Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
"Lcnnoöns.

die Nasenflügel zuckte ein Etwas, das er gern verborgen hätte und doch nicht
mehr verbergen konnte. Neben ihm stand Pater Rafael, König Sebastians
Beichtvater, der, in demütiger Haltung, den Worten des Priors lauschte und
dabei einen gelegentlichen Hagelschauer von Vorwürfen über sich ergehen ließ:
Ihr habt Unrecht, Rafael, daß Ihr sagt, der Zuzug tröpfle zu langsam, und
nachzählt, wie viel Hunderte von bewaffneten Dienern die Fidalgos mit sich
führen! Nachdem der große Entschluß einmal gefaßt ist, kommt es nur darauf
an, daß das wohl eingeleitete Unternehmen keine Verzögerung erleidet. Es ist
genug, daß der König bis zur letzte" Stunde seine Streitlüste sich mehren
sieht, daß die kriegerische Glut, in der er steht, sich nicht wieder abkühlt. Ihr
seht den großen Zusammenhang der Dinge nicht! Nehmt ein Beispiel! Wäre
es Euch nachgegangen, so hätte ich im letzten Herbst und um Weihnachten Fray
Tellez für seine unbefugte Einmischung in des Königs Gewissensangelegenheiten
hart gestraft und ihn aus der Reihe der königlichen Kapläne gestrichen. Jetzt
sagt selbst, wer mit dem König nach Afrika gehen sollte, da Ihr es nicht wollt
und könnt! Fray Tellez Alucita ist der rechte Mann, den ich bis zur rechten
Stunde aufgespart habe. Ihr würdet jetzt minder ruhig hier stehen und Euch
für den Feldzug rüsten müssen, wenn ich Eurer zänkischen Laune gewill¬
fahrt hätte!

Wäre es Gottes heiliger Wille gewesen, daß ich die Gefahren des Königs
teilen sollte, so würde ich mich ihm zu fügen gewußt haben, versetzte Pater
Rafael. In seiner Stimme war dabei ein Klang von Zaghaftigkeit, und er ließ
alsbald die gefalteten Hände wieder auseinandergleiten. Dom Joao begnügte
sich, den Gottergebnen mit einem Blicke zu messen, unter welchem die frommen
Falten in Pater Rafaels Gesicht plötzlich schlaff wurden. Ohne ein Wort ließ
ihn Dom Joao stehen und wendete sich dann Senhor Trueba, dem Kämmerling,
entgegen, der aus der Thür zum großen Saale trat, aber wie der Staub auf
seinem Wams und der Schweiß auf seiner Stirn verrieten, von unten und
außen kam. Der Prior hatte ihn zum Hafen gesendet und schritt jetzt mit
deu Worten auf ihn zu: Ihr bleibt lange aus, Senhor, und wußtet doch, daß
wir jeden Augenblick zu Seiner Majestät gerufen werden können.

Hochwürdigster Herr, es ist leichter von der Menschenflut nach dem Hafen
hinab, ja ins Meer hineingespült zu werdeu, als, gegen sie ankämpfend, zurück¬
zukommen! entgegnete Trueba verdrießlich. Versucht es, rascher wider den Strom
zu schwimmen! Halb Lissabon drängt sich um deu Hafen, und der Himmel weiß,
wie viel tausend Landleute dcizn! Die Einschiffung geht langsam von statten,
die Anstalten scheinen vielfach ungeschickt, die Kreuzfahrer, welche nach Sonnen¬
untergang ankommen, werden wohl ihr Nachtlager auf dem Straßenpflaster
nehmen müssen. Ein Durcheinander, wie das am Hafen, habe ich noch nicht
gesehen --

Und wie ist die Stimmung im Volke? Kriegerisch gehoben, siegesfreudig?


