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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

Nun, das fehlte auch noch! Solch ein Zigeunergcsicht, und hübsch! Man
möchte ja glauben --

Doch was die Schwägerin zu glauben geneigt war, erfuhr Therese nicht,
da in diesem Augenblicke die Thür stürmisch aufgerissen wurde, um der Kinder
wilde Rotte einzulassen. Etwas langsamer folgte ihr Hirt und Hüter, der
würdige Herr Trakelberg.

Erstaunt sahen Mutter und Tante in das verstörte und daher besonders
lange Gesicht dieses Herrn, der mit den Armen umherfuchtelnd vor der Baronin
stehen blieb. O, gnädige Frau, rief er ebenso kurz wie ausdrucksvoll.

Mama, das ist zu hübsch!

Ach, Tante, denke dir nur!

Oh! Herr Trakelberg!

Mama! so tönte der Chor; verstummte aber auf einen ernsten Blick der
Mutter ebenso rasch als vollständig.

Was hat es gegeben, Herr Trakelberg? fragte die Hofmarschallin sanft.

Wie soll ich beginnen, um am schnellsten zu einem raschen und klaren
Ende zu gelangen? < Nun, wir nahmen soeben die scheußliche That des Königs
Astyages durch, ich meine die an dem Sohne des Ministers Harpagos verübte.
Wofür nämlich wollte Astyages den Harpagos strafen, Mathilde?

Daß er --, begann die Gefragte.

Aber Cäciliens Geduld reichte nicht so weit. Kommen Sie hierher, um
uns das zu erzählen? rief sie empört.

Nun nun, sagte begütigend der Informator; als wir eben hiervon redeten,
traten ganz auf einmal, unerwartet, ja plötzlich, der Herr Hofmarschall und ein
andrer Herr, von welchem ich zu behaupten geneigt bin, es sei der Dr. nrocl. Petri,
nebst dem Baron Georg ins Schulzimmer, und zwar mit dem Bemerken, wir
möchten ohne Aufenthalt das Gemach räumen und den Herren den Platz einst¬
weilen überlassen.

Ja, rief Valer, weil es nämlich in Papas Stube so raucht, sagte er, daß
man dadrinnen bei lebendigem Leibe zur Wurst wird, und in Onkels Stube
auch, weil die drunter liegt.

Ganz wie der liebe Valerian soeben berichtet, verhält es sich, ganz so.

Als die Baronin dazu gelaugt war, aus diesen verworrenen Mitteilungen
klug zu werden, sagte sie: So werden Sie den Unterricht hier fortsetzen müssen,
Herr Trakelberg, oder, wandte sie sich an die Schwägerin, was meinst du,
Cäcilie?

Diese meinte, Herr Trakelberg könne sich das hübsche Wetter zu nutze machen
und etwas spazieren gehen. Valerian kann mir Zucker schlagen, und für die
Mädchen findet sich auch Beschäftigung. Sie, Herr Trakelberg, könnten wohl
nebenher statt meiner der Witwe Kiese einen Topf Suppe bringen. Ich komme
auch jetzt zu dem nötigsten nicht mehr.


Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

Nun, das fehlte auch noch! Solch ein Zigeunergcsicht, und hübsch! Man
möchte ja glauben —

Doch was die Schwägerin zu glauben geneigt war, erfuhr Therese nicht,
da in diesem Augenblicke die Thür stürmisch aufgerissen wurde, um der Kinder
wilde Rotte einzulassen. Etwas langsamer folgte ihr Hirt und Hüter, der
würdige Herr Trakelberg.

Erstaunt sahen Mutter und Tante in das verstörte und daher besonders
lange Gesicht dieses Herrn, der mit den Armen umherfuchtelnd vor der Baronin
stehen blieb. O, gnädige Frau, rief er ebenso kurz wie ausdrucksvoll.

Mama, das ist zu hübsch!

Ach, Tante, denke dir nur!

Oh! Herr Trakelberg!

Mama! so tönte der Chor; verstummte aber auf einen ernsten Blick der
Mutter ebenso rasch als vollständig.

Was hat es gegeben, Herr Trakelberg? fragte die Hofmarschallin sanft.

Wie soll ich beginnen, um am schnellsten zu einem raschen und klaren
Ende zu gelangen? < Nun, wir nahmen soeben die scheußliche That des Königs
Astyages durch, ich meine die an dem Sohne des Ministers Harpagos verübte.
Wofür nämlich wollte Astyages den Harpagos strafen, Mathilde?

Daß er —, begann die Gefragte.

Aber Cäciliens Geduld reichte nicht so weit. Kommen Sie hierher, um
uns das zu erzählen? rief sie empört.

