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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Die Kaiserwahl vom Jahre ^5^9 und Karls V. Anfänge.

sich das Entgegenkommen vom "katholischen König" so teuer als möglich be¬
zahlen zu lassen. Der Kurfürst von der Pfalz z, B. erhielt ein Geschenk
von 30 000 Gulden und eine Erhöhung seiner Jahrespension um 2000 Gold¬
gulden zugesichert; Albrecht von Mainz wurde das Amt eines Legaten in
Deutschland verheißen, dann die Erlaubnis, neben Mainz, Magdeburg und
Halberstadt auch noch ein viertes Bistum anzunehmen, die volle Gewalt über
die Reichskanzlei und eine neue Verschreibung über die im Jahre 1.518 ihm
gewährten Geschenke und Jahrgelder. Auch Franz von Sickingen, dessen mili¬
tärische Bedeutung wegen der Nähe seiner Bürgen bei Frankfurt für die Wahl
besonders ins Gewicht fiel, wurde gewonnen; statt 2000 Gulden wurden ihm
3000 versprochen, weil er erklärt hatte: die Franzosen hätten ihm weit mehr
geboten; er gelobte jetzt aber auch, den König von Spanien gegen jedermann
zu verteidigen; wenn Pace seinein Herrn meldete, daß am 12. Juni zwischen
Mainz und Frankfurt 46 000 Mann bereit gestanden hätten, um im Notfalle
für Karl das Schwert zu ziehen, so hatte Sickingen an diesen Rüstungen, die
im übrigen von dem Engländer übertrieben sein mögen, jedenfalls wesentlichen
Anteil. Die Deutschen waren drauf und dran, der Sitte der späteren polnischen
Reichstage zu verfallen und die Wahl nicht durch Stimmen, sondern durch die
Schwerter zu entscheiden. Man hat es oft unwürdig gefunden, daß der hohe
Adel Deutschlands sich nicht bedachte, "Hcmdsalbc" anzunehmen, und daß es
bei keiner Wahl, am wenigsten bei der von 1519, ohne Bestechung abgegangen
sei; aber man darf doch nicht verkenne!?, daß es sich dabei nicht eigentlich um
"Bestechung" handelte. Die Kurfürsten ließen sich nicht etwa durch Geld dazu
bestimmen, daß sie Karl den Vorzug vor Franz gaben; dazu gelaugte" sie,
wie wir sahen, dnrch sachliche Erwägungen der gewichtigsten Art; sie würden
nicht anders gestimmt haben und haben stimmen können, auch wenn sie leinen
Heller empfangen hätten. Wohl aber "ließen sie sich von dem, auf welchen
ihre Absicht sich richtete, die Anwendung ihres Stimmrechts vergüten und ho-
noriren, so weit nur die Kräfte des Bewerbers es erlaubten," und mit Recht
ist gesagt worden, daß auch dieses Verhalten nichts außerordentliches ist: "Be¬
gehrlichkeit und Käuflichkeit der Wähler ist eine jedem Wahlreiche gemeinsame
Erscheinung."^)

Zu Anfang Juni war die Wahl Karls so gut wie entschieden; Albrecht
von Mainz bezeichnete seinen Bruder Joachim von Brandenburg geradezu als
toll, daß er sich noch so sehr für den "allerchristlichsten" König von Frankreich
ereiferte. Auch Leo X. lenkte schließlich ein, wenn auch spät genug. Am
4. Mai war sein Vetter Lorenzo von Medici, der Herzog von Urbino, ge¬
storben, um deswillen dem Papste vor allem an der Gunst Franz' I. gelegen



*) Vergl. Rösler S. 24 bis 26. Die Gesamtausgaben Karls V. für die Wahl sind auf
85218V Gulden berechnet worden, und zwar nach zuvcrlnssigeu Anhaltepunkten.
Die Kaiserwahl vom Jahre ^5^9 und Karls V. Anfänge.

sich das Entgegenkommen vom „katholischen König" so teuer als möglich be¬
zahlen zu lassen. Der Kurfürst von der Pfalz z, B. erhielt ein Geschenk
von 30 000 Gulden und eine Erhöhung seiner Jahrespension um 2000 Gold¬
gulden zugesichert; Albrecht von Mainz wurde das Amt eines Legaten in
Deutschland verheißen, dann die Erlaubnis, neben Mainz, Magdeburg und
Halberstadt auch noch ein viertes Bistum anzunehmen, die volle Gewalt über
die Reichskanzlei und eine neue Verschreibung über die im Jahre 1.518 ihm
gewährten Geschenke und Jahrgelder. Auch Franz von Sickingen, dessen mili¬
tärische Bedeutung wegen der Nähe seiner Bürgen bei Frankfurt für die Wahl
besonders ins Gewicht fiel, wurde gewonnen; statt 2000 Gulden wurden ihm
3000 versprochen, weil er erklärt hatte: die Franzosen hätten ihm weit mehr
geboten; er gelobte jetzt aber auch, den König von Spanien gegen jedermann
zu verteidigen; wenn Pace seinein Herrn meldete, daß am 12. Juni zwischen
Mainz und Frankfurt 46 000 Mann bereit gestanden hätten, um im Notfalle
für Karl das Schwert zu ziehen, so hatte Sickingen an diesen Rüstungen, die
im übrigen von dem Engländer übertrieben sein mögen, jedenfalls wesentlichen
Anteil. Die Deutschen waren drauf und dran, der Sitte der späteren polnischen
Reichstage zu verfallen und die Wahl nicht durch Stimmen, sondern durch die
Schwerter zu entscheiden. Man hat es oft unwürdig gefunden, daß der hohe
Adel Deutschlands sich nicht bedachte, „Hcmdsalbc" anzunehmen, und daß es
bei keiner Wahl, am wenigsten bei der von 1519, ohne Bestechung abgegangen
sei; aber man darf doch nicht verkenne!?, daß es sich dabei nicht eigentlich um
„Bestechung" handelte. Die Kurfürsten ließen sich nicht etwa durch Geld dazu
bestimmen, daß sie Karl den Vorzug vor Franz gaben; dazu gelaugte» sie,
wie wir sahen, dnrch sachliche Erwägungen der gewichtigsten Art; sie würden
nicht anders gestimmt haben und haben stimmen können, auch wenn sie leinen
Heller empfangen hätten. Wohl aber „ließen sie sich von dem, auf welchen
ihre Absicht sich richtete, die Anwendung ihres Stimmrechts vergüten und ho-
noriren, so weit nur die Kräfte des Bewerbers es erlaubten," und mit Recht
ist gesagt worden, daß auch dieses Verhalten nichts außerordentliches ist: „Be¬
gehrlichkeit und Käuflichkeit der Wähler ist eine jedem Wahlreiche gemeinsame
Erscheinung."^)

