Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.Lin zukünftiger Kriegsschauplatz. durch enges und festes Bündnis zum Kampfe mit Rußland vereinigt vor. Die Annahme, daß die Russen sich nicht innerhalb der Grenzen des ehe¬ Lin zukünftiger Kriegsschauplatz. durch enges und festes Bündnis zum Kampfe mit Rußland vereinigt vor. Die Annahme, daß die Russen sich nicht innerhalb der Grenzen des ehe¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0446" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199166"/> <fw type="header" place="top"> Lin zukünftiger Kriegsschauplatz.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1428" prev="#ID_1427"> durch enges und festes Bündnis zum Kampfe mit Rußland vereinigt vor.<lb/> Diese Voraussetzung ist notwendig zur Überwindung des Zarenreiches, wenn<lb/> es einem von beiden Verbündeten den Krieg erklärt. Die Mitwirkung der<lb/> Armee unsrer Nachbarn und Freunde an der Donau gewährt dem deutschen<lb/> Heere eiuen beträchtlichen Zuwachs an Kraft. Ebenso hoch aber an Wert ist<lb/> die Thatsache anzuschlagen, daß die galizischen Grenzlande eine Lage haben,<lb/> die zum Stoß auf die Flanke der Russen geradezu herausfordert, und daß der<lb/> östlichste Punkt jener Lande nahe bei der Stelle liegt, wo das eigentliche Nu߬<lb/> land beginnt. Der Kriegszweck auf der Seite der Alliirten ist wie bei jedem<lb/> Kriege zunächst Niederwerfung des Gegners, dann ein Dauer versprechender<lb/> Friede. Als Operationsobjekt kann also anfangs nur die feindliche Armee ins<lb/> Auge gefaßt werden. Erst nach deren Überwindung sind ein weiteres Vor¬<lb/> dringen im feindlichen Lande, eine Besetzung desselben und seiner Hauptstadt und<lb/> dergleichen Maßregeln mehr ausführbar. Die russische Armee ist bei ihrem<lb/> Ausmarsche in dem westlichen Grenzgebiete an ganz bestimmte Rayons gebunden.<lb/> Da sie dort aufgesucht und zum Kampfe gezwungen werden muß, so werden sich<lb/> bald nach Beginn der Feindseligkeiten die Operationsfelder oder Kriegsschauplatze<lb/> im engeren Sinne abgrenzen: der lithauische, am unteren Njemen, der polnische,<lb/> zwischen Weichsel und Bug, und der volhyuischc, am oberen Bug und Styr.<lb/> Schwerlich werden auf allen dreien gleiche Kräfte eingesetzt werden. Eins wird<lb/> vielmehr sehr wahrscheinlich die Hauptmassen auf seinem Boden gegen einander<lb/> operiren sehen, und die andern beiden nur Manöver und Kämpfe von unter¬<lb/> geordneter Bedeutung aufzuweisen haben. Ist es gelungen, die russische Haupt¬<lb/> macht zu fassen und zum Schlagen zu zwingen, so müssen die eisernen Würfel<lb/> entscheiden. Vom Ausfalle dieses Tages oder dieser Tage — denn wie bei Metz<lb/> kann das Ringen eine halbe Woche währen — hängt alles Weitere ab.</p><lb/> <p xml:id="ID_1429" next="#ID_1430"> Die Annahme, daß die Russen sich nicht innerhalb der Grenzen des ehe¬<lb/> maligen Polens zur Schlacht stellen, sondern nach dem Innern des Reiches ab-<lb/> marschiren und die Angreifer nach sich zu ziehen versuchen würden, erscheint dem<lb/> Verfasser unsrer Schrift als unbegründet. Er sagt hier: „Die sogenannte skythische<lb/> Kriegführung von 1812 war ein derartiges Zeugnis politischer und militärischer<lb/> Schwäche und hat dem Lande so beispiellose Opfer gekostet, daß eine Wieder¬<lb/> holung dieses kläglichen Verfahrens ein Verbrechen wäre. Rußland ist in¬<lb/> zwischen zu sehr erstarkt und zum Bewußtsein seiner Leistungsfähigkeit gelangt,<lb/> als daß es sich von vornherein ein solches Armutszeugnis ausstellen sollte. Als<lb/> positiver Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung dient neuerdings die Be¬<lb/> festigung von Warschau und Kowno sowie die Verstärkung von Jwangoroo und<lb/> Rooo-Georgiewsk durch zahlreiche Außenforts. Die großen Summen, die man<lb/> für diese Festungsbauten ausgegeben hat, hätten keinen Sinn, wenn man nicht<lb/> die Absicht vor Augen gehabt hätte, unter den Wällen derselben das Hauptheer<lb/> zusammenzuziehen und sich dieser Plätze als Deckung der Front oder der Flanke</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0446]
Lin zukünftiger Kriegsschauplatz.
