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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Aaiserwahl vom Jahre ^51.9 und Karls V. Anfänge.

Völker mochte er der allgebietende Kaiser sein; für die Niederländer "war er
ein guter Gesell, ein froher Lebemann, ein Wesen von Fleisch und Blut, ein
Flamländcr in der vollen Bedeutung des Wortes.") Es versteht sich von selbst,
daß die gute Meinung, welche man im "burgundischen Kreise" von Karl V.
hatte, auch ins Reich herüberdrang und ihm hier den Weg bereitete.

Ungeheuer freilich war der Kreis von Aufgaben und Interessen, welcher
des jungen Monarchen wartete. Alle deutschen Besitzungen des Hauses Habs¬
burg, alle Lande der spanischen Kronen, das Königreich Neapel waren sein; am
Charfreitcig des Jahres 1519, gerade als Karl um die Kaiserkrone rang, als
die Hildesheimer den Petershagen stürmten, landete Hernando Cortez mit seinen
siebenhundert Mann am dürren Strande von Vera Cruz in Mexiko und schickte
sich an, das Aztekenreich des Königs Moctheuzoma zu erobern; den Eingebornen
graute vor den fremdartigen Menschen mit ihren schnellen Rossen, ihren "Werk¬
zeugen, die Blitz und Donner trugen," ihren strahlenden Helmen und bunten
Waffenkleidern; die Azteken gedachten der alten Sage, "daß der wohlthätige Luft-
gcist Quetzalcoatl, der die Menschen im Gebrauch der Metalle, des Landbaues
und der Regierungskunst unterwiesen habe, dann aber vor dem Neide der obern
Götter auf einem aus Schlangenhäuten gefertigten Zauberschiffe über das große
Weltmeer nach dem Fabellande Tlapallcm entflohen sei, dereinst mit seinen Nach¬
kommen wiederkehren und über das Volk herrschen werde: er sollte eine hohe
Gestalt, weiße Haut, langes, dunkles Haar und einen herabwallenden Bart ge¬
habt haben." Moctheuzoma, von den Spaniern Montezuma genannt, ward
bis ins Mark erschüttert, als die Botschaft kam, daß Männer, auf welche die
Züge der Sage paßten, auf "bewimpelten Wasscrhäusern" mit schneeweißen Segeln
gelandet seien; die kriegerische Energie der Azteken erlahmte bei dem Gedanken,
daß sie mit übermenschlichen Wesen zu thun hätten; als sie sich nach Jahr und
Tag zu verzweifeltem Widerstande aufrafften, erlangten sie nur eine" Aufschub
ihres Unterganges; ihn abzuwenden war es zu spät. Von Tag zu Tag ward
es mehr zur Wahrheit, was Sepulveda I, 38 mit Stolz schreibt: "Mau kam
fast bis zu den Antichthonen (--^ Antipoden), und viele Inseln und ein andres
Festland, in welchem große, aber ungebildete und barbarische Nationen Hausen,
wurden in die Gewalt des Königs von Kastilien gebracht; eine große Menge von
Gold und Silber ward aufgehäuft und wird noch täglich aufgehäuft, da unsre
Flotten nicht aufhören, über den Ozean hin und her zu fahren, dem sie sich
schon ganz vertraut gemacht haben ("mora ig-ur sibi tsrs totum kÄinilmröin, rocl-
äiävruut)."

Die Mannhaftigkeit der beherrschten Länder brachte dem jungen Könige
freilich ebensoviel Not als Macht. Gleich zu Anfang seiner Regierung hatten



*) De Reiffenberg, I^ttrss "ur 1" vio iatoriours Ap 1'owxororir OdMos-pikirt, vvritos
pu- 0. v-in AÄo, 1848, S, XXXVII f.
Die Aaiserwahl vom Jahre ^51.9 und Karls V. Anfänge.

Völker mochte er der allgebietende Kaiser sein; für die Niederländer „war er
ein guter Gesell, ein froher Lebemann, ein Wesen von Fleisch und Blut, ein
Flamländcr in der vollen Bedeutung des Wortes.") Es versteht sich von selbst,
daß die gute Meinung, welche man im „burgundischen Kreise" von Karl V.
hatte, auch ins Reich herüberdrang und ihm hier den Weg bereitete.

