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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Wallensteins erstes Generalat.

Wien abgeschickt, um den Herzog zu einem raschen, einträchtigen Handeln mit
dem ligistischen General zu ernähren. Der Kaiser wurde unaufhörlich von
Baiern bestürmt, die Liga zu unterstützen. Auf die Bitten des Kaisers erging
sich Wallenstein in allen möglichen Ausflüchten, oder sagte Hilfe zu. ohne sein
Versprechen zu halten. Er entzog sich nicht nur jeder Mitwirkung, sondern
bedrängte auch die Lande der ligistischen Fürsten durch Einquartierungen und
Requisitionen aufs ärgste. Daß die Ligisten in den von ihm besetzten prote¬
stantischen Gegenden Quartiere erhielten, schlug er rundweg ab; sie wurden
genötigt, in Schwaben und Franken zu überwintern. Das ganze Reich mit
Ausnahme von Kursachsen und dem baierischen Kreise war schließlich von den
kaiserlichen Truppen überschwemmt.

Ferner beklagte sich die Liga darüber, daß Wallenstein zahlreiche Soldaten
und Offiziere durch höheren Sold und bessere Verpflegung zu sich herübertönte.
Sein Bestreben ging augenscheinlich darauf hinaus, das Heer der Liga aufzu¬
lösen und sich dadurch zum alleinigen Gebieter zu macheu. "Meine untergebene
Offizier -- schreibt Tilly dem Kurfürsten Maximilian -- haben die Koutributions-
vörtl bei weitem int in Handen, gleichwie die fricdsländischcn, dahero es mich
erfolgt, daß so viel Hundert von dieser zu der friedländischm Armee umgetretcn
und diese Armee dardurch dergestalt an Offizieren diminnirt und geschwächt
worden, daß auch auf ereignete Vcckatur einer Hauptmann- und einer Lcutnant-
schaft die erledigten Stellen fast mit keinen qualifizirten Häuptern wiederumben
ersetzt werden könnten. Dann ich halte gewiß darfür. daß sich nunmehr bei
der friedländischen Armee unter 300 Offizier nit befinden werden, welche sich
von dieser hinüber begeben haben. Dessen ist nun noch kein End, sondern
melden sich uoch fast täglich mehr umb ihre Dimission an ...; darvon lassen
sie sich nun ohne allen Respekt ihres Rehes nit abhalten, schlagen denselbigen
gar in die Schanz, da sie nur fortkommen könnten. Da ich nun also der alten
Offizier und Soldaten, welche mit dreifachem Geld nit wiederumben zu ge¬
winnen, priviert wird, trage ich die Beisorge, es möchten meine künftigen
Jmpresen bei solchem Verlust nit wenig schwer gemacht werden." Ein andermal:
"Weilen von allen nicht über vier Regimenter seind, welche in den Quartieren
etwas haben, die übrigen aber. . mit dem lieben, truckncu Commisbrot sehr
schwerlich versehen werden konnten, stehe ich stark an, mit was for Manier . .
ich die Sachen wird dirigiren künden."

Mit Pappenheim und Auholt verhandelte Wallenstein lauge, ohne daß es
ihm gelang, sie zu sich herüberzuziehen; dagegen entfernte sich Lorenzo del Maestro
eigenmächtig aus der ligistischen Armee, und Oberst Gallas suchte um Entlassung
nach mit der Drohung, daß er, falls sie ihm nicht sofort erteilt würde, sie sich
nehmen werde. So wurde die Disziplin der ligistischen Armee vollständig unter¬
graben. Wallenstein gab nicht nur Gallas, ohne daß dieser den erbetenen Abschied
ans den baierischen Diensten erhalten hatte, ein Regiment, sondern beförderte


Wallensteins erstes Generalat.

Wien abgeschickt, um den Herzog zu einem raschen, einträchtigen Handeln mit
dem ligistischen General zu ernähren. Der Kaiser wurde unaufhörlich von
Baiern bestürmt, die Liga zu unterstützen. Auf die Bitten des Kaisers erging
sich Wallenstein in allen möglichen Ausflüchten, oder sagte Hilfe zu. ohne sein
Versprechen zu halten. Er entzog sich nicht nur jeder Mitwirkung, sondern
bedrängte auch die Lande der ligistischen Fürsten durch Einquartierungen und
Requisitionen aufs ärgste. Daß die Ligisten in den von ihm besetzten prote¬
stantischen Gegenden Quartiere erhielten, schlug er rundweg ab; sie wurden
genötigt, in Schwaben und Franken zu überwintern. Das ganze Reich mit
Ausnahme von Kursachsen und dem baierischen Kreise war schließlich von den
kaiserlichen Truppen überschwemmt.

