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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshcmsen.

M bion, v'oft trox kort! sagte Mademoiselle ungeduldig, und die Kinder
verstummten.




Vierzehntes Uapitel.

Die Gesellschaft hatte sich in den behaglich durchwärmten Saal begeben.
Es schien dem Gaste wirklich wohl zu Mute, und seine lebhaften Augen er¬
glänzten in kindlicher Fröhlichkeit, als er von den Irrfahrten berichtete, die er
in dem Schneetreiben durchgemacht hatte. Die Siebenhofer baten ihn, sich doch
nicht von neuem dem Unwetter auszusetzen, sondern bei ihnen zu übernachten,
auf welchen Vorschlag der Graf bereitwillig einging.

Warum haben sich unsre jungen Leute zurückgezogen? fragte gutgestimmt
der Hofmarschall.

Ich denke, du solltest sie rufen, Cäcilie. Wir halten es für richtig, lieber
Graf, unsre Hausgenossen so viel als möglich in die Familie zu ziehen, und
haben auch bis jetzt nicht Ursache gehabt, diesen Grundsatz zu bereuen. Nicht
wahr, Therese?

Während diese etwas zum Lobe Mademoiselle Adeliues und des würdigen
Trakelberg erwähnte, ging Cäcilie hinaus, besagte junge Leute herbeizuholen.
Befriedigt gedachte sie der Lichtersparnis, die hierdurch verursacht wurde, rief
aber trotz aller Sparsamkeitsgelüste dem Heinrich zu, des Gastes Zimmer gut
zu durchwärmen.

Um ein Haar wäre ihre rosige Stimmung verflogen, als sie die junge
Französin vor dem Spiegel antraf. Adeline hatte jedoch die Geistesgegenwart,
rasch ein Fleckchen aus dem Glase zu reiben, welch lobenswertes Beginnen von
der ordnungsliebenden Dame anerkannt wurde. So wanderten die beiden im
besten Einvernehmen nach Trcckelbergs Gemach.

Dieser saß gerade in glühender Begeisterung und schrieb mit fliegender
Hand und geröteten Wangen an einer Probepredigt, zu der ein zagender Freund
seine Hilfe erbeten hatte. Doch dM Unglück schreitet schnell. An der Thür
erscholl ein energisches Pochen und gleich darauf raschelte Fräulein Cäciliens
steifes Gewand neben dem Schreibtische. Sie warf einen höhnischen Blick auf
ihren Feind und sagte kurz: Man erwartet Sie im Saale, Herr Trakelberg.

Obwohl nun der Kandidat tief in die Arbeit versunken war, fuhr er doch
beim Klang dieser Stimme auf, als habe ihn die Posaune des Gerichts erweckt.
Wild starrte er in des Fräuleins Gesicht.

Ja ja, hören Sie nur auf! Das ewige Studiren ist Ihnen nur schädlich!
Wenn die Männer abends einen Strickstrumpf in die Hand nähmen, so liefen
nicht so viel junge Leute mit Brillen herum. Glauben Sie mir das.

Herr Trakelberg erhob sich ergeben und dachte an ein gewisses Kapitel im
Jesus-Sirach, welches von des Weibes minder liebenswürdiger Seite spricht.


Aus der Chronik derer von Riffelshcmsen.

M bion, v'oft trox kort! sagte Mademoiselle ungeduldig, und die Kinder
verstummten.




Vierzehntes Uapitel.

Die Gesellschaft hatte sich in den behaglich durchwärmten Saal begeben.
Es schien dem Gaste wirklich wohl zu Mute, und seine lebhaften Augen er¬
glänzten in kindlicher Fröhlichkeit, als er von den Irrfahrten berichtete, die er
in dem Schneetreiben durchgemacht hatte. Die Siebenhofer baten ihn, sich doch
nicht von neuem dem Unwetter auszusetzen, sondern bei ihnen zu übernachten,
auf welchen Vorschlag der Graf bereitwillig einging.

Warum haben sich unsre jungen Leute zurückgezogen? fragte gutgestimmt
der Hofmarschall.

Ich denke, du solltest sie rufen, Cäcilie. Wir halten es für richtig, lieber
Graf, unsre Hausgenossen so viel als möglich in die Familie zu ziehen, und
haben auch bis jetzt nicht Ursache gehabt, diesen Grundsatz zu bereuen. Nicht
wahr, Therese?

Während diese etwas zum Lobe Mademoiselle Adeliues und des würdigen
Trakelberg erwähnte, ging Cäcilie hinaus, besagte junge Leute herbeizuholen.
Befriedigt gedachte sie der Lichtersparnis, die hierdurch verursacht wurde, rief
aber trotz aller Sparsamkeitsgelüste dem Heinrich zu, des Gastes Zimmer gut
zu durchwärmen.

