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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

Pächter Englands, eine kapitalkräftige Klasse von Unternehmern, sondern -- na¬
mentlich in Irland -- sind es kleine, armselige Leute, nicht viel besser als
Tagelöhner, die weder die ihnen obliegenden Verbesserungen machen, noch den
gewöhnlichen Schwankungen der Kornpreise widerstehen können.

In Schottland, wo die Arbeiter des Bodens vielleicht mehr den Namen
von Hintersassen als den von Pächtern verdienen, werden dieselben mehr und
mehr der Landwirtschaft entfremdet, weil die Grundherren bei der verhältnis¬
mäßigen Unfruchtbarkeit des Berglandes es in ihrem Interesse finden, die eigent¬
liche Landwirtschaft einzuschränken und Ackerland in Weide und Jagdgründe zu
wandeln, wodurch dann zahlreiche Menschen zu andern Berufsarten, insbesondre
zu der (übrigens sehr wenig lohnenden) Fischerei gedrängt werden, um ein
äußerst kümmerliches Dasein zu fristen.

In Irland -- nun, man kennt ja die dortigen Verhältnisse und die Ver¬
legenheiten, die sie den Politikern Englands bereiten. Diese sogenannten Pächter
zahle" einfach keinen Pacht und wehren sich gegen die Grundherren durch Boy¬
cottiren und heimlichen Mord. Die Not hat eine Höhe erreicht, an welcher
alle Staatsweisheit zu scheitern scheint. Aber auch diese Not hat mit der Land¬
wirtschaft nichts und mit den niedrigen Kornpreisen kaum etwas zu schaffen --
dort sucht kein Engländer den Sitz des Übels, sondern lediglich in der Ver¬
teilung des Grund und Bodens. Kaum ein andres Land scheint so sehr zu
landwirtschaftlichen Gedeihen vorausbestimmt wie Irland. Die außerordentliche
Fruchtbarkeit seines Bodens, das milde Klima, die unmittelbare Nähe Englands,
das in so hohem Maße der Einfuhr vou Getreide bedarf -- dies alles müßte
ein ungewöhnliches Gedeihen der irischen Landwirtschaft begründen. Und doch
ist das ackerbauende Volk ein Volk von Bettlern, die Grundherren sehen ihre
Bodenrenten verdunsten, und Latifundien sind ein wertloser Besitz.

In Irland hat daher die Gesetzgebung zuerst Versuche des Einschreitens
gemacht, die keineswegs ängstlich zu nennen sind. Man ist in den Gesetzen von
1880 dem Monopole der Grundherren sehr herzhaft zu Leibe gegangen; man
hat ihnen die Entscheidung über die Höhe der Pachtsumme genommen, ihr Kün-
diguugsrecht beschränkt und sie genötigt, dem abziehenden Pächter seine Ver-
bessernngsauslagen zu ersetzen. Die Grundherren haben sich diese Eingriffe in
ihr unzweifelhaftes Recht ruhig gefallen lassen, sie lasse" das Rütteln an ihrem
entwerteten Monopol ruhig geschehe" und hoffen, daß der Plan Gladstones,
die irischen Grundherren nach einem erträglichen Maßstabe zu cxprovriiren
(Gladstone sprach von 150 bis 200 Millionen Pfd. Sterl.) über kurz oder lang
zur 'Ausführung kommeu werde. Wenn dem Gladstoneschen Projekte der Ex¬
propriation des Bodens alsdann noch die Bestimmung folgte, daß derselbe nicht
in Privatbesitz zurückkehren dürfte, so wäre die Natioualisirung oder Verstaat¬
lichung des irischen Grund und Bodens fertig und das große Problem wäre
auf verhältnismäßig einfache Weise gelöst.


Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

Pächter Englands, eine kapitalkräftige Klasse von Unternehmern, sondern — na¬
mentlich in Irland — sind es kleine, armselige Leute, nicht viel besser als
Tagelöhner, die weder die ihnen obliegenden Verbesserungen machen, noch den
gewöhnlichen Schwankungen der Kornpreise widerstehen können.

In Schottland, wo die Arbeiter des Bodens vielleicht mehr den Namen
von Hintersassen als den von Pächtern verdienen, werden dieselben mehr und
mehr der Landwirtschaft entfremdet, weil die Grundherren bei der verhältnis¬
mäßigen Unfruchtbarkeit des Berglandes es in ihrem Interesse finden, die eigent¬
liche Landwirtschaft einzuschränken und Ackerland in Weide und Jagdgründe zu
wandeln, wodurch dann zahlreiche Menschen zu andern Berufsarten, insbesondre
zu der (übrigens sehr wenig lohnenden) Fischerei gedrängt werden, um ein
äußerst kümmerliches Dasein zu fristen.

In Irland — nun, man kennt ja die dortigen Verhältnisse und die Ver¬
legenheiten, die sie den Politikern Englands bereiten. Diese sogenannten Pächter
zahle» einfach keinen Pacht und wehren sich gegen die Grundherren durch Boy¬
cottiren und heimlichen Mord. Die Not hat eine Höhe erreicht, an welcher
alle Staatsweisheit zu scheitern scheint. Aber auch diese Not hat mit der Land¬
wirtschaft nichts und mit den niedrigen Kornpreisen kaum etwas zu schaffen —
dort sucht kein Engländer den Sitz des Übels, sondern lediglich in der Ver¬
teilung des Grund und Bodens. Kaum ein andres Land scheint so sehr zu
landwirtschaftlichen Gedeihen vorausbestimmt wie Irland. Die außerordentliche
Fruchtbarkeit seines Bodens, das milde Klima, die unmittelbare Nähe Englands,
das in so hohem Maße der Einfuhr vou Getreide bedarf — dies alles müßte
ein ungewöhnliches Gedeihen der irischen Landwirtschaft begründen. Und doch
ist das ackerbauende Volk ein Volk von Bettlern, die Grundherren sehen ihre
Bodenrenten verdunsten, und Latifundien sind ein wertloser Besitz.

