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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Camoens.

Ihr bleibt dciheim, Pedro und Diniz? redete er sie grollend an. Freilich
werdet Ihr lieblicher in Eltern Lauben wohnen, als wir in den Zelten am
Strande von El Arisch. Ich stelle mir vor, daß Eure Schwerter, die Ihr
müßig an der Wand rösten laßt, vor Unmut in den Scheiden zucken.

Der ältere der Bruder Evora richtete sich hoch auf: Eure Majestät, mein
und meines Bruders Schwert haben sich satt an Heidenblut getrunken, als wir
Din in Indien für die Krone von Portugal verteidigten! Wir haben Euch nicht
verhehlt, daß wir einen spanischen Angriff auf das Königreich fürchten, während
der König, die Blüte des Adels und der Jugend fern in Afrika sind. Vielleicht
ist es gut, daß ein paar alte Soldaten zurückbleibe", um die Bauern zu führen,
welche nötigenfalls die Heimat schlitzen müssen.

Dom Sebastian wandte dem kühnen Sprecher mit heftiger Bewegung den
Rücken. Der jüngere der beiden Brüder, denen der junge Herrscher so ent¬
schiede" Ungnade zeigte, errötete tief und sagte so laut, daß ihn alle Umstehenden
hörten und selbst der König ihn noch hätte vernehmen können: Dn sagst die
Wahrheit, Pedro, sich dir Dom Joao an! Aus seinen Augen leuchtet die
Freude, daß wir so weit sind, und ich wette mein Erbgut, daß seine Boten bereits
nach dem Escorial reiten.

Lerne schweigen, Diuiz! entgegnete der ältere Evora. Denen, die darnach
trachten, das Land an Spanien zu überliefern, weckt der Schmerz, welchen wir
darüber empfinden, nur ein Behagen mehr.

Die beiden Brüder tauchten in eine Gruppe unter, in der sich ihre Ge¬
sinnungsgenossen zusamincngcschaart hatten. Der König hatte inzwischen seinen
Blick durch andre Reihen gesandt und ging mit rascherei, Schritten dem Ende
des Saales zu. An einer der Säulen, welche die umlaufende Galerie trugen,
stand Luis Camoens. Sein Gesicht schien wie das des Königs bleicher und
schmäler geworden, sein Auge folgte jeder Bewegung Dom Sebastians, und
doch erbebte er, als der Fürst mit seinem Gefolge dicht vor ihm stehen blieb,
ihn huldvoll grüßte und seine Stimme laut erhob: Sieh da, Luis Camoens,
ich freue mich, auch dir noch einmal danken zu können! Dein großes Werk
hat Wunder gewirkt, mich selbst in meinem Vorsatz gestählt und tausend Zagende
zur Hoffnung bekehrt. Deine Lusiaden kamen zur guten Stunde, Dichter, und
daß du all unsern vergangnen Ruhm dennoch nur als Verheißung des künftigen
größern ansiehst, welcher von morgen ab beginnen soll, das hat wie ein Blitz in
manche trüge Seele geschlagen. Ich habe dir dein Gedicht und den Zuruf, mit
dem du mich und mein Volk zum Kreuzzug wider Afrika aufgemahnt hast, seither
nur karg lohnen können! In den Schatzkammern von Marokko werde ich Mittel
finden, auch deiner zu gedenken, für jetzt lebe Wohl, Camoens, und rüste dich
zu Gesängen, in denen Thaten gefeiert werden, die Gottes und der heiligen
Kirche würdiger sind, als die Fahrt des Vasco da Gama.

Selbst in dem ungewissen Fackellichte mochte der König wahrnehmen, daß Ca-


Camoens.

Ihr bleibt dciheim, Pedro und Diniz? redete er sie grollend an. Freilich
werdet Ihr lieblicher in Eltern Lauben wohnen, als wir in den Zelten am
Strande von El Arisch. Ich stelle mir vor, daß Eure Schwerter, die Ihr
müßig an der Wand rösten laßt, vor Unmut in den Scheiden zucken.

Der ältere der Bruder Evora richtete sich hoch auf: Eure Majestät, mein
und meines Bruders Schwert haben sich satt an Heidenblut getrunken, als wir
Din in Indien für die Krone von Portugal verteidigten! Wir haben Euch nicht
verhehlt, daß wir einen spanischen Angriff auf das Königreich fürchten, während
der König, die Blüte des Adels und der Jugend fern in Afrika sind. Vielleicht
ist es gut, daß ein paar alte Soldaten zurückbleibe», um die Bauern zu führen,
welche nötigenfalls die Heimat schlitzen müssen.

Dom Sebastian wandte dem kühnen Sprecher mit heftiger Bewegung den
Rücken. Der jüngere der beiden Brüder, denen der junge Herrscher so ent¬
schiede» Ungnade zeigte, errötete tief und sagte so laut, daß ihn alle Umstehenden
hörten und selbst der König ihn noch hätte vernehmen können: Dn sagst die
Wahrheit, Pedro, sich dir Dom Joao an! Aus seinen Augen leuchtet die
Freude, daß wir so weit sind, und ich wette mein Erbgut, daß seine Boten bereits
nach dem Escorial reiten.

Lerne schweigen, Diuiz! entgegnete der ältere Evora. Denen, die darnach
trachten, das Land an Spanien zu überliefern, weckt der Schmerz, welchen wir
darüber empfinden, nur ein Behagen mehr.

Die beiden Brüder tauchten in eine Gruppe unter, in der sich ihre Ge¬
sinnungsgenossen zusamincngcschaart hatten. Der König hatte inzwischen seinen
Blick durch andre Reihen gesandt und ging mit rascherei, Schritten dem Ende
des Saales zu. An einer der Säulen, welche die umlaufende Galerie trugen,
stand Luis Camoens. Sein Gesicht schien wie das des Königs bleicher und
schmäler geworden, sein Auge folgte jeder Bewegung Dom Sebastians, und
doch erbebte er, als der Fürst mit seinem Gefolge dicht vor ihm stehen blieb,
ihn huldvoll grüßte und seine Stimme laut erhob: Sieh da, Luis Camoens,
ich freue mich, auch dir noch einmal danken zu können! Dein großes Werk
hat Wunder gewirkt, mich selbst in meinem Vorsatz gestählt und tausend Zagende
zur Hoffnung bekehrt. Deine Lusiaden kamen zur guten Stunde, Dichter, und
daß du all unsern vergangnen Ruhm dennoch nur als Verheißung des künftigen
größern ansiehst, welcher von morgen ab beginnen soll, das hat wie ein Blitz in
manche trüge Seele geschlagen. Ich habe dir dein Gedicht und den Zuruf, mit
dem du mich und mein Volk zum Kreuzzug wider Afrika aufgemahnt hast, seither
nur karg lohnen können! In den Schatzkammern von Marokko werde ich Mittel
finden, auch deiner zu gedenken, für jetzt lebe Wohl, Camoens, und rüste dich
zu Gesängen, in denen Thaten gefeiert werden, die Gottes und der heiligen
Kirche würdiger sind, als die Fahrt des Vasco da Gama.

Selbst in dem ungewissen Fackellichte mochte der König wahrnehmen, daß Ca-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/48>, abgerufen am 22.07.2024.