«Lcnnoöns.

die Nasenflügel zuckte ein Etwas, das er gern verborgen hätte und doch nicht
mehr verbergen konnte. Neben ihm stand Pater Rafael, König Sebastians
Beichtvater, der, in demütiger Haltung, den Worten des Priors lauschte und
dabei einen gelegentlichen Hagelschauer von Vorwürfen über sich ergehen ließ:
Ihr habt Unrecht, Rafael, daß Ihr sagt, der Zuzug tröpfle zu langsam, und
nachzählt, wie viel Hunderte von bewaffneten Dienern die Fidalgos mit sich
führen! Nachdem der große Entschluß einmal gefaßt ist, kommt es nur darauf
an, daß das wohl eingeleitete Unternehmen keine Verzögerung erleidet. Es ist
genug, daß der König bis zur letzte« Stunde seine Streitlüste sich mehren
sieht, daß die kriegerische Glut, in der er steht, sich nicht wieder abkühlt. Ihr
seht den großen Zusammenhang der Dinge nicht! Nehmt ein Beispiel! Wäre
es Euch nachgegangen, so hätte ich im letzten Herbst und um Weihnachten Fray
Tellez für seine unbefugte Einmischung in des Königs Gewissensangelegenheiten
hart gestraft und ihn aus der Reihe der königlichen Kapläne gestrichen. Jetzt
sagt selbst, wer mit dem König nach Afrika gehen sollte, da Ihr es nicht wollt
und könnt! Fray Tellez Alucita ist der rechte Mann, den ich bis zur rechten
Stunde aufgespart habe. Ihr würdet jetzt minder ruhig hier stehen und Euch
für den Feldzug rüsten müssen, wenn ich Eurer zänkischen Laune gewill¬
fahrt hätte!

Wäre es Gottes heiliger Wille gewesen, daß ich die Gefahren des Königs
teilen sollte, so würde ich mich ihm zu fügen gewußt haben, versetzte Pater
Rafael. In seiner Stimme war dabei ein Klang von Zaghaftigkeit, und er ließ
alsbald die gefalteten Hände wieder auseinandergleiten. Dom Joao begnügte
sich, den Gottergebnen mit einem Blicke zu messen, unter welchem die frommen
Falten in Pater Rafaels Gesicht plötzlich schlaff wurden. Ohne ein Wort ließ
ihn Dom Joao stehen und wendete sich dann Senhor Trueba, dem Kämmerling,
entgegen, der aus der Thür zum großen Saale trat, aber wie der Staub auf
seinem Wams und der Schweiß auf seiner Stirn verrieten, von unten und
außen kam. Der Prior hatte ihn zum Hafen gesendet und schritt jetzt mit
deu Worten auf ihn zu: Ihr bleibt lange aus, Senhor, und wußtet doch, daß
wir jeden Augenblick zu Seiner Majestät gerufen werden können.

Hochwürdigster Herr, es ist leichter von der Menschenflut nach dem Hafen
hinab, ja ins Meer hineingespült zu werdeu, als, gegen sie ankämpfend, zurück¬
zukommen! entgegnete Trueba verdrießlich. Versucht es, rascher wider den Strom
zu schwimmen! Halb Lissabon drängt sich um deu Hafen, und der Himmel weiß,
wie viel tausend Landleute dcizn! Die Einschiffung geht langsam von statten,
die Anstalten scheinen vielfach ungeschickt, die Kreuzfahrer, welche nach Sonnen¬
untergang ankommen, werden wohl ihr Nachtlager auf dem Straßenpflaster
nehmen müssen. Ein Durcheinander, wie das am Hafen, habe ich noch nicht
gesehen —

