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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Gorinanische Altertümer aus den Bauerdörfern Nordungarns.

zu und zeigt in der Mitte der Längsseite die Hausthür, die zunächst in ein
enges Vorhaus, xritvor (ich schreibe nach Gehör), führt, das in eine Art
Rumpelkammer ausläuft. Nach der Straßenseite zu tritt man in die Stube,
die außer einer ringsumlaufenden Bank als hauptsächlich in die Augen fallendes
Möbel einen großen Lehmofen, xso, aufweist, der die eine innere Zimmerecke
ausfüllt und fast den vierten Teil der ganzen Stube einnimmt. An die eine
der zwei freien Seiten des xoo legt sich ein bankähnlicher, etwa zwei Fuß hoher
Absatz, der Herd, ollmÄsv. Hinter dem Herde gähnt das Ofenloch, denn der
xse, wird nicht nach alter deutscher Bauernsittte von außen, von einem ge¬
trennten Herdraume, sondern von der Stube selbst aus geheizt. Darum ist
es aber nicht etwa ein Windofen, denn der xvo besitzt weder Kamin noch
Schornstein: der Rauch muß zum Ofenloch heraus und sehen, wie er gelegentlich
aus Thür und Fenstern ins Freie gelangt, kurz, der xeo, der zugleich den
Backofen vertritt, gehört zu der Gattung der Rauchofen, die es in Deutschland
nie gegeben hat, die aber sowohl in Skandinavien wie in den östlichen Slawen¬
ländern zu Hause sind. Der Herd enthält unter seiner Oberfläche einen Raum
für Brennholz, das xoäollMtsv. Auf der andern Seite der Hausflur sind ein
paar kleine Kämmerchen, KoromA, anscheinend nicht zum Schlafen, über dem
Geschoß der Dachboden, xoval.

Diese Verquickizug des Herdes mit dem Backofen -- so drücke ich mich
wohl am besten aus, wenigstens für die ältere Zeit, denn das Wort xvv vom
Stamme xslc -- backen bezeichnet ursprünglich den Backofen, der dann auch zum
Heizen der Stube gebraucht wurde -- ist für die alte Einrichtung der Polen
und Tschechen, vielleicht noch der Kleinrussen, bezeichnend, aber nur für diese,
denn die andern Slawenstümme kennen sie nicht. Übrigens kommt, wie mir die
Wirtin in Vadinoov mitteilte, in der Gegend von Turvez, wo die Wirtschaften
besser sind, auch die deutsche Art vor, den Ofen von der benachbarten Küche
zu heizen, eine Einrichtung, die überall, wo sie altheimisch ist, dnrch das bei
uns- schon fast märchenhafte Gerät der Ofengabel gekennzeichnet wird, welche
zur Winterszeit, wo man den seu^benofen zum Kochen benutzt, dazu dient, die
Töpfe in dem tiefen Loche zurecht-, herein- und herauszuschieben. Umgekehrt
werden wir den selteneren Fall sehen, daß sich in dem deutschen Dorfe Münich-
wies die slowakische Gewohnheit eingebürgert hat.

Nach Neustädtl zurückgekehrt, hatte ich noch, als ich mich eben aufs Beste
mit einem Paprikarostbraten unterhielt, den Verdruß, von einem Gensdarmen, die
Harmlosigkeit meiner Person beanstandet zu sehen, das zweitemal, daß mir trotz
vieljährigen Umherstreifens in Österreich-Ungarn mein Paß abverlangt worden
ist. Daß ein steirischer Bauer, wenn ich in seinem Hanse herumspionire und ver¬
fängliche Fragen nach der Lage und Einrichtung seiner Stuben und Kammern:e.
stelle, anfängt, für seine Wertpapiere besorgt zu werden, ficht mich nicht mehr
an, wenn aber ein Mann der Sicherheit den Anblick meines Schlapphnts nicht


GrmzboK'N III. 188ö. 64
Gorinanische Altertümer aus den Bauerdörfern Nordungarns.

