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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Porträt, Genre und Landschaft
auf der Berliner Jubiläums-Umiftausstellung.
von Adolf Ro send erg. 2,

le Münchener Schule nimmt, was Energie und Einheitlichkeit der
künstlerischen Bestrebungen betrifft, augenblicklich eine leitende
Stellung in Deutschland ein, wenigstens auf dem Gebiete der
Historien- und Genremalerei. Sie besitzt zwar auch einige Porträt¬
maler von hohem Range -- wir brauchen nur an Franz von
Lenbach und den neuen Direktor der Kunstakademie, F. A. von Kaulbach, zu
erinnern --; aber von einer wirklichen Blüte der Bildnismalerci konnte unter
den bisherigen, erst kürzlich veränderten Negiernugsverhältnissen nicht die Rede
sein. Die Bildnismalerei gedeiht bei den gegenwärtigen Kulturzuständen nur
in der Sonne eines Hofes, eines kunstliebenden oder doch an bedeutenden Per¬
sönlichkeiten reichen Regentenhauses, und dieser belebende Mittelpunkt hat der
Münchener Kunst lange Jahre hindurch gefehlt. Die Zeiten, wo sich eine um¬
fangreiche Thätigkeit in diesem Fache der Kunst unter dem Schutze eines wohl¬
habenden, selbstbewußten und sich selbst regierenden Bürgertums entwickeln
konnte, sind unwiederbringlich vorüber, und eines andern kann uns nicht einmal
der Hinweis auf Paris belehren, weil die französische Porträtmalerei noch
ganz in den Traditionen des Kaiserreiches lebt und überdies fast ausschlie߬
lich auf den Adel und die reichen ^Emporkömmlinge aller Nationen angewiesen
O, welche ihr Geld in dem großen Vergnügungsetablissement an der Seine
verzehren.

Daß sich die Münchener Malerei trotz des drückenden Atys, welcher aus
ihr wie auf der ganzen Stadt lastete, gerade während des letzten Jahrzehnts
so glänzend und vielseitig entwickelt hat, spricht für ihre unverwüstliche Lebens¬
kraft. Im Anfange der siebziger Jahre ging von München eine neue Auf¬
fassung des bäuerlichen Lebens aus. Tirol und Oberbaiern wurde durch
Defregger und Mathias Schmid, denen sich später noch Gahl zugesellte, für
die Kunst gleichsam neu entdeckt. I" Makart und Gabriel Max gewannen die
dekorative Malerei und die Kunst, pshchologische Probleme zu lose", zwei hervor¬
ragende Talente. Dann eröffnete der Anschluß an die deutsche Renaissance der


Porträt, Genre und Landschaft
auf der Berliner Jubiläums-Umiftausstellung.
von Adolf Ro send erg. 2,

le Münchener Schule nimmt, was Energie und Einheitlichkeit der
künstlerischen Bestrebungen betrifft, augenblicklich eine leitende
Stellung in Deutschland ein, wenigstens auf dem Gebiete der
Historien- und Genremalerei. Sie besitzt zwar auch einige Porträt¬
maler von hohem Range — wir brauchen nur an Franz von
Lenbach und den neuen Direktor der Kunstakademie, F. A. von Kaulbach, zu
erinnern —; aber von einer wirklichen Blüte der Bildnismalerci konnte unter
den bisherigen, erst kürzlich veränderten Negiernugsverhältnissen nicht die Rede
sein. Die Bildnismalerei gedeiht bei den gegenwärtigen Kulturzuständen nur
in der Sonne eines Hofes, eines kunstliebenden oder doch an bedeutenden Per¬
sönlichkeiten reichen Regentenhauses, und dieser belebende Mittelpunkt hat der
Münchener Kunst lange Jahre hindurch gefehlt. Die Zeiten, wo sich eine um¬
fangreiche Thätigkeit in diesem Fache der Kunst unter dem Schutze eines wohl¬
habenden, selbstbewußten und sich selbst regierenden Bürgertums entwickeln
konnte, sind unwiederbringlich vorüber, und eines andern kann uns nicht einmal
der Hinweis auf Paris belehren, weil die französische Porträtmalerei noch
ganz in den Traditionen des Kaiserreiches lebt und überdies fast ausschlie߬
lich auf den Adel und die reichen ^Emporkömmlinge aller Nationen angewiesen
O, welche ihr Geld in dem großen Vergnügungsetablissement an der Seine
verzehren.

