht- und
Luftverhältnissen der Niederlande, mit altertümlichen Jnnenrüumeu, mit antikem
Hausrat vertraut gemacht und sich besonders in den Klöstern der Begnincn
umgesehen. Dein Leben der arbeitsamen Schwestern hat er bereits einige fesselnde
Motive abgewonnen und damit gezeigt, wie sich die überlieferte klassische Technik
eines mit malerischen Anlagen vor vielen andern begnadeten Volkes auf das
Leben der Gegenwart anwenden läßt. Während die belgischen und holländischen
Maler entweder die Affen der Franzosen sind oder sich einem unüberlegten,
instinktiven Naturalismus hingeben, war es einem dentschen Künstler beschieden,
die nationale Überlieferung lebendig zu machen. Damit war wieder ein neuer
Schritt vorwärts gethan, aber er ist nicht der letzte geblieben.

Dasjenige, was an der großen Entdeckung der französischen Maler, deren
Ruhm ihnen unbestritten sein soll, nämlich eine neue, völlig unbefangene Art
des Sehens in freier Natur und im abgeschlossenen Raume einzuführen und
darnach das Gesehene mit gleicher Unbefangenheit darzustellen, was an dieser
Entdeckung wahr, gesund und entwicklungsfähig ist, das ist unsern Malern bei
ihren Studien in Holland und Belgien so recht zum Bewußtsein gekommen.
Wer der erste gewesen ist, der davon Gebrauch gemacht hat, läßt sich nicht
mehr historisch feststellen. Doch weisen verschiedne Spuren ans Fritz von Abbe
hin, der anch auf dem Gebiete der Genremalerei als Reformator aufgetreten
ist. In einer Zeit, da ihm noch die düstere Färbung Muukaesys als sein kolo¬
ristisches Ideal galt, malte er humoristische Genrebilder aus dem holländischen
Leben des siebzehnten Jahrhunderts, die zumeist an Jan Steen, in der breiten,
geistreichen Technik an Frans Hals erinnerten, in der Charakteristik aber noch
feiner und tiefer als Terbvrch, Netscher und Mieris waren. Das „Familien-
kvnzert" und die „Holländische Gaststube" sind Beispiele dieser ersten Bestre¬
bungen Abtes, die in das Jahr 1881 fallen, also dem Auftreten Claus Meyers


