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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshauscn.

blauen Kittel und struppigen Haar. Dieser schickte sich an. die Pferde aufzu¬
spannen, wobei er die Weise vom "guten Heinrich" in bemerkenswert volks¬
tümlicher Umsetzung vor sich hinpfiff.

Indessen trat Dusele mit den Siebcnhofern in den Hausflur, der sein spär¬
liches Licht durch eine Thiir in der Rückseite des Hauses bezog. Der mit gran
und weißen Saudsteinplatten belegte Flur war niedrig für seine Ausdehnung,
ein Eindruck, der durch mächtige Querbalken unter der Decke verstärkt wurde.

Lassen Sie uns unter bleiben, sagte Georg, als der Oberförster sich einer
schmalen Treppe zuwandte; ehe ich mein Leben den unsichtbaren Schrecknissen
dieses lichtlosen Aufganges anvertraue, kcimpire ich lieber im Flur.

Hihi, sibi! kicherte der Herr des Hauses, das könnte doch etwas unbequem
sein, Verehrtester Freund; aber wir wollen sehen, wir wollen sehen, ob die Jung¬
frau Karoline

Mit diesen Worten öffnete er eine Seitenthür und auf die Schwelle trat
eine kleine grau gekleidete Dame, deren glatte Scheitel, blendend weißes Hals¬
tuch und sonstige Akkuratesse den Eindruck eines geleckten Kätzchens machten.
Diese kleine Dame nickte den Ankömmlingen herzlich zu und lächelte ungemein
freundlich. Fräulein Dusele zog Therese sanft in das durchwärmte Zimmer,
beeilte sich, ihr Hut und Mantel abzunehmen, und schob ihr einen behaglichen
alten Sessel hin.

Mein lieber Baron! meine gute, liebe Fran Hofmarschallin! sagte die Dame
Karoline. Wie sehr freue ich mich, Sie zu sehen! Sie sind gewiß ganz er¬
froren, ja wahrhaftig, die Händchen sind kalt wie Eis. Sie haben nicht gut
für Ihre Frau Schwägerin gesorgt, Baron Georg!

Als er auf diesen scherzenden Vorwurf nichts erwiederte, sah die kleine Dame
sich aufmerksam nach ihm um. Er stützte sich mit beiden Händen auf den Krück¬
stock und starrte düster vor sich hin.

Der Oberförster rieb sich kichernd die roten Hände. Schaffe uns vor allem
ein wenig der leiblichen Nahrung, verehrteste Schwester, und einen belebenden
Trank, Linchen, du Bienchen, mein fleißiges Hühnchen. Siehst du denn nicht,
du Hausfrauchen, du Mausgrauchen, daß unsre werten Gäste danach verlangen
und beugen, innere Wärme zu empfangen?

Therese bat um die Vergünstigung, dem "Mausgrauchen" in die Küche
folgen zu dürfen.

In der saubern und spiegelblanken Küche hantirte die Magd Rosamunde;
wurde aber, als die Damen eintraten, von ihrer Herrin fortgeschickt. Fräulein
Dusele rückte dem Gaste einen Küchenschcmel vor das Herdfeuer, das lustig


Aus der Chronik derer von Riffelshauscn.

blauen Kittel und struppigen Haar. Dieser schickte sich an. die Pferde aufzu¬
spannen, wobei er die Weise vom „guten Heinrich" in bemerkenswert volks¬
tümlicher Umsetzung vor sich hinpfiff.

Indessen trat Dusele mit den Siebcnhofern in den Hausflur, der sein spär¬
liches Licht durch eine Thiir in der Rückseite des Hauses bezog. Der mit gran
und weißen Saudsteinplatten belegte Flur war niedrig für seine Ausdehnung,
ein Eindruck, der durch mächtige Querbalken unter der Decke verstärkt wurde.

Lassen Sie uns unter bleiben, sagte Georg, als der Oberförster sich einer
schmalen Treppe zuwandte; ehe ich mein Leben den unsichtbaren Schrecknissen
dieses lichtlosen Aufganges anvertraue, kcimpire ich lieber im Flur.

Hihi, sibi! kicherte der Herr des Hauses, das könnte doch etwas unbequem
sein, Verehrtester Freund; aber wir wollen sehen, wir wollen sehen, ob die Jung¬
frau Karoline

Mit diesen Worten öffnete er eine Seitenthür und auf die Schwelle trat
eine kleine grau gekleidete Dame, deren glatte Scheitel, blendend weißes Hals¬
tuch und sonstige Akkuratesse den Eindruck eines geleckten Kätzchens machten.
Diese kleine Dame nickte den Ankömmlingen herzlich zu und lächelte ungemein
freundlich. Fräulein Dusele zog Therese sanft in das durchwärmte Zimmer,
beeilte sich, ihr Hut und Mantel abzunehmen, und schob ihr einen behaglichen
alten Sessel hin.