Daß sich die Münchener Malerei trotz des drückenden Atys, welcher aus
ihr wie auf der ganzen Stadt lastete, gerade während des letzten Jahrzehnts
so glänzend und vielseitig entwickelt hat, spricht für ihre unverwüstliche Lebens¬
kraft. Im Anfange der siebziger Jahre ging von München eine neue Auf¬
fassung des bäuerlichen Lebens aus. Tirol und Oberbaiern wurde durch
Defregger und Mathias Schmid, denen sich später noch Gahl zugesellte, für
die Kunst gleichsam neu entdeckt. I» Makart und Gabriel Max gewannen die
dekorative Malerei und die Kunst, pshchologische Probleme zu lose», zwei hervor¬
ragende Talente. Dann eröffnete der Anschluß an die deutsche Renaissance der


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[0565] Porträt, Genre und Landschaft auf der Berliner Jubiläums-Umiftausstellung. von Adolf Ro send erg. 2, le Münchener Schule nimmt, was Energie und Einheitlichkeit der künstlerischen Bestrebungen betrifft, augenblicklich eine leitende Stellung in Deutschland ein, wenigstens auf dem Gebiete der Historien- und Genremalerei. Sie besitzt zwar auch einige Porträt¬ maler von hohem Range — wir brauchen nur an Franz von Lenbach und den neuen Direktor der Kunstakademie, F. A. von Kaulbach, zu erinnern —; aber von einer wirklichen Blüte der Bildnismalerci konnte unter den bisherigen, erst kürzlich veränderten Negiernugsverhältnissen nicht die Rede sein. Die Bildnismalerei gedeiht bei den gegenwärtigen Kulturzuständen nur in der Sonne eines Hofes, eines kunstliebenden oder doch an bedeutenden Per¬ sönlichkeiten reichen Regentenhauses, und dieser belebende Mittelpunkt hat der Münchener Kunst lange Jahre hindurch gefehlt. Die Zeiten, wo sich eine um¬ fangreiche Thätigkeit in diesem Fache der Kunst unter dem Schutze eines wohl¬ habenden, selbstbewußten und sich selbst regierenden Bürgertums entwickeln konnte, sind unwiederbringlich vorüber, und eines andern kann uns nicht einmal der Hinweis auf Paris belehren, weil die französische Porträtmalerei noch ganz in den Traditionen des Kaiserreiches lebt und überdies fast ausschlie߬ lich auf den Adel und die reichen ^Emporkömmlinge aller Nationen angewiesen O, welche ihr Geld in dem großen Vergnügungsetablissement an der Seine verzehren. Daß sich die Münchener Malerei trotz des drückenden Atys, welcher aus ihr wie auf der ganzen Stadt lastete, gerade während des letzten Jahrzehnts so glänzend und vielseitig entwickelt hat, spricht für ihre unverwüstliche Lebens¬ kraft. Im Anfange der siebziger Jahre ging von München eine neue Auf¬ fassung des bäuerlichen Lebens aus. Tirol und Oberbaiern wurde durch Defregger und Mathias Schmid, denen sich später noch Gahl zugesellte, für die Kunst gleichsam neu entdeckt. I» Makart und Gabriel Max gewannen die dekorative Malerei und die Kunst, pshchologische Probleme zu lose», zwei hervor¬ ragende Talente. Dann eröffnete der Anschluß an die deutsche Renaissance der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/565>, abgerufen am 22.07.2024.