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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Lhronik derer von Riffelshausen.

selben mir über eine ziemlich morsche Brücke möglich ist. Es sieht aus, als
mare durch eine von Riesenhand geführte Ohrfeige das Haus in verbogenen
Zustande viel zu nahe an das eine Ende des Jnselchens geraten, und warte
nur auf eine Wiederholung dieses Verfahrens, um völlig in den Graben zu
stürzen. Während herrliche alte Bänme den Hintergrund des Bildes abgeben,
ziehen sich um den Hof zur Rechten und Linken des Thores bescheidene Stal¬
lungen hin.

An einem Oktobermorgen des Jahres 1859 saßen der Baron Niffelshauscn
und das Fräulein Cäcilie, seine Schwester, in dem Frühstückszimmer, das zu
ebener Erde gelegen war und dessen Fenster die Aussicht nach der Mündung
des Wallgrabens in den Mühlbach gewährten.

Trotz der vorgerückten Jahreszeit schien die Morgensonne hell und warm.
Müller, der Postbote, mußte wohl für das schone Wetter besonders empfänglich
sein, denn er verlängerte seinen Morgenspaziergang von Rummelshausen nach
Siebenhvfen möglichst, sodaß Fräulein von Riffelshausen, die seine rechtzeitige
Ankunft am Frühstückstische zu erwarten pflegte, sehr ungeduldig wurde.

Fräulein Cäcilie hatte längst ihre Kaffeetasse fortgeschoben und bewegte
ihre Stricknadeln mit so viel Eifer, als könne sie deu Lässigen herbeistricken.
Dabei beobachtete sie unmutig den Bruder, der mit Bleistift Notizen in sein
Taschenbuch eintrug.

Ich begreife garnicht, Georg, hub sie an, wie du die kurze Zeit unsers
morgendlichen Beisammenseins zu deinen Arbeiten verwenden kannst! Du schreibst
doch eigentlich den ganzen Tag.

Er sah verwundert auf.

Ja, den ganzen Tag, wiederholte sie energisch, was dir nicht einmal gesund
ist. Du hättest dir wohl deu Aufsatz über die Rücksichten, die wir unsrer Um¬
gebung schuldig sind, etwas zu Herzen nehmen sollen. Es sind noch nicht drei
Tage her, daß du ihn vorgelesen hast. Du denkst aber auch --

Sie stockte, denn er machte eine abwehrende Bewegung und schrieb mit
etwas zusammengezogener Stirn weiter.

So etwas würde Bohemund nie fertig bringen, verhallte es grollend. Bei
den Mahlzeiten kann man doch wenigstens -- nun, ich schweige.

Es fällt mir ein, sagte der Bruder, nachdem er seine Notiz beendet, daß
Bohemund lange nichts von sich und den Seinigen hat hören lassen.

Ganz richtig, antwortete Cäcilie, und wenn er zu sehr in Anspruch ge¬
nommen ist, so hätte wenigstens die gute Therese einmal schreiben können.

Die Sorge für den kränklichen Mann und die vier Kinder werden ihr
eben auch nicht viel Zeit übrig lassen.
'

Ich bitte dich! VVboro tnsrs's " pill, tliMö'8 ". vit/. Die gute Schwägerin
interessirt sich eben nicht für uns.

Ich würde sie doch sehr gern kennen lernen.


Aus der Lhronik derer von Riffelshausen.

selben mir über eine ziemlich morsche Brücke möglich ist. Es sieht aus, als
mare durch eine von Riesenhand geführte Ohrfeige das Haus in verbogenen
Zustande viel zu nahe an das eine Ende des Jnselchens geraten, und warte
nur auf eine Wiederholung dieses Verfahrens, um völlig in den Graben zu
stürzen. Während herrliche alte Bänme den Hintergrund des Bildes abgeben,
ziehen sich um den Hof zur Rechten und Linken des Thores bescheidene Stal¬
lungen hin.

An einem Oktobermorgen des Jahres 1859 saßen der Baron Niffelshauscn
und das Fräulein Cäcilie, seine Schwester, in dem Frühstückszimmer, das zu
ebener Erde gelegen war und dessen Fenster die Aussicht nach der Mündung
des Wallgrabens in den Mühlbach gewährten.

Trotz der vorgerückten Jahreszeit schien die Morgensonne hell und warm.
Müller, der Postbote, mußte wohl für das schone Wetter besonders empfänglich
sein, denn er verlängerte seinen Morgenspaziergang von Rummelshausen nach
Siebenhvfen möglichst, sodaß Fräulein von Riffelshausen, die seine rechtzeitige
Ankunft am Frühstückstische zu erwarten pflegte, sehr ungeduldig wurde.

Fräulein Cäcilie hatte längst ihre Kaffeetasse fortgeschoben und bewegte
ihre Stricknadeln mit so viel Eifer, als könne sie deu Lässigen herbeistricken.
Dabei beobachtete sie unmutig den Bruder, der mit Bleistift Notizen in sein
Taschenbuch eintrug.

Ich begreife garnicht, Georg, hub sie an, wie du die kurze Zeit unsers
morgendlichen Beisammenseins zu deinen Arbeiten verwenden kannst! Du schreibst
doch eigentlich den ganzen Tag.

Er sah verwundert auf.

Ja, den ganzen Tag, wiederholte sie energisch, was dir nicht einmal gesund
ist. Du hättest dir wohl deu Aufsatz über die Rücksichten, die wir unsrer Um¬
gebung schuldig sind, etwas zu Herzen nehmen sollen. Es sind noch nicht drei
Tage her, daß du ihn vorgelesen hast. Du denkst aber auch —

Sie stockte, denn er machte eine abwehrende Bewegung und schrieb mit
etwas zusammengezogener Stirn weiter.

So etwas würde Bohemund nie fertig bringen, verhallte es grollend. Bei
den Mahlzeiten kann man doch wenigstens — nun, ich schweige.

Es fällt mir ein, sagte der Bruder, nachdem er seine Notiz beendet, daß
Bohemund lange nichts von sich und den Seinigen hat hören lassen.

Ganz richtig, antwortete Cäcilie, und wenn er zu sehr in Anspruch ge¬
nommen ist, so hätte wenigstens die gute Therese einmal schreiben können.

Die Sorge für den kränklichen Mann und die vier Kinder werden ihr
eben auch nicht viel Zeit übrig lassen.
'

Ich bitte dich! VVboro tnsrs's » pill, tliMö'8 ». vit/. Die gute Schwägerin
interessirt sich eben nicht für uns.

Ich würde sie doch sehr gern kennen lernen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/334>, abgerufen am 22.07.2024.