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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Lhronik derer von Riffelshausen.

Kein Vorhang herunter, kein Laden zu, ganz öffentlich sitzt er an seinem Schreib¬
tische, wie ich vom Fenster aus deutlich sehen kann. Ich habe vor Ärger gar
nicht mehr geschlafen und nahm mir vor, dem Unwesen zu steuern.

Ich bedaure wirklich sehr.

Ja, das kann mir nichts nützen. Hättest du deinen Informator lieber bei
Zeiten besser gewöhnt!

Man vernahm jetzt das dröhnende Zuschlagen der schweren Hausthür und
bald darauf des Hofmarschalls raschen Schritt auf der Treppe.

Endlich! seufzte Cäcilie, diese langen Konferenzen sind unleidlich. Ich glaubte
wirklich, Klee sei im Hause festgewachsen.

Indessen trat Bohemund ein. Von seiten der Familie erfolgte stillschwei¬
gendes Befragen des Barometers auf seiner Stirn. Die Temperatur war un¬
sicher, zu Stürmen geneigt und Vorsicht geboten.

Sicherlich bist dn recht ermüdet, sagte Therese und befreite rasch einen Sessel
in ihrer Nähe von den darauf liegenden Strickereien.

Der Hofmarschall ließ sich nieder und lehnte sich mit nervösem Gesicht
in den Sessel zurück.

Plötzlich fuhr er auf. Was hast du mit deiner Feder zu kritzeln, dummer
Junge!

Ich war es, Papa, sagte Julie schüchtern.

Das ist mir ganz einerlei, Jungfer Vorlaut. Ich sage dir, Therese, ich
habe mich ärgern müssen, daß mir der Kopf weh thut. Georg und Klee haben
sich ausgedacht, daß wir zusammenlegen müssen. Du verstehst mich doch?

Nicht ganz.

Die Sache ist aber doch so ungemein einfach, daß, wenn du dir nur ein
klein wenig Mühe gabst, an meinen Interessen teilzunehmen, dir das Ver¬
ständnis nicht fehlen könnte. Die Sache ist die: Unser Grund und Boden ist
dermaßen zerstückelt, daß wir eine sechsfache Arbeitskraft anwenden müssen. Da
liegt ein Stück Ackerland von wenig Morgen hinter Rummelshausen, ein andres
weit über dem Gemeindeland nach Ottersleben hin oder nach Moosdorf zu. Da
brauchen ja die Pferde einen halben Tag, um an den Bestimmungsort zu kommen.
Und nun der fortwährende Ärger mit den Bauern! Du lieber Himmel, wer
will mit dem Thüringer Bauern Geschäfte abmachen! Ein Stein ist biegsam
im Vergleich mit ihm!

Ein hübsches Stück Geld wird bei der Sache auch draufgehen, meinte Cäcilie.

Gewiß, doch das rentirt sich bald. Ich denke --

Hier wurde die Saalthür aufgerissen und des Hofmarschalls Diener meldete
mit höfischem Anstande, daß das Abendessen ausgetragen sei.

Herr Trakelberg, der sich jetzt auch nahte, schwankte noch immer in finstern
Zweifeln, ob die Höflichkeit es erheische, daß er neben dem gnädigen Fräulein
hergehe, wenn der Hofmarschall seine Frau zu Tisch führte. Diese Minuten


Aus der Lhronik derer von Riffelshausen.

Kein Vorhang herunter, kein Laden zu, ganz öffentlich sitzt er an seinem Schreib¬
tische, wie ich vom Fenster aus deutlich sehen kann. Ich habe vor Ärger gar
nicht mehr geschlafen und nahm mir vor, dem Unwesen zu steuern.

Ich bedaure wirklich sehr.

Ja, das kann mir nichts nützen. Hättest du deinen Informator lieber bei
Zeiten besser gewöhnt!

Man vernahm jetzt das dröhnende Zuschlagen der schweren Hausthür und
bald darauf des Hofmarschalls raschen Schritt auf der Treppe.

Endlich! seufzte Cäcilie, diese langen Konferenzen sind unleidlich. Ich glaubte
wirklich, Klee sei im Hause festgewachsen.

Indessen trat Bohemund ein. Von seiten der Familie erfolgte stillschwei¬
gendes Befragen des Barometers auf seiner Stirn. Die Temperatur war un¬
sicher, zu Stürmen geneigt und Vorsicht geboten.

Sicherlich bist dn recht ermüdet, sagte Therese und befreite rasch einen Sessel
in ihrer Nähe von den darauf liegenden Strickereien.

Der Hofmarschall ließ sich nieder und lehnte sich mit nervösem Gesicht
in den Sessel zurück.

Plötzlich fuhr er auf. Was hast du mit deiner Feder zu kritzeln, dummer
Junge!

Ich war es, Papa, sagte Julie schüchtern.