Zu Anfang Juni war die Wahl Karls so gut wie entschieden; Albrecht
von Mainz bezeichnete seinen Bruder Joachim von Brandenburg geradezu als
toll, daß er sich noch so sehr für den „allerchristlichsten" König von Frankreich
ereiferte. Auch Leo X. lenkte schließlich ein, wenn auch spät genug. Am
4. Mai war sein Vetter Lorenzo von Medici, der Herzog von Urbino, ge¬
storben, um deswillen dem Papste vor allem an der Gunst Franz' I. gelegen



*) Vergl. Rösler S. 24 bis 26. Die Gesamtausgaben Karls V. für die Wahl sind auf
85218V Gulden berechnet worden, und zwar nach zuvcrlnssigeu Anhaltepunkten.
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[0372] Die Kaiserwahl vom Jahre ^5^9 und Karls V. Anfänge. sich das Entgegenkommen vom „katholischen König" so teuer als möglich be¬ zahlen zu lassen. Der Kurfürst von der Pfalz z, B. erhielt ein Geschenk von 30 000 Gulden und eine Erhöhung seiner Jahrespension um 2000 Gold¬ gulden zugesichert; Albrecht von Mainz wurde das Amt eines Legaten in Deutschland verheißen, dann die Erlaubnis, neben Mainz, Magdeburg und Halberstadt auch noch ein viertes Bistum anzunehmen, die volle Gewalt über die Reichskanzlei und eine neue Verschreibung über die im Jahre 1.518 ihm gewährten Geschenke und Jahrgelder. Auch Franz von Sickingen, dessen mili¬ tärische Bedeutung wegen der Nähe seiner Bürgen bei Frankfurt für die Wahl besonders ins Gewicht fiel, wurde gewonnen; statt 2000 Gulden wurden ihm 3000 versprochen, weil er erklärt hatte: die Franzosen hätten ihm weit mehr geboten; er gelobte jetzt aber auch, den König von Spanien gegen jedermann zu verteidigen; wenn Pace seinein Herrn meldete, daß am 12. Juni zwischen Mainz und Frankfurt 46 000 Mann bereit gestanden hätten, um im Notfalle für Karl das Schwert zu ziehen, so hatte Sickingen an diesen Rüstungen, die im übrigen von dem Engländer übertrieben sein mögen, jedenfalls wesentlichen Anteil. Die Deutschen waren drauf und dran, der Sitte der späteren polnischen Reichstage zu verfallen und die Wahl nicht durch Stimmen, sondern durch die Schwerter zu entscheiden. Man hat es oft unwürdig gefunden, daß der hohe Adel Deutschlands sich nicht bedachte, „Hcmdsalbc" anzunehmen, und daß es bei keiner Wahl, am wenigsten bei der von 1519, ohne Bestechung abgegangen sei; aber man darf doch nicht verkenne!?, daß es sich dabei nicht eigentlich um „Bestechung" handelte. Die Kurfürsten ließen sich nicht etwa durch Geld dazu bestimmen, daß sie Karl den Vorzug vor Franz gaben; dazu gelaugte» sie, wie wir sahen, dnrch sachliche Erwägungen der gewichtigsten Art; sie würden nicht anders gestimmt haben und haben stimmen können, auch wenn sie leinen Heller empfangen hätten. Wohl aber „ließen sie sich von dem, auf welchen ihre Absicht sich richtete, die Anwendung ihres Stimmrechts vergüten und ho- noriren, so weit nur die Kräfte des Bewerbers es erlaubten," und mit Recht ist gesagt worden, daß auch dieses Verhalten nichts außerordentliches ist: „Be¬ gehrlichkeit und Käuflichkeit der Wähler ist eine jedem Wahlreiche gemeinsame Erscheinung."^) Zu Anfang Juni war die Wahl Karls so gut wie entschieden; Albrecht von Mainz bezeichnete seinen Bruder Joachim von Brandenburg geradezu als toll, daß er sich noch so sehr für den „allerchristlichsten" König von Frankreich ereiferte. Auch Leo X. lenkte schließlich ein, wenn auch spät genug. Am 4. Mai war sein Vetter Lorenzo von Medici, der Herzog von Urbino, ge¬ storben, um deswillen dem Papste vor allem an der Gunst Franz' I. gelegen *) Vergl. Rösler S. 24 bis 26. Die Gesamtausgaben Karls V. für die Wahl sind auf 85218V Gulden berechnet worden, und zwar nach zuvcrlnssigeu Anhaltepunkten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/372>, abgerufen am 22.07.2024.