Ungeheuer freilich war der Kreis von Aufgaben und Interessen, welcher
des jungen Monarchen wartete. Alle deutschen Besitzungen des Hauses Habs¬
burg, alle Lande der spanischen Kronen, das Königreich Neapel waren sein; am
Charfreitcig des Jahres 1519, gerade als Karl um die Kaiserkrone rang, als
die Hildesheimer den Petershagen stürmten, landete Hernando Cortez mit seinen
siebenhundert Mann am dürren Strande von Vera Cruz in Mexiko und schickte
sich an, das Aztekenreich des Königs Moctheuzoma zu erobern; den Eingebornen
graute vor den fremdartigen Menschen mit ihren schnellen Rossen, ihren „Werk¬
zeugen, die Blitz und Donner trugen," ihren strahlenden Helmen und bunten
Waffenkleidern; die Azteken gedachten der alten Sage, „daß der wohlthätige Luft-
gcist Quetzalcoatl, der die Menschen im Gebrauch der Metalle, des Landbaues
und der Regierungskunst unterwiesen habe, dann aber vor dem Neide der obern
Götter auf einem aus Schlangenhäuten gefertigten Zauberschiffe über das große
Weltmeer nach dem Fabellande Tlapallcm entflohen sei, dereinst mit seinen Nach¬
kommen wiederkehren und über das Volk herrschen werde: er sollte eine hohe
Gestalt, weiße Haut, langes, dunkles Haar und einen herabwallenden Bart ge¬
habt haben." Moctheuzoma, von den Spaniern Montezuma genannt, ward
bis ins Mark erschüttert, als die Botschaft kam, daß Männer, auf welche die
Züge der Sage paßten, auf „bewimpelten Wasscrhäusern" mit schneeweißen Segeln
gelandet seien; die kriegerische Energie der Azteken erlahmte bei dem Gedanken,
daß sie mit übermenschlichen Wesen zu thun hätten; als sie sich nach Jahr und
Tag zu verzweifeltem Widerstande aufrafften, erlangten sie nur eine» Aufschub
ihres Unterganges; ihn abzuwenden war es zu spät. Von Tag zu Tag ward
es mehr zur Wahrheit, was Sepulveda I, 38 mit Stolz schreibt: „Mau kam
fast bis zu den Antichthonen (--^ Antipoden), und viele Inseln und ein andres
Festland, in welchem große, aber ungebildete und barbarische Nationen Hausen,
wurden in die Gewalt des Königs von Kastilien gebracht; eine große Menge von
Gold und Silber ward aufgehäuft und wird noch täglich aufgehäuft, da unsre
Flotten nicht aufhören, über den Ozean hin und her zu fahren, dem sie sich
schon ganz vertraut gemacht haben («mora ig-ur sibi tsrs totum kÄinilmröin, rocl-
äiävruut)."

Die Mannhaftigkeit der beherrschten Länder brachte dem jungen Könige
freilich ebensoviel Not als Macht. Gleich zu Anfang seiner Regierung hatten



*) De Reiffenberg, I^ttrss «ur 1» vio iatoriours Ap 1'owxororir OdMos-pikirt, vvritos
pu- 0. v-in AÄo, 1848, S, XXXVII f.
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[0422] Die Aaiserwahl vom Jahre ^51.9 und Karls V. Anfänge. Völker mochte er der allgebietende Kaiser sein; für die Niederländer „war er ein guter Gesell, ein froher Lebemann, ein Wesen von Fleisch und Blut, ein Flamländcr in der vollen Bedeutung des Wortes.") Es versteht sich von selbst, daß die gute Meinung, welche man im „burgundischen Kreise" von Karl V. hatte, auch ins Reich herüberdrang und ihm hier den Weg bereitete. Ungeheuer freilich war der Kreis von Aufgaben und Interessen, welcher des jungen Monarchen wartete. Alle deutschen Besitzungen des Hauses Habs¬ burg, alle Lande der spanischen Kronen, das Königreich Neapel waren sein; am Charfreitcig des Jahres 1519, gerade als Karl um die Kaiserkrone rang, als die Hildesheimer den Petershagen stürmten, landete Hernando Cortez mit seinen siebenhundert Mann am dürren Strande von Vera Cruz in Mexiko und schickte sich an, das Aztekenreich des Königs Moctheuzoma zu erobern; den Eingebornen graute vor den fremdartigen Menschen mit ihren schnellen Rossen, ihren „Werk¬ zeugen, die Blitz und Donner trugen," ihren strahlenden Helmen und bunten Waffenkleidern; die Azteken gedachten der alten Sage, „daß der wohlthätige Luft- gcist Quetzalcoatl, der die Menschen im Gebrauch der Metalle, des Landbaues und der Regierungskunst unterwiesen habe, dann aber vor dem Neide der obern Götter auf einem aus Schlangenhäuten gefertigten Zauberschiffe über das große Weltmeer nach dem Fabellande Tlapallcm entflohen sei, dereinst mit seinen Nach¬ kommen wiederkehren und über das Volk herrschen werde: er sollte eine hohe Gestalt, weiße Haut, langes, dunkles Haar und einen herabwallenden Bart ge¬ habt haben." Moctheuzoma, von den Spaniern Montezuma genannt, ward bis ins Mark erschüttert, als die Botschaft kam, daß Männer, auf welche die Züge der Sage paßten, auf „bewimpelten Wasscrhäusern" mit schneeweißen Segeln gelandet seien; die kriegerische Energie der Azteken erlahmte bei dem Gedanken, daß sie mit übermenschlichen Wesen zu thun hätten; als sie sich nach Jahr und Tag zu verzweifeltem Widerstande aufrafften, erlangten sie nur eine» Aufschub ihres Unterganges; ihn abzuwenden war es zu spät. Von Tag zu Tag ward es mehr zur Wahrheit, was Sepulveda I, 38 mit Stolz schreibt: „Mau kam fast bis zu den Antichthonen (--^ Antipoden), und viele Inseln und ein andres Festland, in welchem große, aber ungebildete und barbarische Nationen Hausen, wurden in die Gewalt des Königs von Kastilien gebracht; eine große Menge von Gold und Silber ward aufgehäuft und wird noch täglich aufgehäuft, da unsre Flotten nicht aufhören, über den Ozean hin und her zu fahren, dem sie sich schon ganz vertraut gemacht haben («mora ig-ur sibi tsrs totum kÄinilmröin, rocl- äiävruut)." Die Mannhaftigkeit der beherrschten Länder brachte dem jungen Könige freilich ebensoviel Not als Macht. Gleich zu Anfang seiner Regierung hatten *) De Reiffenberg, I^ttrss «ur 1» vio iatoriours Ap 1'owxororir OdMos-pikirt, vvritos pu- 0. v-in AÄo, 1848, S, XXXVII f.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/422>, abgerufen am 22.07.2024.