Mein lieber Baron! meine gute, liebe Fran Hofmarschallin! sagte die Dame
Karoline. Wie sehr freue ich mich, Sie zu sehen! Sie sind gewiß ganz er¬
froren, ja wahrhaftig, die Händchen sind kalt wie Eis. Sie haben nicht gut
für Ihre Frau Schwägerin gesorgt, Baron Georg!

Als er auf diesen scherzenden Vorwurf nichts erwiederte, sah die kleine Dame
sich aufmerksam nach ihm um. Er stützte sich mit beiden Händen auf den Krück¬
stock und starrte düster vor sich hin.

Der Oberförster rieb sich kichernd die roten Hände. Schaffe uns vor allem
ein wenig der leiblichen Nahrung, verehrteste Schwester, und einen belebenden
Trank, Linchen, du Bienchen, mein fleißiges Hühnchen. Siehst du denn nicht,
du Hausfrauchen, du Mausgrauchen, daß unsre werten Gäste danach verlangen
und beugen, innere Wärme zu empfangen?

Therese bat um die Vergünstigung, dem „Mausgrauchen" in die Küche
folgen zu dürfen.

In der saubern und spiegelblanken Küche hantirte die Magd Rosamunde;
wurde aber, als die Damen eintraten, von ihrer Herrin fortgeschickt. Fräulein
Dusele rückte dem Gaste einen Küchenschcmel vor das Herdfeuer, das lustig


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[0436] Aus der Chronik derer von Riffelshauscn. blauen Kittel und struppigen Haar. Dieser schickte sich an. die Pferde aufzu¬ spannen, wobei er die Weise vom „guten Heinrich" in bemerkenswert volks¬ tümlicher Umsetzung vor sich hinpfiff. Indessen trat Dusele mit den Siebcnhofern in den Hausflur, der sein spär¬ liches Licht durch eine Thiir in der Rückseite des Hauses bezog. Der mit gran und weißen Saudsteinplatten belegte Flur war niedrig für seine Ausdehnung, ein Eindruck, der durch mächtige Querbalken unter der Decke verstärkt wurde. Lassen Sie uns unter bleiben, sagte Georg, als der Oberförster sich einer schmalen Treppe zuwandte; ehe ich mein Leben den unsichtbaren Schrecknissen dieses lichtlosen Aufganges anvertraue, kcimpire ich lieber im Flur. Hihi, sibi! kicherte der Herr des Hauses, das könnte doch etwas unbequem sein, Verehrtester Freund; aber wir wollen sehen, wir wollen sehen, ob die Jung¬ frau Karoline Mit diesen Worten öffnete er eine Seitenthür und auf die Schwelle trat eine kleine grau gekleidete Dame, deren glatte Scheitel, blendend weißes Hals¬ tuch und sonstige Akkuratesse den Eindruck eines geleckten Kätzchens machten. Diese kleine Dame nickte den Ankömmlingen herzlich zu und lächelte ungemein freundlich. Fräulein Dusele zog Therese sanft in das durchwärmte Zimmer, beeilte sich, ihr Hut und Mantel abzunehmen, und schob ihr einen behaglichen alten Sessel hin. Mein lieber Baron! meine gute, liebe Fran Hofmarschallin! sagte die Dame Karoline. Wie sehr freue ich mich, Sie zu sehen! Sie sind gewiß ganz er¬ froren, ja wahrhaftig, die Händchen sind kalt wie Eis. Sie haben nicht gut für Ihre Frau Schwägerin gesorgt, Baron Georg! Als er auf diesen scherzenden Vorwurf nichts erwiederte, sah die kleine Dame sich aufmerksam nach ihm um. Er stützte sich mit beiden Händen auf den Krück¬ stock und starrte düster vor sich hin. Der Oberförster rieb sich kichernd die roten Hände. Schaffe uns vor allem ein wenig der leiblichen Nahrung, verehrteste Schwester, und einen belebenden Trank, Linchen, du Bienchen, mein fleißiges Hühnchen. Siehst du denn nicht, du Hausfrauchen, du Mausgrauchen, daß unsre werten Gäste danach verlangen und beugen, innere Wärme zu empfangen? Therese bat um die Vergünstigung, dem „Mausgrauchen" in die Küche folgen zu dürfen. In der saubern und spiegelblanken Küche hantirte die Magd Rosamunde; wurde aber, als die Damen eintraten, von ihrer Herrin fortgeschickt. Fräulein Dusele rückte dem Gaste einen Küchenschcmel vor das Herdfeuer, das lustig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/436>, abgerufen am 03.07.2024.