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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

Ich auch, wenn auch nur, um zu sehen, was der Bohemund eigentlich an
ihr so unwiderstehlich fand. Wenn sie noch Vermögen gehabt hätte!

Nach ihren Briefen zu urteilen, sagte Georg, muß sie sehr augenehm sein.
Es hat mir immer leid gethan, daß Bohemnnd sie vor zwei Jahren nicht mit¬
brachte, als er uns besuchte.

Ja, so seid ihr Männer! Immer heidi! Wer hätte wohl für den großen
Haushalt sorgen sollen und für die kleinen Kinder?

Doch Cäciliens ärgerliche Miene erhellte sich, als Schmidt, der Diener,
ins Zimmer trat und Zeitungen und Briefe ans den Tisch legte.

Schmidt! rief das Fräulein, sagen Sie dem Müller, er möge nicht wieder
so unverantwortlich spät kommen, sonst würde ich mich genötigt sehen, beim
Postmeister über ihn zu klagen.

Obgleich Müller, der ungetreue Postbote, bereits weitergepilgert war, sagte
Schmidt doch in höflichem Tone: Zu Befehl, grä' Fräul'n, als er sich
entfernte. Die Geschwister aber begaben sich an das interessante Geschäft, die
Briefe von außen zu besichtigen.

Da ist einer vom Bruder, Cäcilie!

Vou Bohemund? So gieb doch nur her, Georg! Und in ihrer Herzens¬
freude entriß sie ihm den Brief, um ihn selbst zu betrachten. Ja gewiß! be¬
stätigte sie fröhlich und erbrach das Couvert.

Das gut stilisirte Schreiben meldete, daß die zunehmende Kränklichkeit beim
Schreiber nicht länger gestatte, sein Amt zu verwalten, und daß er sich deshalb
mit seiner kleinen Familie, Frau und vier Kindern, nebst dem Hauslehrer, der
Bonne, dem Kammerdiener und der Kammerjungfer nach Siebenhofen zurück¬
ziehen werde. Georg und Cäcilie möchten ihn und die Seinigen in den nächsten
Wochen erwarte". Alles weitere, als die Unterkunft der Ankömmlinge, sowie
die damit notwendig verbundene Vergrößerung des Haushaltes überlasse er ver¬
trauensvoll der Umsicht seiner lieben Geschwister.

Als der Brief des "liebenden Bruder Bohemund" zu Ende gelesen war,
sahen sich die beiden Umsichtigen bedenklich an, wobei Georgs lange Finger auf
dem Tische trommelten.

Das war doch kein Spaß!

Und noch dazu im Winter! rief endlich Cäcilie; bedenke doch nur, wir
haben ja kaum drei Zimmer, die sich gut heizen lassen!

So müssen wir Ofen setzen.

Und was wird das für ein Holzverbrauch werden! Guter Himmel! Alle
die Bonnen und Hauslehrer wollen ja eigne Zimmer haben und womöglich
deren zwei den ganzen Tag heizen. Auch bedarfst du des Schmidt ausschließlich!
Wie soll er nebenher die Bedienung dieser vielen, vielen Menschen übernehmen?
Fräulein Cäcilie sah ihren Bruder so verzweiflungsvoll an, daß dieser sie wirklich
herzlich bemitleidete.


Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

Ich auch, wenn auch nur, um zu sehen, was der Bohemund eigentlich an
ihr so unwiderstehlich fand. Wenn sie noch Vermögen gehabt hätte!

Nach ihren Briefen zu urteilen, sagte Georg, muß sie sehr augenehm sein.
Es hat mir immer leid gethan, daß Bohemnnd sie vor zwei Jahren nicht mit¬
brachte, als er uns besuchte.

Ja, so seid ihr Männer! Immer heidi! Wer hätte wohl für den großen
Haushalt sorgen sollen und für die kleinen Kinder?

Doch Cäciliens ärgerliche Miene erhellte sich, als Schmidt, der Diener,
ins Zimmer trat und Zeitungen und Briefe ans den Tisch legte.

Schmidt! rief das Fräulein, sagen Sie dem Müller, er möge nicht wieder
so unverantwortlich spät kommen, sonst würde ich mich genötigt sehen, beim
Postmeister über ihn zu klagen.

Obgleich Müller, der ungetreue Postbote, bereits weitergepilgert war, sagte
Schmidt doch in höflichem Tone: Zu Befehl, grä' Fräul'n, als er sich
entfernte. Die Geschwister aber begaben sich an das interessante Geschäft, die
Briefe von außen zu besichtigen.

Da ist einer vom Bruder, Cäcilie!

Vou Bohemund? So gieb doch nur her, Georg! Und in ihrer Herzens¬
freude entriß sie ihm den Brief, um ihn selbst zu betrachten. Ja gewiß! be¬
stätigte sie fröhlich und erbrach das Couvert.