Und wie ist die Stimmung im Volke? Kriegerisch gehoben, siegesfreudig?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0045" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198765"/>
          <fw type="header" place="top"> «Lcnnoöns.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_111" prev="#ID_110"> die Nasenflügel zuckte ein Etwas, das er gern verborgen hätte und doch nicht<lb/>
mehr verbergen konnte. Neben ihm stand Pater Rafael, König Sebastians<lb/>
Beichtvater, der, in demütiger Haltung, den Worten des Priors lauschte und<lb/>
dabei einen gelegentlichen Hagelschauer von Vorwürfen über sich ergehen ließ:<lb/>
Ihr habt Unrecht, Rafael, daß Ihr sagt, der Zuzug tröpfle zu langsam, und<lb/>
nachzählt, wie viel Hunderte von bewaffneten Dienern die Fidalgos mit sich<lb/>
führen! Nachdem der große Entschluß einmal gefaßt ist, kommt es nur darauf<lb/>
an, daß das wohl eingeleitete Unternehmen keine Verzögerung erleidet. Es ist<lb/>
genug, daß der König bis zur letzte« Stunde seine Streitlüste sich mehren<lb/>
sieht, daß die kriegerische Glut, in der er steht, sich nicht wieder abkühlt. Ihr<lb/>
seht den großen Zusammenhang der Dinge nicht! Nehmt ein Beispiel! Wäre<lb/>
es Euch nachgegangen, so hätte ich im letzten Herbst und um Weihnachten Fray<lb/>
Tellez für seine unbefugte Einmischung in des Königs Gewissensangelegenheiten<lb/>
hart gestraft und ihn aus der Reihe der königlichen Kapläne gestrichen. Jetzt<lb/>
sagt selbst, wer mit dem König nach Afrika gehen sollte, da Ihr es nicht wollt<lb/>
und könnt! Fray Tellez Alucita ist der rechte Mann, den ich bis zur rechten<lb/>
Stunde aufgespart habe. Ihr würdet jetzt minder ruhig hier stehen und Euch<lb/>
für den Feldzug rüsten müssen, wenn ich Eurer zänkischen Laune gewill¬<lb/>
fahrt hätte!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_112"> Wäre es Gottes heiliger Wille gewesen, daß ich die Gefahren des Königs<lb/>
teilen sollte, so würde ich mich ihm zu fügen gewußt haben, versetzte Pater<lb/>
Rafael. In seiner Stimme war dabei ein Klang von Zaghaftigkeit, und er ließ<lb/>
alsbald die gefalteten Hände wieder auseinandergleiten. Dom Joao begnügte<lb/>
sich, den Gottergebnen mit einem Blicke zu messen, unter welchem die frommen<lb/>
Falten in Pater Rafaels Gesicht plötzlich schlaff wurden. Ohne ein Wort ließ<lb/>
ihn Dom Joao stehen und wendete sich dann Senhor Trueba, dem Kämmerling,<lb/>
entgegen, der aus der Thür zum großen Saale trat, aber wie der Staub auf<lb/>
seinem Wams und der Schweiß auf seiner Stirn verrieten, von unten und<lb/>
außen kam. Der Prior hatte ihn zum Hafen gesendet und schritt jetzt mit<lb/>
deu Worten auf ihn zu: Ihr bleibt lange aus, Senhor, und wußtet doch, daß<lb/>
wir jeden Augenblick zu Seiner Majestät gerufen werden können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_113"> Hochwürdigster Herr, es ist leichter von der Menschenflut nach dem Hafen<lb/>
hinab, ja ins Meer hineingespült zu werdeu, als, gegen sie ankämpfend, zurück¬<lb/>
zukommen! entgegnete Trueba verdrießlich. Versucht es, rascher wider den Strom<lb/>
zu schwimmen! Halb Lissabon drängt sich um deu Hafen, und der Himmel weiß,<lb/>
wie viel tausend Landleute dcizn! Die Einschiffung geht langsam von statten,<lb/>
die Anstalten scheinen vielfach ungeschickt, die Kreuzfahrer, welche nach Sonnen¬<lb/>
untergang ankommen, werden wohl ihr Nachtlager auf dem Straßenpflaster<lb/>
