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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Frankreich die Bewohner der Neuhebriden zur Auswanderung nach Neukaledonien
zu zwingen beabsichtigte. Das hieße sie zu Sklaven machen und zwar ohne
Not; denn jetzt können sie durch Agenten auf dem Wege freier Vereinbarung
zu Arbeiten für die Franzosen von Neukaledonien gewonnen werden, ganz ebenso
wie die Deutschen und die Engländer auf den Jnseln des Stillen Meeres diese
Kanälen für die Arbeit in ihren Niederlassungen anwerben. Den Engländern
und Australiern mißfällt jenes Projekt ganz besonders. Alles, was uuter den
Nassen ans den Ncnhebridcn geschehen ist, um denselben Christentum und Ge¬
sittung beizubringen, ist von Australien ausgegangen, und mit tiefstem Unmut
denkt man hier daran, daß dies ganz unzweifelhaft rückgängig gemacht werden
würde, wenn man die französischen Verbrecher und die eingebornen Christen
zwangsweise mit einander verschmölze. Die Inseln betreiben hauptsächlich
Handel mit Australien, welches ihnen auch Missionäre mit allerhand Bil-
dungsmitteln zugesandt und darauf viel Geld verwendet hat Allein für den
Ban von Kirchen und die Erhaltung derselben und ihrer Geistlichen sind über
160 000 Pfd. Sterl. ausgegeben worden, und man hat nach der Auffassung
der Missionsfreunde wertvolle Erfolge damit erzielt. Pastor Paton, einer der
ältesten Sendboten des Evangeliums in jenen fernen Meeren, berichtet: "Durch
Gottes Segen und unsre ausdauernde Arbeit sind zehn von den hier geredeten
Sprachen in schriftliche Form gebracht worden, und andre vier sind nach dieser
Richtung hin in Augriff genommen. Die Bibel ist in zehn verschiedne Idiome
übersetzt und gedruckt und wird jetzt von Leuten gelesen, die einst Menschenfresser
waren. Achttausend Eingeborne bekennen sich zum Christentum, in jeder christlichen
Familie findet morgens und abends Hausandacht statt, und alles nimmt "utar
dem segensreichen Lichte und der Kraft des Evangeliums rasch andre und bessere
Gestalt an. Leben und Eigentum siud auf deu fünfzehn Inseln, auf denen
jetzt Missionäre wirken, vollkommen und auf der ganzen Gruppe vergleichsweise
sicher. Wir behaupten uicht, daß diese frühere Okkupation derselben uns Eng¬
ländern das Recht verleiht, die Inseln unserm Reiche einzuverleiben, England
kann ruhig zusehen, wie die Kanälen sich ihrer alten Unabhängigkeit weiter er¬
freuen, aber es liegt für alle, welche das Vorgehen der Franzosen beobachtet
haben, auf der Hemd, daß unter dem Regimente unsrer Nachbarn in Neu-
kaledonien keine protestantische Mission auf den Neuhebriden sicher sein würde."
Es sieht sehr sonderbar aus, ist aber Thatsache, daß, während man zu Hause
Mönche und Nonnen aus Spitälern und Schulen verjagt, Kapellen schließt
und Bischöfen Beleidigungen zufügt, hier draußen französische Beamte ganz un-
gescheut als Gönner der katholischen Missionen auftreten, weil sie Pfadfinder
und Bahnbrecher der französische!, Flagge sind. Derselbe Politiker, der bei den
Republikanern in Frankreich sofort um allen Einfluß kommen würde, wenn sie
ihn zur Messe oder zur Beichte gehen sähen, wird in überseeischen Ländern der
Verbündete der Jesuiten und andrer Orden, gegen die er den Groll des Pariser