Das gut stilisirte Schreiben meldete, daß die zunehmende Kränklichkeit beim
Schreiber nicht länger gestatte, sein Amt zu verwalten, und daß er sich deshalb
mit seiner kleinen Familie, Frau und vier Kindern, nebst dem Hauslehrer, der
Bonne, dem Kammerdiener und der Kammerjungfer nach Siebenhofen zurück¬
ziehen werde. Georg und Cäcilie möchten ihn und die Seinigen in den nächsten
Wochen erwarte». Alles weitere, als die Unterkunft der Ankömmlinge, sowie
die damit notwendig verbundene Vergrößerung des Haushaltes überlasse er ver¬
trauensvoll der Umsicht seiner lieben Geschwister.

Als der Brief des „liebenden Bruder Bohemund" zu Ende gelesen war,
sahen sich die beiden Umsichtigen bedenklich an, wobei Georgs lange Finger auf
dem Tische trommelten.

Das war doch kein Spaß!

Und noch dazu im Winter! rief endlich Cäcilie; bedenke doch nur, wir
haben ja kaum drei Zimmer, die sich gut heizen lassen!

So müssen wir Ofen setzen.

Und was wird das für ein Holzverbrauch werden! Guter Himmel! Alle
die Bonnen und Hauslehrer wollen ja eigne Zimmer haben und womöglich
deren zwei den ganzen Tag heizen. Auch bedarfst du des Schmidt ausschließlich!
Wie soll er nebenher die Bedienung dieser vielen, vielen Menschen übernehmen?
Fräulein Cäcilie sah ihren Bruder so verzweiflungsvoll an, daß dieser sie wirklich
herzlich bemitleidete.


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[0335] Aus der Chronik derer von Riffelshausen. Ich auch, wenn auch nur, um zu sehen, was der Bohemund eigentlich an ihr so unwiderstehlich fand. Wenn sie noch Vermögen gehabt hätte! Nach ihren Briefen zu urteilen, sagte Georg, muß sie sehr augenehm sein. Es hat mir immer leid gethan, daß Bohemnnd sie vor zwei Jahren nicht mit¬ brachte, als er uns besuchte. Ja, so seid ihr Männer! Immer heidi! Wer hätte wohl für den großen Haushalt sorgen sollen und für die kleinen Kinder? Doch Cäciliens ärgerliche Miene erhellte sich, als Schmidt, der Diener, ins Zimmer trat und Zeitungen und Briefe ans den Tisch legte. Schmidt! rief das Fräulein, sagen Sie dem Müller, er möge nicht wieder so unverantwortlich spät kommen, sonst würde ich mich genötigt sehen, beim Postmeister über ihn zu klagen. Obgleich Müller, der ungetreue Postbote, bereits weitergepilgert war, sagte Schmidt doch in höflichem Tone: Zu Befehl, grä' Fräul'n, als er sich entfernte. Die Geschwister aber begaben sich an das interessante Geschäft, die Briefe von außen zu besichtigen. Da ist einer vom Bruder, Cäcilie! Vou Bohemund? So gieb doch nur her, Georg! Und in ihrer Herzens¬ freude entriß sie ihm den Brief, um ihn selbst zu betrachten. Ja gewiß! be¬ stätigte sie fröhlich und erbrach das Couvert. Das gut stilisirte Schreiben meldete, daß die zunehmende Kränklichkeit beim Schreiber nicht länger gestatte, sein Amt zu verwalten, und daß er sich deshalb mit seiner kleinen Familie, Frau und vier Kindern, nebst dem Hauslehrer, der Bonne, dem Kammerdiener und der Kammerjungfer nach Siebenhofen zurück¬ ziehen werde. Georg und Cäcilie möchten ihn und die Seinigen in den nächsten Wochen erwarte». Alles weitere, als die Unterkunft der Ankömmlinge, sowie die damit notwendig verbundene Vergrößerung des Haushaltes überlasse er ver¬ trauensvoll der Umsicht seiner lieben Geschwister. Als der Brief des „liebenden Bruder Bohemund" zu Ende gelesen war, sahen sich die beiden Umsichtigen bedenklich an, wobei Georgs lange Finger auf dem Tische trommelten. Das war doch kein Spaß! Und noch dazu im Winter! rief endlich Cäcilie; bedenke doch nur, wir haben ja kaum drei Zimmer, die sich gut heizen lassen! So müssen wir Ofen setzen. Und was wird das für ein Holzverbrauch werden! Guter Himmel! Alle die Bonnen und Hauslehrer wollen ja eigne Zimmer haben und womöglich deren zwei den ganzen Tag heizen. Auch bedarfst du des Schmidt ausschließlich! Wie soll er nebenher die Bedienung dieser vielen, vielen Menschen übernehmen? Fräulein Cäcilie sah ihren Bruder so verzweiflungsvoll an, daß dieser sie wirklich herzlich bemitleidete.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/335>, abgerufen am 22.07.2024.