Um ein Haar wäre ihre rosige Stimmung verflogen, als sie die junge
Französin vor dem Spiegel antraf. Adeline hatte jedoch die Geistesgegenwart,
rasch ein Fleckchen aus dem Glase zu reiben, welch lobenswertes Beginnen von
der ordnungsliebenden Dame anerkannt wurde. So wanderten die beiden im
besten Einvernehmen nach Trcckelbergs Gemach.

Dieser saß gerade in glühender Begeisterung und schrieb mit fliegender
Hand und geröteten Wangen an einer Probepredigt, zu der ein zagender Freund
seine Hilfe erbeten hatte. Doch dM Unglück schreitet schnell. An der Thür
erscholl ein energisches Pochen und gleich darauf raschelte Fräulein Cäciliens
steifes Gewand neben dem Schreibtische. Sie warf einen höhnischen Blick auf
ihren Feind und sagte kurz: Man erwartet Sie im Saale, Herr Trakelberg.

Obwohl nun der Kandidat tief in die Arbeit versunken war, fuhr er doch
beim Klang dieser Stimme auf, als habe ihn die Posaune des Gerichts erweckt.
Wild starrte er in des Fräuleins Gesicht.

Ja ja, hören Sie nur auf! Das ewige Studiren ist Ihnen nur schädlich!
Wenn die Männer abends einen Strickstrumpf in die Hand nähmen, so liefen
nicht so viel junge Leute mit Brillen herum. Glauben Sie mir das.

Herr Trakelberg erhob sich ergeben und dachte an ein gewisses Kapitel im
Jesus-Sirach, welches von des Weibes minder liebenswürdiger Seite spricht.


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[0535] Aus der Chronik derer von Riffelshcmsen. M bion, v'oft trox kort! sagte Mademoiselle ungeduldig, und die Kinder verstummten. Vierzehntes Uapitel. Die Gesellschaft hatte sich in den behaglich durchwärmten Saal begeben. Es schien dem Gaste wirklich wohl zu Mute, und seine lebhaften Augen er¬ glänzten in kindlicher Fröhlichkeit, als er von den Irrfahrten berichtete, die er in dem Schneetreiben durchgemacht hatte. Die Siebenhofer baten ihn, sich doch nicht von neuem dem Unwetter auszusetzen, sondern bei ihnen zu übernachten, auf welchen Vorschlag der Graf bereitwillig einging. Warum haben sich unsre jungen Leute zurückgezogen? fragte gutgestimmt der Hofmarschall. Ich denke, du solltest sie rufen, Cäcilie. Wir halten es für richtig, lieber Graf, unsre Hausgenossen so viel als möglich in die Familie zu ziehen, und haben auch bis jetzt nicht Ursache gehabt, diesen Grundsatz zu bereuen. Nicht wahr, Therese? Während diese etwas zum Lobe Mademoiselle Adeliues und des würdigen Trakelberg erwähnte, ging Cäcilie hinaus, besagte junge Leute herbeizuholen. Befriedigt gedachte sie der Lichtersparnis, die hierdurch verursacht wurde, rief aber trotz aller Sparsamkeitsgelüste dem Heinrich zu, des Gastes Zimmer gut zu durchwärmen. Um ein Haar wäre ihre rosige Stimmung verflogen, als sie die junge Französin vor dem Spiegel antraf. Adeline hatte jedoch die Geistesgegenwart, rasch ein Fleckchen aus dem Glase zu reiben, welch lobenswertes Beginnen von der ordnungsliebenden Dame anerkannt wurde. So wanderten die beiden im besten Einvernehmen nach Trcckelbergs Gemach. Dieser saß gerade in glühender Begeisterung und schrieb mit fliegender Hand und geröteten Wangen an einer Probepredigt, zu der ein zagender Freund seine Hilfe erbeten hatte. Doch dM Unglück schreitet schnell. An der Thür erscholl ein energisches Pochen und gleich darauf raschelte Fräulein Cäciliens steifes Gewand neben dem Schreibtische. Sie warf einen höhnischen Blick auf ihren Feind und sagte kurz: Man erwartet Sie im Saale, Herr Trakelberg. Obwohl nun der Kandidat tief in die Arbeit versunken war, fuhr er doch beim Klang dieser Stimme auf, als habe ihn die Posaune des Gerichts erweckt. Wild starrte er in des Fräuleins Gesicht. Ja ja, hören Sie nur auf! Das ewige Studiren ist Ihnen nur schädlich! Wenn die Männer abends einen Strickstrumpf in die Hand nähmen, so liefen nicht so viel junge Leute mit Brillen herum. Glauben Sie mir das. Herr Trakelberg erhob sich ergeben und dachte an ein gewisses Kapitel im Jesus-Sirach, welches von des Weibes minder liebenswürdiger Seite spricht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/535>, abgerufen am 22.07.2024.