Grenzbotni III. 1886. 5

Frankreich die Bewohner der Neuhebriden zur Auswanderung nach Neukaledonien
zu zwingen beabsichtigte. Das hieße sie zu Sklaven machen und zwar ohne
Not; denn jetzt können sie durch Agenten auf dem Wege freier Vereinbarung
zu Arbeiten für die Franzosen von Neukaledonien gewonnen werden, ganz ebenso
wie die Deutschen und die Engländer auf den Jnseln des Stillen Meeres diese
Kanälen für die Arbeit in ihren Niederlassungen anwerben. Den Engländern
und Australiern mißfällt jenes Projekt ganz besonders. Alles, was uuter den
Nassen ans den Ncnhebridcn geschehen ist, um denselben Christentum und Ge¬
sittung beizubringen, ist von Australien ausgegangen, und mit tiefstem Unmut
denkt man hier daran, daß dies ganz unzweifelhaft rückgängig gemacht werden
würde, wenn man die französischen Verbrecher und die eingebornen Christen
zwangsweise mit einander verschmölze. Die Inseln betreiben hauptsächlich
Handel mit Australien, welches ihnen auch Missionäre mit allerhand Bil-
dungsmitteln zugesandt und darauf viel Geld verwendet hat Allein für den
Ban von Kirchen und die Erhaltung derselben und ihrer Geistlichen sind über
160 000 Pfd. Sterl. ausgegeben worden, und man hat nach der Auffassung
der Missionsfreunde wertvolle Erfolge damit erzielt. Pastor Paton, einer der
ältesten Sendboten des Evangeliums in jenen fernen Meeren, berichtet: „Durch
Gottes Segen und unsre ausdauernde Arbeit sind zehn von den hier geredeten
Sprachen in schriftliche Form gebracht worden, und andre vier sind nach dieser
Richtung hin in Augriff genommen. Die Bibel ist in zehn verschiedne Idiome
übersetzt und gedruckt und wird jetzt von Leuten gelesen, die einst Menschenfresser
waren. Achttausend Eingeborne bekennen sich zum Christentum, in jeder christlichen
Familie findet morgens und abends Hausandacht statt, und alles nimmt »utar
dem segensreichen Lichte und der Kraft des Evangeliums rasch andre und bessere
Gestalt an. Leben und Eigentum siud auf deu fünfzehn Inseln, auf denen
jetzt Missionäre wirken, vollkommen und auf der ganzen Gruppe vergleichsweise
sicher. Wir behaupten uicht, daß diese frühere Okkupation derselben uns Eng¬
ländern das Recht verleiht, die Inseln unserm Reiche einzuverleiben, England
kann ruhig zusehen, wie die Kanälen sich ihrer alten Unabhängigkeit weiter er¬
freuen, aber es liegt für alle, welche das Vorgehen der Franzosen beobachtet
haben, auf der Hemd, daß unter dem Regimente unsrer Nachbarn in Neu-
kaledonien keine protestantische Mission auf den Neuhebriden sicher sein würde."
Es sieht sehr sonderbar aus, ist aber Thatsache, daß, während man zu Hause
Mönche und Nonnen aus Spitälern und Schulen verjagt, Kapellen schließt
und Bischöfen Beleidigungen zufügt, hier draußen französische Beamte ganz un-
gescheut als Gönner der katholischen Missionen auftreten, weil sie Pfadfinder
und Bahnbrecher der französische!, Flagge sind. Derselbe Politiker, der bei den
Republikanern in Frankreich sofort um allen Einfluß kommen würde, wenn sie
ihn zur Messe oder zur Beichte gehen sähen, wird in überseeischen Ländern der
Verbündete der Jesuiten und andrer Orden, gegen die er den Groll des Pariser


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[0041] Frankreich die Bewohner der Neuhebriden zur Auswanderung nach Neukaledonien zu zwingen beabsichtigte. Das hieße sie zu Sklaven machen und zwar ohne Not; denn jetzt können sie durch Agenten auf dem Wege freier Vereinbarung zu Arbeiten für die Franzosen von Neukaledonien gewonnen werden, ganz ebenso wie die Deutschen und die Engländer auf den Jnseln des Stillen Meeres diese Kanälen für die Arbeit in ihren Niederlassungen anwerben. Den Engländern und Australiern mißfällt jenes Projekt ganz besonders. Alles, was uuter den Nassen ans den Ncnhebridcn geschehen ist, um denselben Christentum und Ge¬ sittung beizubringen, ist von Australien ausgegangen, und mit tiefstem Unmut denkt man hier daran, daß dies ganz unzweifelhaft rückgängig gemacht werden würde, wenn man die französischen Verbrecher und die eingebornen Christen zwangsweise mit einander verschmölze. Die Inseln betreiben hauptsächlich Handel mit Australien, welches ihnen auch Missionäre mit allerhand Bil- dungsmitteln zugesandt und darauf viel Geld verwendet hat Allein für den Ban von Kirchen und die Erhaltung derselben und ihrer Geistlichen sind über 160 000 Pfd. Sterl. ausgegeben worden, und man hat nach der Auffassung der Missionsfreunde wertvolle Erfolge damit erzielt. Pastor Paton, einer der ältesten Sendboten des Evangeliums in jenen fernen Meeren, berichtet: „Durch Gottes Segen und unsre ausdauernde Arbeit sind zehn von den hier geredeten Sprachen in schriftliche Form gebracht worden, und andre vier sind nach dieser Richtung hin in Augriff genommen. Die Bibel ist in zehn verschiedne Idiome übersetzt und gedruckt und wird jetzt von Leuten gelesen, die einst Menschenfresser waren. Achttausend Eingeborne bekennen sich zum Christentum, in jeder christlichen Familie findet morgens und abends Hausandacht statt, und alles nimmt »utar dem segensreichen Lichte und der Kraft des Evangeliums rasch andre und bessere Gestalt an. Leben und Eigentum siud auf deu fünfzehn Inseln, auf denen jetzt Missionäre wirken, vollkommen und auf der ganzen Gruppe vergleichsweise sicher. Wir behaupten uicht, daß diese frühere Okkupation derselben uns Eng¬ ländern das Recht verleiht, die Inseln unserm Reiche einzuverleiben, England kann ruhig zusehen, wie die Kanälen sich ihrer alten Unabhängigkeit weiter er¬ freuen, aber es liegt für alle, welche das Vorgehen der Franzosen beobachtet haben, auf der Hemd, daß unter dem Regimente unsrer Nachbarn in Neu- kaledonien keine protestantische Mission auf den Neuhebriden sicher sein würde." Es sieht sehr sonderbar aus, ist aber Thatsache, daß, während man zu Hause Mönche und Nonnen aus Spitälern und Schulen verjagt, Kapellen schließt und Bischöfen Beleidigungen zufügt, hier draußen französische Beamte ganz un- gescheut als Gönner der katholischen Missionen auftreten, weil sie Pfadfinder und Bahnbrecher der französische!, Flagge sind. Derselbe Politiker, der bei den Republikanern in Frankreich sofort um allen Einfluß kommen würde, wenn sie ihn zur Messe oder zur Beichte gehen sähen, wird in überseeischen Ländern der Verbündete der Jesuiten und andrer Orden, gegen die er den Groll des Pariser Grenzbotni III. 1886. 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/41>, abgerufen am 03.07.2024.