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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

enner arbeitet mit fremdem Kapital, er hat el" Geschäft unternommen, welches
seine Kräfte übersteigt, und er muß daher darauf gefaßt sein, bei ungünstiger
Konjunktur aus dein Geschäfte gar keine Rente zu ziehen, ganz wie ein Kauf¬
mann in ähnlicher Lage.

Denken wir uus, ein Gut im Ankaufspreise von 300000 Mark sei zu
10500 Mark zu verpachten, so trägt es dem Eigentümer 3^/-. Prozent, was
bei einer Vermögeusanlage in Grund und Boden als eine befriedigende Rente
gelten kann. Ist aber der Eigentümer auf den Kaufpreis 200000 Mark schuldig
geblieben und muß er für diese Hypothek 4^ Prozent, also 9000 Mark, zahlen,
so bleiben ihm für die 100000 Mark, die er zum Ankaufe ox proxrüs ver¬
wendet hat, nur 1500 Mark, also nur 1^/z Prozent. Es ist dann verzeihlich,
daß er über schlechte Zeiten klagt, nur darf er die Landwirtschaft nicht für
seinen Notstand verantwortlich machen.

Eine andre Entstehuugsquelle der Belastung ist der Bedarf des Eigen¬
tümers für seinen Lebensunterhalt, wenn derselbe die Gutseinkünfte übersteigt,
sei es, daß bei mäßigen Ansprüchen das Gut nicht groß genug ist, sei es, daß
ungerechtfertigter Luxus oder Unglücksfälle im Privatleben das Defizit veranlaßt
haben. Wenn nun eine solche schwebende Schuld in eine Hypothek auf das
Gut verwandelt wird, so ist dies ganz willkürlich, die Schuld hat mit dem
Gute keinen innern Zusammenhang, sie wird dem Gute nur darum aufgebürdet,
weil der Eigentümer keine andre Mittel hat, sie zu decken, oder weil ihn: diese
Form des Kredits das bequemste Mittel ist. Er muß sich darein fügen, daß
seine Bodenrenke um die Zinscnlast geringer wird, aber er darf für feinen daraus
entstehenden Notstand nicht die Landwirtschaft verantwortlich machen.

Es muß hervorgehoben werden, daß diese beiden Arten hypothekarischer
Verschuldung ihrer Natur nach eine Quelle zunehmender Verarmung sind, daß
die betreffenden Eigentümer -- von besondern Glücksfällen abgesehen -- kaum
eine Hoffnung haben, ihre Lage aus eignen Kräften zu verbessern, und daß
sie daher geneigt sind, frenide Hilfe, d. h. die Hilfe des Staates, in An¬
spruch zu nehmen, zumal wennwie dies häufig der Fall ist -- sie ihre
gedrückte Lage nicht selbst verschuldet, sondern von ihren Vorfahret, überkommen
haben. Es ist aber einleuchtend, daß der Staat nicht berechtigt ist, ihnen aus
allgemeinen Mitteln zu Hilfe zu kommen, denn die Quelle ihres Notstandes
ist rein privater und persönlicher Natur und hat mit der Bewirtschafttiug des
Bodens keinen innern Zusammenhang.

Eine dritte Art von Schulden wird auf Güter aufgenommen zu eigentlich
wirtschaftlichen Zwecken, für Urbarmachung, Trockenlegung, Bewässerung oder
sonstige Verbesserungen oder zur Vermehrung des toten und lebenden Inventars
oder überhaupt des Betriebsfonds. Solche Schulden sind wesentlich pro¬
duktiver Natur, sie erhöhen das Erträgnis des Gutes und können daher auch
aus demselben getilgt werden. Sie drücken nicht auf die Wirtschaft, sie sangen


Grenzboten III. 1886. 62
Die deutsche Landliga und ihre Bestrebungen.

enner arbeitet mit fremdem Kapital, er hat el» Geschäft unternommen, welches
seine Kräfte übersteigt, und er muß daher darauf gefaßt sein, bei ungünstiger
Konjunktur aus dein Geschäfte gar keine Rente zu ziehen, ganz wie ein Kauf¬
mann in ähnlicher Lage.

Denken wir uus, ein Gut im Ankaufspreise von 300000 Mark sei zu
10500 Mark zu verpachten, so trägt es dem Eigentümer 3^/-. Prozent, was
bei einer Vermögeusanlage in Grund und Boden als eine befriedigende Rente
gelten kann. Ist aber der Eigentümer auf den Kaufpreis 200000 Mark schuldig
geblieben und muß er für diese Hypothek 4^ Prozent, also 9000 Mark, zahlen,
so bleiben ihm für die 100000 Mark, die er zum Ankaufe ox proxrüs ver¬
wendet hat, nur 1500 Mark, also nur 1^/z Prozent. Es ist dann verzeihlich,
daß er über schlechte Zeiten klagt, nur darf er die Landwirtschaft nicht für
seinen Notstand verantwortlich machen.

Eine andre Entstehuugsquelle der Belastung ist der Bedarf des Eigen¬
tümers für seinen Lebensunterhalt, wenn derselbe die Gutseinkünfte übersteigt,
sei es, daß bei mäßigen Ansprüchen das Gut nicht groß genug ist, sei es, daß
ungerechtfertigter Luxus oder Unglücksfälle im Privatleben das Defizit veranlaßt
haben. Wenn nun eine solche schwebende Schuld in eine Hypothek auf das
Gut verwandelt wird, so ist dies ganz willkürlich, die Schuld hat mit dem
Gute keinen innern Zusammenhang, sie wird dem Gute nur darum aufgebürdet,
weil der Eigentümer keine andre Mittel hat, sie zu decken, oder weil ihn: diese
Form des Kredits das bequemste Mittel ist. Er muß sich darein fügen, daß
seine Bodenrenke um die Zinscnlast geringer wird, aber er darf für feinen daraus
entstehenden Notstand nicht die Landwirtschaft verantwortlich machen.

Es muß hervorgehoben werden, daß diese beiden Arten hypothekarischer
Verschuldung ihrer Natur nach eine Quelle zunehmender Verarmung sind, daß
die betreffenden Eigentümer — von besondern Glücksfällen abgesehen — kaum
eine Hoffnung haben, ihre Lage aus eignen Kräften zu verbessern, und daß
sie daher geneigt sind, frenide Hilfe, d. h. die Hilfe des Staates, in An¬
spruch zu nehmen, zumal wennwie dies häufig der Fall ist — sie ihre
gedrückte Lage nicht selbst verschuldet, sondern von ihren Vorfahret, überkommen
haben. Es ist aber einleuchtend, daß der Staat nicht berechtigt ist, ihnen aus
allgemeinen Mitteln zu Hilfe zu kommen, denn die Quelle ihres Notstandes
ist rein privater und persönlicher Natur und hat mit der Bewirtschafttiug des
Bodens keinen innern Zusammenhang.

Eine dritte Art von Schulden wird auf Güter aufgenommen zu eigentlich
wirtschaftlichen Zwecken, für Urbarmachung, Trockenlegung, Bewässerung oder
sonstige Verbesserungen oder zur Vermehrung des toten und lebenden Inventars
oder überhaupt des Betriebsfonds. Solche Schulden sind wesentlich pro¬
duktiver Natur, sie erhöhen das Erträgnis des Gutes und können daher auch
aus demselben getilgt werden. Sie drücken nicht auf die Wirtschaft, sie sangen


Grenzboten III. 1886. 62
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/497>, abgerufen am 24.08.2024.