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0568" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199288"/>
          <fw type="header" place="top"> j)orträi, Ge»re und Landschaft eins der Berliner Inbilciums-llunstausstellung.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1915" prev="#ID_1914"> Freien, die aus Figuren zusammengesetzt ist, welche in ihrer malerischen Durch¬<lb/>
führung oder gar in ihrem ganzen Habitus um Rubens, van Dyck und Teniers,<lb/>
Ausstellung bezeichnen für unsre Urteilskraft und unser Messuugsvermögen den<lb/>
Höhepunkt einer geschichtlichen Entwicklung der Malerei, der nicht mehr über¬<lb/>
schritten werden kann, ebenso wie die mit unsäglicher Geduld durchgeführten<lb/>
Feinmalereien von S. Buchbinder, der &#x201E;Hofnarr" und der Forscher in seinem<lb/>
Studirzimmer, welche man mit einer Hand bedecken kann, die subtilsten Kabinett¬<lb/>
stücke eines Don in den Schatten stellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1916"> Mail könnte nun sagen, daß sich diese Richtung der Genremalerei, einmal<lb/>
auf dieser Höhe angelangt, gewissermaßen zugleich in einer Sackgasse verrannt<lb/>
habe, weil auch dem virtuosesten Nachahmer eine Grenze gesteckt ist. Indessen<lb/>
hat die geistige Beweglichkeit dieser Maler schon bei Zeiten dafür gesorgt, einen<lb/>
Seitenpfad aufzufinden, welcher, von der Hauptstraße abweichend, wieder auf<lb/>
ein neues Terrain führt. Claus Meyer hat nicht bloß in den Galerien, sondern<lb/>
auch an Ort und Stelle studirt. Er hat sich mit den eigentümlichen Licht- und<lb/>
Luftverhältnissen der Niederlande, mit altertümlichen Jnnenrüumeu, mit antikem<lb/>
Hausrat vertraut gemacht und sich besonders in den Klöstern der Begnincn<lb/>
umgesehen. Dein Leben der arbeitsamen Schwestern hat er bereits einige fesselnde<lb/>
Motive abgewonnen und damit gezeigt, wie sich die überlieferte klassische Technik<lb/>
eines mit malerischen Anlagen vor vielen andern begnadeten Volkes auf das<lb/>
Leben der Gegenwart anwenden läßt. Während die belgischen und holländischen<lb/>
Maler entweder die Affen der Franzosen sind oder sich einem unüberlegten,<lb/>
instinktiven Naturalismus hingeben, war es einem dentschen Künstler beschieden,<lb/>
die nationale Überlieferung lebendig zu machen. Damit war wieder ein neuer<lb/>
Schritt vorwärts gethan, aber er ist nicht der letzte geblieben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1917" next="#ID_1918"> Dasjenige, was an der großen Entdeckung der französischen Maler, deren<lb/>
Ruhm ihnen unbestritten sein soll, nämlich eine neue, völlig unbefangene Art<lb/>
des Sehens in freier Natur und im abgeschlossenen Raume einzuführen und<lb/>
darnach das Gesehene mit gleicher Unbefangenheit darzustellen, was an dieser<lb/>
Entdeckung wahr, gesund und entwicklungsfähig ist, das ist unsern Malern bei<lb/>
ihren Studien in Holland und Belgien so recht zum Bewußtsein gekommen.<lb/>
Wer der erste gewesen ist, der davon Gebrauch gemacht hat, läßt sich nicht<lb/>
mehr historisch feststellen. Doch weisen verschiedne Spuren ans Fritz von Abbe<lb/>
hin, der anch auf dem Gebiete der Genremalerei als Reformator aufgetreten<lb/>
ist. In einer Zeit, da ihm noch die düstere Färbung Muukaesys als sein kolo¬<lb/>
ristisches Ideal galt, malte er humoristische Genrebilder aus dem holländischen<lb/>
Leben des siebzehnten Jahrhunderts, die zumeist an Jan Steen, in der breiten,<lb/>
geistreichen Technik an Frans Hals erinnerten, in der Charakteristik aber noch<lb/>
feiner und tiefer als Terbvrch, Netscher und Mieris waren. Das &#x201E;Familien-<lb/>
kvnzert" und die &#x201E;Holländische Gaststube" sind Beispiele dieser ersten Bestre¬<lb/>
bungen Abtes, die in das Jahr 1881 fallen, also dem Auftreten Claus Meyers</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0568] j)orträi, Ge»re und Landschaft eins der Berliner Inbilciums-llunstausstellung. Freien, die aus Figuren zusammengesetzt ist, welche in ihrer malerischen Durch¬ führung oder gar in ihrem ganzen Habitus um Rubens, van Dyck und Teniers, Ausstellung bezeichnen für unsre Urteilskraft und unser Messuugsvermögen den Höhepunkt einer geschichtlichen Entwicklung der Malerei, der nicht mehr über¬ schritten werden kann, ebenso wie die mit unsäglicher Geduld durchgeführten Feinmalereien von S. Buchbinder, der „Hofnarr" und der Forscher in seinem Studirzimmer, welche man mit einer Hand bedecken kann, die subtilsten Kabinett¬ stücke eines Don in den Schatten stellen. Mail könnte nun sagen, daß sich diese Richtung der Genremalerei, einmal auf dieser Höhe angelangt, gewissermaßen zugleich in einer Sackgasse verrannt habe, weil auch dem virtuosesten Nachahmer eine Grenze gesteckt ist. Indessen hat die geistige Beweglichkeit dieser Maler schon bei Zeiten dafür gesorgt, einen Seitenpfad aufzufinden, welcher, von der Hauptstraße abweichend, wieder auf ein neues Terrain führt. Claus Meyer hat nicht bloß in den Galerien, sondern auch an Ort und Stelle studirt. Er hat sich mit den eigentümlichen Licht- und Luftverhältnissen der Niederlande, mit altertümlichen Jnnenrüumeu, mit antikem Hausrat vertraut gemacht und sich besonders in den Klöstern der Begnincn umgesehen. Dein Leben der arbeitsamen Schwestern hat er bereits einige fesselnde Motive abgewonnen und damit gezeigt, wie sich die überlieferte klassische Technik eines mit malerischen Anlagen vor vielen andern begnadeten Volkes auf das Leben der Gegenwart anwenden läßt. Während die belgischen und holländischen Maler entweder die Affen der Franzosen sind oder sich einem unüberlegten, instinktiven Naturalismus hingeben, war es einem dentschen Künstler beschieden, die nationale Überlieferung lebendig zu machen. Damit war wieder ein neuer Schritt vorwärts gethan, aber er ist nicht der letzte geblieben. Dasjenige, was an der großen Entdeckung der französischen Maler, deren Ruhm ihnen unbestritten sein soll, nämlich eine neue, völlig unbefangene Art des Sehens in freier Natur und im abgeschlossenen Raume einzuführen und darnach das Gesehene mit gleicher Unbefangenheit darzustellen, was an dieser Entdeckung wahr, gesund und entwicklungsfähig ist, das ist unsern Malern bei ihren Studien in Holland und Belgien so recht zum Bewußtsein gekommen. Wer der erste gewesen ist, der davon Gebrauch gemacht hat, läßt sich nicht mehr historisch feststellen. Doch weisen verschiedne Spuren ans Fritz von Abbe hin, der anch auf dem Gebiete der Genremalerei als Reformator aufgetreten ist. In einer Zeit, da ihm noch die düstere Färbung Muukaesys als sein kolo¬ ristisches Ideal galt, malte er humoristische Genrebilder aus dem holländischen Leben des siebzehnten Jahrhunderts, die zumeist an Jan Steen, in der breiten, geistreichen Technik an Frans Hals erinnerten, in der Charakteristik aber noch feiner und tiefer als Terbvrch, Netscher und Mieris waren. Das „Familien- kvnzert" und die „Holländische Gaststube" sind Beispiele dieser ersten Bestre¬ bungen Abtes, die in das Jahr 1881 fallen, also dem Auftreten Claus Meyers

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/568
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/568>, abgerufen am 22.07.2024.