Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.Notizen. ging von Cintra nach Lissabon zurück und durchmaß in wilder Unruhe bald Senhor Luis, das geht zu weit, Ihr frevelt wider Gott, indem Ihr mich Stellt Euch das vor, fuhr Camoens unerschüttert fort, und stellt Euch dazu Notizen. Eine verborgene Quelle sozialistischer Ideen. Man fängt neuerdings Notizen. ging von Cintra nach Lissabon zurück und durchmaß in wilder Unruhe bald Senhor Luis, das geht zu weit, Ihr frevelt wider Gott, indem Ihr mich Stellt Euch das vor, fuhr Camoens unerschüttert fort, und stellt Euch dazu Notizen. Eine verborgene Quelle sozialistischer Ideen. Man fängt neuerdings <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198770"/> <fw type="header" place="top"> Notizen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_135" prev="#ID_134"> ging von Cintra nach Lissabon zurück und durchmaß in wilder Unruhe bald<lb/> seine Wasserplätze, bald seine Jagdgründe. Ihr aber, Fray Tcllez, und ich, wir<lb/> wußte», was ihn hielt, ihn zögern ließ! Die flüchtige Begeisterung, welche mein<lb/> Gedicht hie und da im Lande geweckt, verrauchte, an mein Ohr schlugen die<lb/> Zornrufe, ja die Flüche derer, welche im Seezug nach Marokko Portugals<lb/> Untergang sahen. Wußtet Ihr, welche Qualen ich erlitten, was es für Tage<lb/> waren, an denen ich keinen Vorwand fand, der Gräfin Catarina meine Auf¬<lb/> wartung zu machen und doch den König vor ihrer Thür von seinem Roß<lb/> springen sah, was für Nächte, wo ich um das Schloß von Cintrn kreiste, immer<lb/> in der Furcht, ihm zu begegnen, von ihr kommend, zu ihr gehend! Stellt Euch<lb/> vor, Tellez Alucita, daß Ihr um eines, Gott weiß welchen, aber um eines<lb/> Euch heiligen Zweckes willen Eltern Glauben gewechselt oder verleugnet hättet!</p><lb/> <p xml:id="ID_136"> Senhor Luis, das geht zu weit, Ihr frevelt wider Gott, indem Ihr mich<lb/> beleidigt! unterbrach ihn der Jesuit.</p><lb/> <p xml:id="ID_137"> Stellt Euch das vor, fuhr Camoens unerschüttert fort, und stellt Euch dazu<lb/> vor, daß Ihr bangen müßtet, es umsonst gethan zu haben, und dann sagt mir,<lb/> daß Ihr ruhig den Ausgang erwartet haben würdet. Die letzten Tage habe<lb/> ich am stärksten gelitten, ich wähnte, der König müsse einen entscheidenden<lb/> Schritt thu», und Donna Catnriua könne dem Rate und der Obhut ihrer<lb/> mütterlichen Freundin trotzen. Und selbst heute, Fray Tellez, schleichen die<lb/> Stunden. Aufatmen, klar sehen, klar fühlen werde ich erst wieder, wenn der<lb/> König wirklich an Bord, wenn die Flotte hinweg ist! Wollte Gott, es wäre<lb/> schon morgen um diese Stunde! (Fortsetzung folgt.)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Notizen.</head><lb/> <div n="2"> <head> Eine verborgene Quelle sozialistischer Ideen.</head> <p xml:id="ID_138" next="#ID_139"> Man fängt neuerdings<lb/> an zu begreifen, daß, wenn auch des Menschen Gemüt bei der Geburt nicht die<lb/> „unbeschriebene Tafel" des Helvetius ist, doch bei Würdigung dessen, was der<lb/> Mensch denkt und fühlt, dem bloßen „Unterricht" bisher eine zu große, den tau¬<lb/> senderlei Einflüssen aber, die in Haus, Straße und Gemeinde, in Umgangston,<lb/> Umgebung und öffentlichen Erscheinungen, in feststehenden Begriffen, allgemein Ge¬<lb/> wünschten und allgemein Gehaßtem unaufhörlich auf den Menschen einströmen, eine<lb/> viel zu geringe Bedeutung beigemessen worden ist. Unendlich vieles, was be¬<lb/> deutungslos oder doch von geringer Erheblichkeit zu sein scheint, reflektirt sich<lb/> gleichwohl in den geheimnisvollen Quell unsrer Gedankenwelt hinein und kaun<lb/> dort, sei es durch die Häufigkeit seiner Wiederkehr, oder sei es durch den Zu¬<lb/> sammenhang mit einer gewissen, von. einzelnen oder vielen verkannten Antvritüt,<lb/> oder endlich durch die Wahlverwandtschaft mit gewissen, in uus lebendigen oder<lb/> dnrch die Zeitverhältnisse in uns hineingetragenen Ideen, eine gewaltig gestaltende,<lb/> nach Umständen auch umgestaltende oder zerstörende Kraft ausüben. Nichts in der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
Notizen.