In Irland hat daher die Gesetzgebung zuerst Versuche des Einschreitens
gemacht, die keineswegs ängstlich zu nennen sind. Man ist in den Gesetzen von
1880 dem Monopole der Grundherren sehr herzhaft zu Leibe gegangen; man
hat ihnen die Entscheidung über die Höhe der Pachtsumme genommen, ihr Kün-
diguugsrecht beschränkt und sie genötigt, dem abziehenden Pächter seine Ver-
bessernngsauslagen zu ersetzen. Die Grundherren haben sich diese Eingriffe in
ihr unzweifelhaftes Recht ruhig gefallen lassen, sie lasse» das Rütteln an ihrem
entwerteten Monopol ruhig geschehe» und hoffen, daß der Plan Gladstones,
die irischen Grundherren nach einem erträglichen Maßstabe zu cxprovriiren
(Gladstone sprach von 150 bis 200 Millionen Pfd. Sterl.) über kurz oder lang
zur 'Ausführung kommeu werde. Wenn dem Gladstoneschen Projekte der Ex¬
propriation des Bodens alsdann noch die Bestimmung folgte, daß derselbe nicht
in Privatbesitz zurückkehren dürfte, so wäre die Natioualisirung oder Verstaat¬
lichung des irischen Grund und Bodens fertig und das große Problem wäre
auf verhältnismäßig einfache Weise gelöst.


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[0504] Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen. Pächter Englands, eine kapitalkräftige Klasse von Unternehmern, sondern — na¬ mentlich in Irland — sind es kleine, armselige Leute, nicht viel besser als Tagelöhner, die weder die ihnen obliegenden Verbesserungen machen, noch den gewöhnlichen Schwankungen der Kornpreise widerstehen können. In Schottland, wo die Arbeiter des Bodens vielleicht mehr den Namen von Hintersassen als den von Pächtern verdienen, werden dieselben mehr und mehr der Landwirtschaft entfremdet, weil die Grundherren bei der verhältnis¬ mäßigen Unfruchtbarkeit des Berglandes es in ihrem Interesse finden, die eigent¬ liche Landwirtschaft einzuschränken und Ackerland in Weide und Jagdgründe zu wandeln, wodurch dann zahlreiche Menschen zu andern Berufsarten, insbesondre zu der (übrigens sehr wenig lohnenden) Fischerei gedrängt werden, um ein äußerst kümmerliches Dasein zu fristen. In Irland — nun, man kennt ja die dortigen Verhältnisse und die Ver¬ legenheiten, die sie den Politikern Englands bereiten. Diese sogenannten Pächter zahle» einfach keinen Pacht und wehren sich gegen die Grundherren durch Boy¬ cottiren und heimlichen Mord. Die Not hat eine Höhe erreicht, an welcher alle Staatsweisheit zu scheitern scheint. Aber auch diese Not hat mit der Land¬ wirtschaft nichts und mit den niedrigen Kornpreisen kaum etwas zu schaffen — dort sucht kein Engländer den Sitz des Übels, sondern lediglich in der Ver¬ teilung des Grund und Bodens. Kaum ein andres Land scheint so sehr zu landwirtschaftlichen Gedeihen vorausbestimmt wie Irland. Die außerordentliche Fruchtbarkeit seines Bodens, das milde Klima, die unmittelbare Nähe Englands, das in so hohem Maße der Einfuhr vou Getreide bedarf — dies alles müßte ein ungewöhnliches Gedeihen der irischen Landwirtschaft begründen. Und doch ist das ackerbauende Volk ein Volk von Bettlern, die Grundherren sehen ihre Bodenrenten verdunsten, und Latifundien sind ein wertloser Besitz. In Irland hat daher die Gesetzgebung zuerst Versuche des Einschreitens gemacht, die keineswegs ängstlich zu nennen sind. Man ist in den Gesetzen von 1880 dem Monopole der Grundherren sehr herzhaft zu Leibe gegangen; man hat ihnen die Entscheidung über die Höhe der Pachtsumme genommen, ihr Kün- diguugsrecht beschränkt und sie genötigt, dem abziehenden Pächter seine Ver- bessernngsauslagen zu ersetzen. Die Grundherren haben sich diese Eingriffe in ihr unzweifelhaftes Recht ruhig gefallen lassen, sie lasse» das Rütteln an ihrem entwerteten Monopol ruhig geschehe» und hoffen, daß der Plan Gladstones, die irischen Grundherren nach einem erträglichen Maßstabe zu cxprovriiren (Gladstone sprach von 150 bis 200 Millionen Pfd. Sterl.) über kurz oder lang zur 'Ausführung kommeu werde. Wenn dem Gladstoneschen Projekte der Ex¬ propriation des Bodens alsdann noch die Bestimmung folgte, daß derselbe nicht in Privatbesitz zurückkehren dürfte, so wäre die Natioualisirung oder Verstaat¬ lichung des irischen Grund und Bodens fertig und das große Problem wäre auf verhältnismäßig einfache Weise gelöst.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/504>, abgerufen am 03.07.2024.