nehmen müssen. Ein Durcheinander, wie das am Hafen, habe ich noch nicht<lb/>
gesehen &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_114"> Und wie ist die Stimmung im Volke? Kriegerisch gehoben, siegesfreudig?</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0045] «Lcnnoöns. die Nasenflügel zuckte ein Etwas, das er gern verborgen hätte und doch nicht mehr verbergen konnte. Neben ihm stand Pater Rafael, König Sebastians Beichtvater, der, in demütiger Haltung, den Worten des Priors lauschte und dabei einen gelegentlichen Hagelschauer von Vorwürfen über sich ergehen ließ: Ihr habt Unrecht, Rafael, daß Ihr sagt, der Zuzug tröpfle zu langsam, und nachzählt, wie viel Hunderte von bewaffneten Dienern die Fidalgos mit sich führen! Nachdem der große Entschluß einmal gefaßt ist, kommt es nur darauf an, daß das wohl eingeleitete Unternehmen keine Verzögerung erleidet. Es ist genug, daß der König bis zur letzte« Stunde seine Streitlüste sich mehren sieht, daß die kriegerische Glut, in der er steht, sich nicht wieder abkühlt. Ihr seht den großen Zusammenhang der Dinge nicht! Nehmt ein Beispiel! Wäre es Euch nachgegangen, so hätte ich im letzten Herbst und um Weihnachten Fray Tellez für seine unbefugte Einmischung in des Königs Gewissensangelegenheiten hart gestraft und ihn aus der Reihe der königlichen Kapläne gestrichen. Jetzt sagt selbst, wer mit dem König nach Afrika gehen sollte, da Ihr es nicht wollt und könnt! Fray Tellez Alucita ist der rechte Mann, den ich bis zur rechten Stunde aufgespart habe. Ihr würdet jetzt minder ruhig hier stehen und Euch für den Feldzug rüsten müssen, wenn ich Eurer zänkischen Laune gewill¬ fahrt hätte! Wäre es Gottes heiliger Wille gewesen, daß ich die Gefahren des Königs teilen sollte, so würde ich mich ihm zu fügen gewußt haben, versetzte Pater Rafael. In seiner Stimme war dabei ein Klang von Zaghaftigkeit, und er ließ alsbald die gefalteten Hände wieder auseinandergleiten. Dom Joao begnügte sich, den Gottergebnen mit einem Blicke zu messen, unter welchem die frommen Falten in Pater Rafaels Gesicht plötzlich schlaff wurden. Ohne ein Wort ließ ihn Dom Joao stehen und wendete sich dann Senhor Trueba, dem Kämmerling, entgegen, der aus der Thür zum großen Saale trat, aber wie der Staub auf seinem Wams und der Schweiß auf seiner Stirn verrieten, von unten und außen kam. Der Prior hatte ihn zum Hafen gesendet und schritt jetzt mit deu Worten auf ihn zu: Ihr bleibt lange aus, Senhor, und wußtet doch, daß wir jeden Augenblick zu Seiner Majestät gerufen werden können. Hochwürdigster Herr, es ist leichter von der Menschenflut nach dem Hafen hinab, ja ins Meer hineingespült zu werdeu, als, gegen sie ankämpfend, zurück¬ zukommen! entgegnete Trueba verdrießlich. Versucht es, rascher wider den Strom zu schwimmen! Halb Lissabon drängt sich um deu Hafen, und der Himmel weiß, wie viel tausend Landleute dcizn! Die Einschiffung geht langsam von statten, die Anstalten scheinen vielfach ungeschickt, die Kreuzfahrer, welche nach Sonnen¬ untergang ankommen, werden wohl ihr Nachtlager auf dem Straßenpflaster nehmen müssen. Ein Durcheinander, wie das am Hafen, habe ich noch nicht gesehen — Und wie ist die Stimmung im Volke? Kriegerisch gehoben, siegesfreudig?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/45
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/45>, abgerufen am 22.07.2024.