ging von Cintra nach Lissabon zurück und durchmaß in wilder Unruhe bald
seine Wasserplätze, bald seine Jagdgründe. Ihr aber, Fray Tcllez, und ich, wir
wußte», was ihn hielt, ihn zögern ließ! Die flüchtige Begeisterung, welche mein
Gedicht hie und da im Lande geweckt, verrauchte, an mein Ohr schlugen die
Zornrufe, ja die Flüche derer, welche im Seezug nach Marokko Portugals
Untergang sahen. Wußtet Ihr, welche Qualen ich erlitten, was es für Tage
waren, an denen ich keinen Vorwand fand, der Gräfin Catarina meine Auf¬
wartung zu machen und doch den König vor ihrer Thür von seinem Roß
springen sah, was für Nächte, wo ich um das Schloß von Cintrn kreiste, immer
in der Furcht, ihm zu begegnen, von ihr kommend, zu ihr gehend! Stellt Euch
vor, Tellez Alucita, daß Ihr um eines, Gott weiß welchen, aber um eines
Euch heiligen Zweckes willen Eltern Glauben gewechselt oder verleugnet hättet!
Senhor Luis, das geht zu weit, Ihr frevelt wider Gott, indem Ihr mich
beleidigt! unterbrach ihn der Jesuit.
Stellt Euch das vor, fuhr Camoens unerschüttert fort, und stellt Euch dazu
vor, daß Ihr bangen müßtet, es umsonst gethan zu haben, und dann sagt mir,
daß Ihr ruhig den Ausgang erwartet haben würdet. Die letzten Tage habe
ich am stärksten gelitten, ich wähnte, der König müsse einen entscheidenden
Schritt thu», und Donna Catnriua könne dem Rate und der Obhut ihrer
mütterlichen Freundin trotzen. Und selbst heute, Fray Tellez, schleichen die
Stunden. Aufatmen, klar sehen, klar fühlen werde ich erst wieder, wenn der
König wirklich an Bord, wenn die Flotte hinweg ist! Wollte Gott, es wäre
schon morgen um diese Stunde! (Fortsetzung folgt.)
Notizen.
Eine verborgene Quelle sozialistischer Ideen. Man fängt neuerdings
an zu begreifen, daß, wenn auch des Menschen Gemüt bei der Geburt nicht die
„unbeschriebene Tafel" des Helvetius ist, doch bei Würdigung dessen, was der
Mensch denkt und fühlt, dem bloßen „Unterricht" bisher eine zu große, den tau¬
senderlei Einflüssen aber, die in Haus, Straße und Gemeinde, in Umgangston,
Umgebung und öffentlichen Erscheinungen, in feststehenden Begriffen, allgemein Ge¬
wünschten und allgemein Gehaßtem unaufhörlich auf den Menschen einströmen, eine
viel zu geringe Bedeutung beigemessen worden ist. Unendlich vieles, was be¬
deutungslos oder doch von geringer Erheblichkeit zu sein scheint, reflektirt sich
gleichwohl in den geheimnisvollen Quell unsrer Gedankenwelt hinein und kaun
dort, sei es durch die Häufigkeit seiner Wiederkehr, oder sei es durch den Zu¬
sammenhang mit einer gewissen, von. einzelnen oder vielen verkannten Antvritüt,
oder endlich durch die Wahlverwandtschaft mit gewissen, in uus lebendigen oder
dnrch die Zeitverhältnisse in uns hineingetragenen Ideen, eine gewaltig gestaltende,
nach Umständen auch umgestaltende oder zerstörende Kraft ausüben. Nichts in der
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