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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Generalsynode etwas hört, weiß der König alles, was vorgegangen ist, und da
das Ministerium bei uns bekanntlich nicht selbst regiert, sondern der König, so ist
eine Entscheidung des Ministeriums gegen den Willen des Königs in wichtigen
Fragen nicht denkbar. Wenn der König aber einem Widersprüche des Staats-
ministeriums gegen eine evangelische Velleitcit zustimmt, so ist hundert gegen
eins zu wetten, daß das Staatsinteresse dies rechtfertigt.

Gegen diesen allgemeinen Gedanken möchten wir daher nichts einwenden.
Wir haben in der evangelischen Kirche nicht das geringste Interesse, den Staat
zu schädigen und zu schwächen. Ob es aber der Fall sein würde, kann In
eoiuzi'vto das Staatsministerium, das höchste verantwortliche Organ, am besten
beurteilen.

Im einzelnen freilich stecken in dem genannten Artikel 23 und 24 mehrere
Bestimmungen, worin der Kirche unnützer Zwang angethan wird, z. B. in der
staatlichen Mitwirkung bei der Besetzung kirchcnrcgimentlicher Stellen, die in
dein bisherigen Umfange bestehen bleiben soll. Weshalb wir aber auch diese
Paragraphen nicht streichen möchten, liegt in dem andern Umstände, der eben
von den Herren Hanuncrstein-Brück-Stöcker nicht gern erwähnt wird, an der
Konstruktion der Landeskirche selbst. Man frage sich einmal unbefangen, was
damit gewonnen würde, wenn eine Angelegenheit, bei der bisher der Kultus¬
minister zu entscheiden oder doch mitzuwirken hatte, allein von dem evangelischen
Oberkirchen rate oder einem Konsistorium erledigt würde. Diese Behörden werden
vom Könige ernannt, die Geistlichen wie die Juristen. Sie sind nicht von der
Kirche aus in ihre Ämter gekommen, sie fühlen sich als Staatsbeamte, wie die
andern anch. Manche dieser Geistlichen sind ja auch persönlich in der Seel-
sorge mit Hingebung thätig, aber das ist zufällig, ich möchte sagen, es ist eine
pekuniäre Veranlassung dabei. Denn der Staat sucht überall zu spare". Aber
es ist für die Sache keine Besserung, wenn das, was dem Kultusministerium
entzogen wird, an das landesherrliche Kirchenregiment übergeht, selbst wenn der
Dezernent kein Militäroberprediger, sondern ein Seelsorger im vollen Sinne,
z. B. ein Hofprediger oder ein so vorzüglicher Mann wie Gcneralsnperintcndcnt
Hoffmann oder Kögel ist. Konnte man aber, nach und nach, erledigte bisherige
Staatsrechte den Kreis- und Provinzialshnoden n. f. w. übertragen, so wäre
das etwas besseres. Denn in diesen kirchlichen Körperschaften wird sich in einigen
Dezennien gewiß ein spezifisch kirchliches Interesse entwickeln, wie es den
edeln Förderern der Synvdalvcrfassung wie Hermann und Sydow stets vorge¬
schwebt hat.

Für jetzt ist das noch nicht der Fall. Wie die Anwendung der Verfassungs-
formen überhaupt, in verschiednen Sinne gehandhabt, merkwürdig verschiedne
Resultate ergiebt, so ist es hier auch. Seit vielen Jahren geht dnrch unsre
hohen landeskirchlichen Instanzen die Ahnung, es könnte leicht ein Umschwung
an hoher Stelle die Früchte langjähriger gläubiger Bemühungen um die Kirche


Generalsynode etwas hört, weiß der König alles, was vorgegangen ist, und da
das Ministerium bei uns bekanntlich nicht selbst regiert, sondern der König, so ist
eine Entscheidung des Ministeriums gegen den Willen des Königs in wichtigen
Fragen nicht denkbar. Wenn der König aber einem Widersprüche des Staats-
ministeriums gegen eine evangelische Velleitcit zustimmt, so ist hundert gegen
eins zu wetten, daß das Staatsinteresse dies rechtfertigt.

Gegen diesen allgemeinen Gedanken möchten wir daher nichts einwenden.
Wir haben in der evangelischen Kirche nicht das geringste Interesse, den Staat
zu schädigen und zu schwächen. Ob es aber der Fall sein würde, kann In
eoiuzi'vto das Staatsministerium, das höchste verantwortliche Organ, am besten
beurteilen.