durch enges und festes Bündnis zum Kampfe mit Rußland vereinigt vor.
Diese Voraussetzung ist notwendig zur Überwindung des Zarenreiches, wenn
es einem von beiden Verbündeten den Krieg erklärt. Die Mitwirkung der
Armee unsrer Nachbarn und Freunde an der Donau gewährt dem deutschen
Heere eiuen beträchtlichen Zuwachs an Kraft. Ebenso hoch aber an Wert ist
die Thatsache anzuschlagen, daß die galizischen Grenzlande eine Lage haben,
die zum Stoß auf die Flanke der Russen geradezu herausfordert, und daß der
östlichste Punkt jener Lande nahe bei der Stelle liegt, wo das eigentliche Nu߬
land beginnt. Der Kriegszweck auf der Seite der Alliirten ist wie bei jedem
Kriege zunächst Niederwerfung des Gegners, dann ein Dauer versprechender
Friede. Als Operationsobjekt kann also anfangs nur die feindliche Armee ins
Auge gefaßt werden. Erst nach deren Überwindung sind ein weiteres Vor¬
dringen im feindlichen Lande, eine Besetzung desselben und seiner Hauptstadt und
dergleichen Maßregeln mehr ausführbar. Die russische Armee ist bei ihrem
Ausmarsche in dem westlichen Grenzgebiete an ganz bestimmte Rayons gebunden.
Da sie dort aufgesucht und zum Kampfe gezwungen werden muß, so werden sich
bald nach Beginn der Feindseligkeiten die Operationsfelder oder Kriegsschauplatze
im engeren Sinne abgrenzen: der lithauische, am unteren Njemen, der polnische,
zwischen Weichsel und Bug, und der volhyuischc, am oberen Bug und Styr.
Schwerlich werden auf allen dreien gleiche Kräfte eingesetzt werden. Eins wird
vielmehr sehr wahrscheinlich die Hauptmassen auf seinem Boden gegen einander
operiren sehen, und die andern beiden nur Manöver und Kämpfe von unter¬
geordneter Bedeutung aufzuweisen haben. Ist es gelungen, die russische Haupt¬
macht zu fassen und zum Schlagen zu zwingen, so müssen die eisernen Würfel
entscheiden. Vom Ausfalle dieses Tages oder dieser Tage — denn wie bei Metz
kann das Ringen eine halbe Woche währen — hängt alles Weitere ab.
Die Annahme, daß die Russen sich nicht innerhalb der Grenzen des ehe¬
maligen Polens zur Schlacht stellen, sondern nach dem Innern des Reiches ab-
marschiren und die Angreifer nach sich zu ziehen versuchen würden, erscheint dem
Verfasser unsrer Schrift als unbegründet. Er sagt hier: „Die sogenannte skythische
Kriegführung von 1812 war ein derartiges Zeugnis politischer und militärischer
Schwäche und hat dem Lande so beispiellose Opfer gekostet, daß eine Wieder¬
holung dieses kläglichen Verfahrens ein Verbrechen wäre. Rußland ist in¬
zwischen zu sehr erstarkt und zum Bewußtsein seiner Leistungsfähigkeit gelangt,
als daß es sich von vornherein ein solches Armutszeugnis ausstellen sollte. Als
positiver Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung dient neuerdings die Be¬
festigung von Warschau und Kowno sowie die Verstärkung von Jwangoroo und
Rooo-Georgiewsk durch zahlreiche Außenforts. Die großen Summen, die man
für diese Festungsbauten ausgegeben hat, hätten keinen Sinn, wenn man nicht
die Absicht vor Augen gehabt hätte, unter den Wällen derselben das Hauptheer
zusammenzuziehen und sich dieser Plätze als Deckung der Front oder der Flanke
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