Ferner beklagte sich die Liga darüber, daß Wallenstein zahlreiche Soldaten
und Offiziere durch höheren Sold und bessere Verpflegung zu sich herübertönte.
Sein Bestreben ging augenscheinlich darauf hinaus, das Heer der Liga aufzu¬
lösen und sich dadurch zum alleinigen Gebieter zu macheu. „Meine untergebene
Offizier — schreibt Tilly dem Kurfürsten Maximilian — haben die Koutributions-
vörtl bei weitem int in Handen, gleichwie die fricdsländischcn, dahero es mich
erfolgt, daß so viel Hundert von dieser zu der friedländischm Armee umgetretcn
und diese Armee dardurch dergestalt an Offizieren diminnirt und geschwächt
worden, daß auch auf ereignete Vcckatur einer Hauptmann- und einer Lcutnant-
schaft die erledigten Stellen fast mit keinen qualifizirten Häuptern wiederumben
ersetzt werden könnten. Dann ich halte gewiß darfür. daß sich nunmehr bei
der friedländischen Armee unter 300 Offizier nit befinden werden, welche sich
von dieser hinüber begeben haben. Dessen ist nun noch kein End, sondern
melden sich uoch fast täglich mehr umb ihre Dimission an ...; darvon lassen
sie sich nun ohne allen Respekt ihres Rehes nit abhalten, schlagen denselbigen
gar in die Schanz, da sie nur fortkommen könnten. Da ich nun also der alten
Offizier und Soldaten, welche mit dreifachem Geld nit wiederumben zu ge¬
winnen, priviert wird, trage ich die Beisorge, es möchten meine künftigen
Jmpresen bei solchem Verlust nit wenig schwer gemacht werden." Ein andermal:
„Weilen von allen nicht über vier Regimenter seind, welche in den Quartieren
etwas haben, die übrigen aber. . mit dem lieben, truckncu Commisbrot sehr
schwerlich versehen werden konnten, stehe ich stark an, mit was for Manier . .
ich die Sachen wird dirigiren künden."

Mit Pappenheim und Auholt verhandelte Wallenstein lauge, ohne daß es
ihm gelang, sie zu sich herüberzuziehen; dagegen entfernte sich Lorenzo del Maestro
eigenmächtig aus der ligistischen Armee, und Oberst Gallas suchte um Entlassung
nach mit der Drohung, daß er, falls sie ihm nicht sofort erteilt würde, sie sich
nehmen werde. So wurde die Disziplin der ligistischen Armee vollständig unter¬
graben. Wallenstein gab nicht nur Gallas, ohne daß dieser den erbetenen Abschied
ans den baierischen Diensten erhalten hatte, ein Regiment, sondern beförderte


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[0469] Wallensteins erstes Generalat. Wien abgeschickt, um den Herzog zu einem raschen, einträchtigen Handeln mit dem ligistischen General zu ernähren. Der Kaiser wurde unaufhörlich von Baiern bestürmt, die Liga zu unterstützen. Auf die Bitten des Kaisers erging sich Wallenstein in allen möglichen Ausflüchten, oder sagte Hilfe zu. ohne sein Versprechen zu halten. Er entzog sich nicht nur jeder Mitwirkung, sondern bedrängte auch die Lande der ligistischen Fürsten durch Einquartierungen und Requisitionen aufs ärgste. Daß die Ligisten in den von ihm besetzten prote¬ stantischen Gegenden Quartiere erhielten, schlug er rundweg ab; sie wurden genötigt, in Schwaben und Franken zu überwintern. Das ganze Reich mit Ausnahme von Kursachsen und dem baierischen Kreise war schließlich von den kaiserlichen Truppen überschwemmt. Ferner beklagte sich die Liga darüber, daß Wallenstein zahlreiche Soldaten und Offiziere durch höheren Sold und bessere Verpflegung zu sich herübertönte. Sein Bestreben ging augenscheinlich darauf hinaus, das Heer der Liga aufzu¬ lösen und sich dadurch zum alleinigen Gebieter zu macheu. „Meine untergebene Offizier — schreibt Tilly dem Kurfürsten Maximilian — haben die Koutributions- vörtl bei weitem int in Handen, gleichwie die fricdsländischcn, dahero es mich erfolgt, daß so viel Hundert von dieser zu der friedländischm Armee umgetretcn und diese Armee dardurch dergestalt an Offizieren diminnirt und geschwächt worden, daß auch auf ereignete Vcckatur einer Hauptmann- und einer Lcutnant- schaft die erledigten Stellen fast mit keinen qualifizirten Häuptern wiederumben ersetzt werden könnten. Dann ich halte gewiß darfür. daß sich nunmehr bei der friedländischen Armee unter 300 Offizier nit befinden werden, welche sich von dieser hinüber begeben haben. Dessen ist nun noch kein End, sondern melden sich uoch fast täglich mehr umb ihre Dimission an ...; darvon lassen sie sich nun ohne allen Respekt ihres Rehes nit abhalten, schlagen denselbigen gar in die Schanz, da sie nur fortkommen könnten. Da ich nun also der alten Offizier und Soldaten, welche mit dreifachem Geld nit wiederumben zu ge¬ winnen, priviert wird, trage ich die Beisorge, es möchten meine künftigen Jmpresen bei solchem Verlust nit wenig schwer gemacht werden." Ein andermal: „Weilen von allen nicht über vier Regimenter seind, welche in den Quartieren etwas haben, die übrigen aber. . mit dem lieben, truckncu Commisbrot sehr schwerlich versehen werden konnten, stehe ich stark an, mit was for Manier . . ich die Sachen wird dirigiren künden." Mit Pappenheim und Auholt verhandelte Wallenstein lauge, ohne daß es ihm gelang, sie zu sich herüberzuziehen; dagegen entfernte sich Lorenzo del Maestro eigenmächtig aus der ligistischen Armee, und Oberst Gallas suchte um Entlassung nach mit der Drohung, daß er, falls sie ihm nicht sofort erteilt würde, sie sich nehmen werde. So wurde die Disziplin der ligistischen Armee vollständig unter¬ graben. Wallenstein gab nicht nur Gallas, ohne daß dieser den erbetenen Abschied ans den baierischen Diensten erhalten hatte, ein Regiment, sondern beförderte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/469>, abgerufen am 23.07.2024.