Im einzelnen freilich stecken in dem genannten Artikel 23 und 24 mehrere
Bestimmungen, worin der Kirche unnützer Zwang angethan wird, z. B. in der
staatlichen Mitwirkung bei der Besetzung kirchcnrcgimentlicher Stellen, die in
dein bisherigen Umfange bestehen bleiben soll. Weshalb wir aber auch diese
Paragraphen nicht streichen möchten, liegt in dem andern Umstände, der eben
von den Herren Hanuncrstein-Brück-Stöcker nicht gern erwähnt wird, an der
Konstruktion der Landeskirche selbst. Man frage sich einmal unbefangen, was
damit gewonnen würde, wenn eine Angelegenheit, bei der bisher der Kultus¬
minister zu entscheiden oder doch mitzuwirken hatte, allein von dem evangelischen
Oberkirchen rate oder einem Konsistorium erledigt würde. Diese Behörden werden
vom Könige ernannt, die Geistlichen wie die Juristen. Sie sind nicht von der
Kirche aus in ihre Ämter gekommen, sie fühlen sich als Staatsbeamte, wie die
andern anch. Manche dieser Geistlichen sind ja auch persönlich in der Seel-
sorge mit Hingebung thätig, aber das ist zufällig, ich möchte sagen, es ist eine
pekuniäre Veranlassung dabei. Denn der Staat sucht überall zu spare». Aber
es ist für die Sache keine Besserung, wenn das, was dem Kultusministerium
entzogen wird, an das landesherrliche Kirchenregiment übergeht, selbst wenn der
Dezernent kein Militäroberprediger, sondern ein Seelsorger im vollen Sinne,
z. B. ein Hofprediger oder ein so vorzüglicher Mann wie Gcneralsnperintcndcnt
Hoffmann oder Kögel ist. Konnte man aber, nach und nach, erledigte bisherige
Staatsrechte den Kreis- und Provinzialshnoden n. f. w. übertragen, so wäre
das etwas besseres. Denn in diesen kirchlichen Körperschaften wird sich in einigen
Dezennien gewiß ein spezifisch kirchliches Interesse entwickeln, wie es den
edeln Förderern der Synvdalvcrfassung wie Hermann und Sydow stets vorge¬
schwebt hat.

Für jetzt ist das noch nicht der Fall. Wie die Anwendung der Verfassungs-
formen überhaupt, in verschiednen Sinne gehandhabt, merkwürdig verschiedne
Resultate ergiebt, so ist es hier auch. Seit vielen Jahren geht dnrch unsre
hohen landeskirchlichen Instanzen die Ahnung, es könnte leicht ein Umschwung
an hoher Stelle die Früchte langjähriger gläubiger Bemühungen um die Kirche


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[0476] Generalsynode etwas hört, weiß der König alles, was vorgegangen ist, und da das Ministerium bei uns bekanntlich nicht selbst regiert, sondern der König, so ist eine Entscheidung des Ministeriums gegen den Willen des Königs in wichtigen Fragen nicht denkbar. Wenn der König aber einem Widersprüche des Staats- ministeriums gegen eine evangelische Velleitcit zustimmt, so ist hundert gegen eins zu wetten, daß das Staatsinteresse dies rechtfertigt. Gegen diesen allgemeinen Gedanken möchten wir daher nichts einwenden. Wir haben in der evangelischen Kirche nicht das geringste Interesse, den Staat zu schädigen und zu schwächen. Ob es aber der Fall sein würde, kann In eoiuzi'vto das Staatsministerium, das höchste verantwortliche Organ, am besten beurteilen. Im einzelnen freilich stecken in dem genannten Artikel 23 und 24 mehrere Bestimmungen, worin der Kirche unnützer Zwang angethan wird, z. B. in der staatlichen Mitwirkung bei der Besetzung kirchcnrcgimentlicher Stellen, die in dein bisherigen Umfange bestehen bleiben soll. Weshalb wir aber auch diese Paragraphen nicht streichen möchten, liegt in dem andern Umstände, der eben von den Herren Hanuncrstein-Brück-Stöcker nicht gern erwähnt wird, an der Konstruktion der Landeskirche selbst. Man frage sich einmal unbefangen, was damit gewonnen würde, wenn eine Angelegenheit, bei der bisher der Kultus¬ minister zu entscheiden oder doch mitzuwirken hatte, allein von dem evangelischen Oberkirchen rate oder einem Konsistorium erledigt würde. Diese Behörden werden vom Könige ernannt, die Geistlichen wie die Juristen. Sie sind nicht von der Kirche aus in ihre Ämter gekommen, sie fühlen sich als Staatsbeamte, wie die andern anch. Manche dieser Geistlichen sind ja auch persönlich in der Seel- sorge mit Hingebung thätig, aber das ist zufällig, ich möchte sagen, es ist eine pekuniäre Veranlassung dabei. Denn der Staat sucht überall zu spare». Aber es ist für die Sache keine Besserung, wenn das, was dem Kultusministerium entzogen wird, an das landesherrliche Kirchenregiment übergeht, selbst wenn der Dezernent kein Militäroberprediger, sondern ein Seelsorger im vollen Sinne, z. B. ein Hofprediger oder ein so vorzüglicher Mann wie Gcneralsnperintcndcnt Hoffmann oder Kögel ist. Konnte man aber, nach und nach, erledigte bisherige Staatsrechte den Kreis- und Provinzialshnoden n. f. w. übertragen, so wäre das etwas besseres. Denn in diesen kirchlichen Körperschaften wird sich in einigen Dezennien gewiß ein spezifisch kirchliches Interesse entwickeln, wie es den edeln Förderern der Synvdalvcrfassung wie Hermann und Sydow stets vorge¬ schwebt hat. Für jetzt ist das noch nicht der Fall. Wie die Anwendung der Verfassungs- formen überhaupt, in verschiednen Sinne gehandhabt, merkwürdig verschiedne Resultate ergiebt, so ist es hier auch. Seit vielen Jahren geht dnrch unsre hohen landeskirchlichen Instanzen die Ahnung, es könnte leicht ein Umschwung an hoher Stelle die Früchte langjähriger gläubiger Bemühungen um die Kirche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/476>, abgerufen am 22.07.2024.