Das ist mir ganz einerlei, Jungfer Vorlaut. Ich sage dir, Therese, ich
habe mich ärgern müssen, daß mir der Kopf weh thut. Georg und Klee haben
sich ausgedacht, daß wir zusammenlegen müssen. Du verstehst mich doch?

Nicht ganz.

Die Sache ist aber doch so ungemein einfach, daß, wenn du dir nur ein
klein wenig Mühe gabst, an meinen Interessen teilzunehmen, dir das Ver¬
ständnis nicht fehlen könnte. Die Sache ist die: Unser Grund und Boden ist
dermaßen zerstückelt, daß wir eine sechsfache Arbeitskraft anwenden müssen. Da
liegt ein Stück Ackerland von wenig Morgen hinter Rummelshausen, ein andres
weit über dem Gemeindeland nach Ottersleben hin oder nach Moosdorf zu. Da
brauchen ja die Pferde einen halben Tag, um an den Bestimmungsort zu kommen.
Und nun der fortwährende Ärger mit den Bauern! Du lieber Himmel, wer
will mit dem Thüringer Bauern Geschäfte abmachen! Ein Stein ist biegsam
im Vergleich mit ihm!

Ein hübsches Stück Geld wird bei der Sache auch draufgehen, meinte Cäcilie.

Gewiß, doch das rentirt sich bald. Ich denke —

Hier wurde die Saalthür aufgerissen und des Hofmarschalls Diener meldete
mit höfischem Anstande, daß das Abendessen ausgetragen sei.

Herr Trakelberg, der sich jetzt auch nahte, schwankte noch immer in finstern
Zweifeln, ob die Höflichkeit es erheische, daß er neben dem gnädigen Fräulein
hergehe, wenn der Hofmarschall seine Frau zu Tisch führte. Diese Minuten


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[0533] Aus der Lhronik derer von Riffelshausen. Kein Vorhang herunter, kein Laden zu, ganz öffentlich sitzt er an seinem Schreib¬ tische, wie ich vom Fenster aus deutlich sehen kann. Ich habe vor Ärger gar nicht mehr geschlafen und nahm mir vor, dem Unwesen zu steuern. Ich bedaure wirklich sehr. Ja, das kann mir nichts nützen. Hättest du deinen Informator lieber bei Zeiten besser gewöhnt! Man vernahm jetzt das dröhnende Zuschlagen der schweren Hausthür und bald darauf des Hofmarschalls raschen Schritt auf der Treppe. Endlich! seufzte Cäcilie, diese langen Konferenzen sind unleidlich. Ich glaubte wirklich, Klee sei im Hause festgewachsen. Indessen trat Bohemund ein. Von seiten der Familie erfolgte stillschwei¬ gendes Befragen des Barometers auf seiner Stirn. Die Temperatur war un¬ sicher, zu Stürmen geneigt und Vorsicht geboten. Sicherlich bist dn recht ermüdet, sagte Therese und befreite rasch einen Sessel in ihrer Nähe von den darauf liegenden Strickereien. Der Hofmarschall ließ sich nieder und lehnte sich mit nervösem Gesicht in den Sessel zurück. Plötzlich fuhr er auf. Was hast du mit deiner Feder zu kritzeln, dummer Junge! Ich war es, Papa, sagte Julie schüchtern. Das ist mir ganz einerlei, Jungfer Vorlaut. Ich sage dir, Therese, ich habe mich ärgern müssen, daß mir der Kopf weh thut. Georg und Klee haben sich ausgedacht, daß wir zusammenlegen müssen. Du verstehst mich doch? Nicht ganz. Die Sache ist aber doch so ungemein einfach, daß, wenn du dir nur ein klein wenig Mühe gabst, an meinen Interessen teilzunehmen, dir das Ver¬ ständnis nicht fehlen könnte. Die Sache ist die: Unser Grund und Boden ist dermaßen zerstückelt, daß wir eine sechsfache Arbeitskraft anwenden müssen. Da liegt ein Stück Ackerland von wenig Morgen hinter Rummelshausen, ein andres weit über dem Gemeindeland nach Ottersleben hin oder nach Moosdorf zu. Da brauchen ja die Pferde einen halben Tag, um an den Bestimmungsort zu kommen. Und nun der fortwährende Ärger mit den Bauern! Du lieber Himmel, wer will mit dem Thüringer Bauern Geschäfte abmachen! Ein Stein ist biegsam im Vergleich mit ihm! Ein hübsches Stück Geld wird bei der Sache auch draufgehen, meinte Cäcilie. Gewiß, doch das rentirt sich bald. Ich denke — Hier wurde die Saalthür aufgerissen und des Hofmarschalls Diener meldete mit höfischem Anstande, daß das Abendessen ausgetragen sei. Herr Trakelberg, der sich jetzt auch nahte, schwankte noch immer in finstern Zweifeln, ob die Höflichkeit es erheische, daß er neben dem gnädigen Fräulein hergehe, wenn der Hofmarschall seine Frau zu Tisch führte. Diese Minuten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/533>, abgerufen am 24.08.2024.