zu und zeigt in der Mitte der Längsseite die Hausthür, die zunächst in ein
enges Vorhaus, xritvor (ich schreibe nach Gehör), führt, das in eine Art
Rumpelkammer ausläuft. Nach der Straßenseite zu tritt man in die Stube,
die außer einer ringsumlaufenden Bank als hauptsächlich in die Augen fallendes
Möbel einen großen Lehmofen, xso, aufweist, der die eine innere Zimmerecke
ausfüllt und fast den vierten Teil der ganzen Stube einnimmt. An die eine
der zwei freien Seiten des xoo legt sich ein bankähnlicher, etwa zwei Fuß hoher
Absatz, der Herd, ollmÄsv. Hinter dem Herde gähnt das Ofenloch, denn der
xse, wird nicht nach alter deutscher Bauernsittte von außen, von einem ge¬
trennten Herdraume, sondern von der Stube selbst aus geheizt. Darum ist
es aber nicht etwa ein Windofen, denn der xvo besitzt weder Kamin noch
Schornstein: der Rauch muß zum Ofenloch heraus und sehen, wie er gelegentlich
aus Thür und Fenstern ins Freie gelangt, kurz, der xeo, der zugleich den
Backofen vertritt, gehört zu der Gattung der Rauchofen, die es in Deutschland
nie gegeben hat, die aber sowohl in Skandinavien wie in den östlichen Slawen¬
ländern zu Hause sind. Der Herd enthält unter seiner Oberfläche einen Raum
für Brennholz, das xoäollMtsv. Auf der andern Seite der Hausflur sind ein
paar kleine Kämmerchen, KoromA, anscheinend nicht zum Schlafen, über dem
Geschoß der Dachboden, xoval.

Diese Verquickizug des Herdes mit dem Backofen — so drücke ich mich
wohl am besten aus, wenigstens für die ältere Zeit, denn das Wort xvv vom
Stamme xslc — backen bezeichnet ursprünglich den Backofen, der dann auch zum
Heizen der Stube gebraucht wurde — ist für die alte Einrichtung der Polen
und Tschechen, vielleicht noch der Kleinrussen, bezeichnend, aber nur für diese,
denn die andern Slawenstümme kennen sie nicht. Übrigens kommt, wie mir die
Wirtin in Vadinoov mitteilte, in der Gegend von Turvez, wo die Wirtschaften
besser sind, auch die deutsche Art vor, den Ofen von der benachbarten Küche
zu heizen, eine Einrichtung, die überall, wo sie altheimisch ist, dnrch das bei
uns- schon fast märchenhafte Gerät der Ofengabel gekennzeichnet wird, welche
zur Winterszeit, wo man den seu^benofen zum Kochen benutzt, dazu dient, die
Töpfe in dem tiefen Loche zurecht-, herein- und herauszuschieben. Umgekehrt
werden wir den selteneren Fall sehen, daß sich in dem deutschen Dorfe Münich-
wies die slowakische Gewohnheit eingebürgert hat.

Nach Neustädtl zurückgekehrt, hatte ich noch, als ich mich eben aufs Beste
mit einem Paprikarostbraten unterhielt, den Verdruß, von einem Gensdarmen, die
Harmlosigkeit meiner Person beanstandet zu sehen, das zweitemal, daß mir trotz
vieljährigen Umherstreifens in Österreich-Ungarn mein Paß abverlangt worden
ist. Daß ein steirischer Bauer, wenn ich in seinem Hanse herumspionire und ver¬
fängliche Fragen nach der Lage und Einrichtung seiner Stuben und Kammern:e.
stelle, anfängt, für seine Wertpapiere besorgt zu werden, ficht mich nicht mehr
an, wenn aber ein Mann der Sicherheit den Anblick meines Schlapphnts nicht


GrmzboK'N III. 188ö. 64
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/513>, abgerufen am 23.07.2024.