Nun nun, sagte begütigend der Informator; als wir eben hiervon redeten,
traten ganz auf einmal, unerwartet, ja plötzlich, der Herr Hofmarschall und ein
andrer Herr, von welchem ich zu behaupten geneigt bin, es sei der Dr. nrocl. Petri,
nebst dem Baron Georg ins Schulzimmer, und zwar mit dem Bemerken, wir
möchten ohne Aufenthalt das Gemach räumen und den Herren den Platz einst¬
weilen überlassen.

Ja, rief Valer, weil es nämlich in Papas Stube so raucht, sagte er, daß
man dadrinnen bei lebendigem Leibe zur Wurst wird, und in Onkels Stube
auch, weil die drunter liegt.

Ganz wie der liebe Valerian soeben berichtet, verhält es sich, ganz so.

Als die Baronin dazu gelaugt war, aus diesen verworrenen Mitteilungen
klug zu werden, sagte sie: So werden Sie den Unterricht hier fortsetzen müssen,
Herr Trakelberg, oder, wandte sie sich an die Schwägerin, was meinst du,
Cäcilie?

Diese meinte, Herr Trakelberg könne sich das hübsche Wetter zu nutze machen
und etwas spazieren gehen. Valerian kann mir Zucker schlagen, und für die
Mädchen findet sich auch Beschäftigung. Sie, Herr Trakelberg, könnten wohl
nebenher statt meiner der Witwe Kiese einen Topf Suppe bringen. Ich komme
auch jetzt zu dem nötigsten nicht mehr.


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[0384] Aus der Chronik derer von Riffelshausen. Nun, das fehlte auch noch! Solch ein Zigeunergcsicht, und hübsch! Man möchte ja glauben — Doch was die Schwägerin zu glauben geneigt war, erfuhr Therese nicht, da in diesem Augenblicke die Thür stürmisch aufgerissen wurde, um der Kinder wilde Rotte einzulassen. Etwas langsamer folgte ihr Hirt und Hüter, der würdige Herr Trakelberg. Erstaunt sahen Mutter und Tante in das verstörte und daher besonders lange Gesicht dieses Herrn, der mit den Armen umherfuchtelnd vor der Baronin stehen blieb. O, gnädige Frau, rief er ebenso kurz wie ausdrucksvoll. Mama, das ist zu hübsch! Ach, Tante, denke dir nur! Oh! Herr Trakelberg! Mama! so tönte der Chor; verstummte aber auf einen ernsten Blick der Mutter ebenso rasch als vollständig. Was hat es gegeben, Herr Trakelberg? fragte die Hofmarschallin sanft. Wie soll ich beginnen, um am schnellsten zu einem raschen und klaren Ende zu gelangen? < Nun, wir nahmen soeben die scheußliche That des Königs Astyages durch, ich meine die an dem Sohne des Ministers Harpagos verübte. Wofür nämlich wollte Astyages den Harpagos strafen, Mathilde? Daß er —, begann die Gefragte. Aber Cäciliens Geduld reichte nicht so weit. Kommen Sie hierher, um uns das zu erzählen? rief sie empört. Nun nun, sagte begütigend der Informator; als wir eben hiervon redeten, traten ganz auf einmal, unerwartet, ja plötzlich, der Herr Hofmarschall und ein andrer Herr, von welchem ich zu behaupten geneigt bin, es sei der Dr. nrocl. Petri, nebst dem Baron Georg ins Schulzimmer, und zwar mit dem Bemerken, wir möchten ohne Aufenthalt das Gemach räumen und den Herren den Platz einst¬ weilen überlassen. Ja, rief Valer, weil es nämlich in Papas Stube so raucht, sagte er, daß man dadrinnen bei lebendigem Leibe zur Wurst wird, und in Onkels Stube auch, weil die drunter liegt. Ganz wie der liebe Valerian soeben berichtet, verhält es sich, ganz so. Als die Baronin dazu gelaugt war, aus diesen verworrenen Mitteilungen klug zu werden, sagte sie: So werden Sie den Unterricht hier fortsetzen müssen, Herr Trakelberg, oder, wandte sie sich an die Schwägerin, was meinst du, Cäcilie? Diese meinte, Herr Trakelberg könne sich das hübsche Wetter zu nutze machen und etwas spazieren gehen. Valerian kann mir Zucker schlagen, und für die Mädchen findet sich auch Beschäftigung. Sie, Herr Trakelberg, könnten wohl nebenher statt meiner der Witwe Kiese einen Topf Suppe bringen. Ich komme auch jetzt zu dem nötigsten nicht mehr.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/384>, abgerufen am 03.07.2024.