Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.Lin zukünftiger Kriegsschauplatz. fast ununterbrochenen Kette von Wäldern, Seen und Morästen kein Operations¬ Erhebliche Schwierigkeiten für die Kriegführung liegen ferner in den Weiter ist von Wichtigkeit für die Kriegführung in Polen und Westrußland Lin zukünftiger Kriegsschauplatz. fast ununterbrochenen Kette von Wäldern, Seen und Morästen kein Operations¬ Erhebliche Schwierigkeiten für die Kriegführung liegen ferner in den Weiter ist von Wichtigkeit für die Kriegführung in Polen und Westrußland <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0396" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199116"/> <fw type="header" place="top"> Lin zukünftiger Kriegsschauplatz.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1197" prev="#ID_1196"> fast ununterbrochenen Kette von Wäldern, Seen und Morästen kein Operations¬<lb/> feld für größere Truppenkörper.</p><lb/> <p xml:id="ID_1198"> Erhebliche Schwierigkeiten für die Kriegführung liegen ferner in den<lb/> Flüssen Polens und Wcstrußlauds. Besonders bildet die Weichsel in ihrem<lb/> mittleren und unteren Laufe durch ihre Breite, ihre Wassermasse und ihre rasche<lb/> Strömung eine starke Barriere. Dazu kommt, daß sie nach jedem starken<lb/> Regen ihr Bett ändert und die besten Entwürfe für den Brückenschlag zu nichte<lb/> macht. Um Weihnachten friert sie zwar zu, sodaß sie zu überschreiten ist, und<lb/> dieser Zustand währt in der Regel etwa zwei Monate, aber immer ist Thau¬<lb/> wetter zu befürchten, wo der Strom die Eisdecke bricht, in schnellem Anwachsen<lb/> seine Ufer überflutet und das Flußthal in einen oft meilenbreiten See ver¬<lb/> wandelt, was vorzüglich in Russisch-Polen geschieht, wo er nirgends künstlich<lb/> eingedämmt ist. Eine Überschreitung desselben wird also Vonseiten einer Armee<lb/> wohl nur da stattfinden können, wo sich schon im Frieden in Gestalt von<lb/> Eisenbahn- und Straßenbrücken Übergangsmittel befinden, was bei Zabrzeg,<lb/> nordwestlich von Auschwitz, bei Czarnuchowice, nördlich von da, bei Krakau und<lb/> in Russisch-Polen bei Jwangorod, bei Warschau, bei Ploek und bei Wlvelawck<lb/> der Fall ist. Überschauen wir die vielen Gewässer, welche der Verfasser bei<lb/> seiner Beschreibung aufzählt, und die großen Sumpfwälder, die er anführt, so<lb/> finden wir, daß vorzüglich der außerordentliche Wasserreichtum des polnische»<lb/> Kriegsschauplatzes einen Angriff hier erschwert. Für alle Operationen in diesen<lb/> Landstrichen sind Jahreszeit und Witterung von höchster Bedeutung. Frühling<lb/> und Herbst mit dem vielen Regen, den sie zu bringen Pflegen, und plötzlich<lb/> wehender Thauwind im Winter sind die Hauptfeinde der hier vordringenden<lb/> Heere. Die Trockenheit des Hochsommers und anhaltender Frost im Winter<lb/> erleichtern dagegen alle Bewegungen und machen sie stellenweise überhaupt erst<lb/> möglich. Napoleon fand bei seinem ersten Feldzuge in diesen Gegenden „ein<lb/> fünftes Element vor, den Kot," der ihm beschwerlicher und gefährlicher wurde<lb/> als vieles andre, da seine Geschütze und Wagen vielfach darin stecken blieben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1199" next="#ID_1200"> Weiter ist von Wichtigkeit für die Kriegführung in Polen und Westrußland<lb/> die Beschaffenheit der dortigen Ortschaften. Nur die Gouvernements- und die<lb/> alten Landeshauptstädte zeigen einen Kern von Steinhäusern mit großen Kirchen,<lb/> Klöstern, Negierungsgebäuden und andern massiven Bauten. Schon die Vor¬<lb/> städte derselben setzen sich meist aus Häusern und Hütten von Balken und<lb/> Brettern zusammen. Noch mehr ist dies bei den Kreis- und den kleinern Land¬<lb/> städten, sowie bei den Marktflecken der Fall, und die Dörfer bestehen durch-<lb/> gehends aus Holzbauten mit Stroh- oder Schilfdächern; nur Herd und<lb/> Schornstein sind daran mit Ziegeln oder Steinen aufgemauert. Die Gutshöfe<lb/> liegen entweder in oder dicht bei den Dörfern, bisweilen auch im freien Felde<lb/> und zeichnen sich vor den Bauernhöfen gewöhnlich nur durch ihre Größe und<lb/> dnrch eine Veranda oder einen Altan aus. Nur selten kommt es vor, daß man</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0396]
Lin zukünftiger Kriegsschauplatz.
fast ununterbrochenen Kette von Wäldern, Seen und Morästen kein Operations¬
feld für größere Truppenkörper.
Erhebliche Schwierigkeiten für die Kriegführung liegen ferner in den
Flüssen Polens und Wcstrußlauds. Besonders bildet die Weichsel in ihrem
mittleren und unteren Laufe durch ihre Breite, ihre Wassermasse und ihre rasche
Strömung eine starke Barriere. Dazu kommt, daß sie nach jedem starken
Regen ihr Bett ändert und die besten Entwürfe für den Brückenschlag zu nichte
macht. Um Weihnachten friert sie zwar zu, sodaß sie zu überschreiten ist, und
dieser Zustand währt in der Regel etwa zwei Monate, aber immer ist Thau¬
wetter zu befürchten, wo der Strom die Eisdecke bricht, in schnellem Anwachsen
seine Ufer überflutet und das Flußthal in einen oft meilenbreiten See ver¬
wandelt, was vorzüglich in Russisch-Polen geschieht, wo er nirgends künstlich
eingedämmt ist. Eine Überschreitung desselben wird also Vonseiten einer Armee
wohl nur da stattfinden können, wo sich schon im Frieden in Gestalt von
Eisenbahn- und Straßenbrücken Übergangsmittel befinden, was bei Zabrzeg,
nordwestlich von Auschwitz, bei Czarnuchowice, nördlich von da, bei Krakau und
in Russisch-Polen bei Jwangorod, bei Warschau, bei Ploek und bei Wlvelawck
der Fall ist. Überschauen wir die vielen Gewässer, welche der Verfasser bei
seiner Beschreibung aufzählt, und die großen Sumpfwälder, die er anführt, so
finden wir, daß vorzüglich der außerordentliche Wasserreichtum des polnische»
Kriegsschauplatzes einen Angriff hier erschwert. Für alle Operationen in diesen
Landstrichen sind Jahreszeit und Witterung von höchster Bedeutung. Frühling
und Herbst mit dem vielen Regen, den sie zu bringen Pflegen, und plötzlich
wehender Thauwind im Winter sind die Hauptfeinde der hier vordringenden
Heere. Die Trockenheit des Hochsommers und anhaltender Frost im Winter
erleichtern dagegen alle Bewegungen und machen sie stellenweise überhaupt erst
möglich. Napoleon fand bei seinem ersten Feldzuge in diesen Gegenden „ein
fünftes Element vor, den Kot," der ihm beschwerlicher und gefährlicher wurde
als vieles andre, da seine Geschütze und Wagen vielfach darin stecken blieben.
Weiter ist von Wichtigkeit für die Kriegführung in Polen und Westrußland
die Beschaffenheit der dortigen Ortschaften. Nur die Gouvernements- und die
alten Landeshauptstädte zeigen einen Kern von Steinhäusern mit großen Kirchen,
Klöstern, Negierungsgebäuden und andern massiven Bauten. Schon die Vor¬
städte derselben setzen sich meist aus Häusern und Hütten von Balken und
Brettern zusammen. Noch mehr ist dies bei den Kreis- und den kleinern Land¬
städten, sowie bei den Marktflecken der Fall, und die Dörfer bestehen durch-
gehends aus Holzbauten mit Stroh- oder Schilfdächern; nur Herd und
Schornstein sind daran mit Ziegeln oder Steinen aufgemauert. Die Gutshöfe
liegen entweder in oder dicht bei den Dörfern, bisweilen auch im freien Felde
und zeichnen sich vor den Bauernhöfen gewöhnlich nur durch ihre Größe und
dnrch eine Veranda oder einen Altan aus. Nur selten kommt es vor, daß man
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