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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Lamoens.

werden Eure Lusiaden leben. Eine schwere Zeit ist gekommen -- König Se¬
bastians unseliger Zug und sein unglückliches Ende haben dem Lande die Kraft
zum augenblicklichen Kampfe gegen Spaniens Übermacht genommen. Aber Ihr,
in dem die Seele unsers Volkes gelebt, Ihr müßt es fühlen, daß unsre Unter¬
werfung nicht dauernd sein kaun, daß die Portugiesen keine Spanier werden
und über unsern Gräbern bessere Tage aufgehen werden, als die gegenwärtigen.
Euer Gedicht wird leben, wird ein Denkmal und Zeugnis unsers unvergäng¬
lichen Ruhmes, unsers heiligen Rechtes sein, ein eigen Volk zu bleiben. Eure
Gesänge werden wach erhalten, was der Spanier einschläfern, lebendig, was er
toten will! Ich habe Euch nie ein Wort gesagt, Freund, das nicht tief aus
meiner Seele kam, hente sage ich Euch: entschlage Euch unedeln Kleinmuth und
seid stolz, daß Euer Werk eine Kraft mehr ist, die dies Land und dies Volk
besitzen, um dem Untergange zu trotzen.

Mit einem wunderbaren Aufleuchten in seinen Zügen hatte Camoens den
Worten Varretvs gelauscht, dann senkte sich sein Blick, und er hauchte kaum
hörbar: Und wenn es kommt, wie Ihr liebevoll verheißt, Manuel, wenn das
Land sich dereinst man erhebt, so steht zwischen mir und dem Andenken bei
meinem Volke, um das ich mein Leben eingesetzt habe, jene unselige Huldigung
an König Sebastian, die mir halb ans meinem Herzen kam, die mich zerbrochen
hat vor meiner Zeit.

Befehlt das der Zukunft, die gegen Euch nicht unbilliger sein wird, als
gegen uusern unglücklichen jungen König. Haltet nur das eine bis in Eure letzte
Stunde fest, daß Ihr für die Prüfung, die uns bevorsteht, den Glanz, den Mut,
den Lebenshauch unsrer großen Tage in Euer Gedicht gerettet habt. Wilts
Gott, so erfahrt Ihr noch selbst, was Eure Gesänge uns in der Zeit der Trübsal
bedeuten werden. Ich verlasse Portugal, Luis, sobald die Krone an Philipp
von Spanien fällt, ich gehe, um Esmahs willen, nach Malta, und überlasse
nieine Güter den Rittern aus jenem Eiland, um Esmah, wenn ich nicht mehr
bin, einen mächtigen Schutz zu sichern. Ich lasse Euch nicht, nachdem ich Euch
wiedergefunden, Ihr werdet genese", werdet mit mir gehen!

Ich muß Euch allein erfahren lassen, Manuel, was mein armes Werk zu
wirken vermag, entgegnete der Dichter. Seht mich an und sagt Euch selbst,
ob ich auf etwas andres hoffen darf, als auf ein Grab in heimischer Erde.
Euch mögen so gute Tage blühen, als es fern vom Vaterlande giebt, und in
Eurer Todesstunde sei es Euch ein Trost, daß Ihr Erquickung in mein wundes
Herz geträufelt habt. Ihr wißt nicht, was ich erlitt, Manuel, für mich allein
erlitt, neben dem, was alle erleiden. Catarina Palmeirim, für die ich mich
zu opfern glaubte, hat mir ihren Haß, ihre Verachtung ins Gesicht geschlendert,
hat mich des Unwürdigsten angeklagt in dem Augenblicke, wo ich des einzigen
Wunsches voll war, der Gebeugten, Schmerzgcbrochenen zu dienen. Das war
mehr, als ein Mensch trägt, in jener furchtbaren Stunde ist mir der Mut zum


Grenzboten III. 1886. 36
Lamoens.

werden Eure Lusiaden leben. Eine schwere Zeit ist gekommen — König Se¬
bastians unseliger Zug und sein unglückliches Ende haben dem Lande die Kraft
zum augenblicklichen Kampfe gegen Spaniens Übermacht genommen. Aber Ihr,
in dem die Seele unsers Volkes gelebt, Ihr müßt es fühlen, daß unsre Unter¬
werfung nicht dauernd sein kaun, daß die Portugiesen keine Spanier werden
und über unsern Gräbern bessere Tage aufgehen werden, als die gegenwärtigen.
Euer Gedicht wird leben, wird ein Denkmal und Zeugnis unsers unvergäng¬
lichen Ruhmes, unsers heiligen Rechtes sein, ein eigen Volk zu bleiben. Eure
Gesänge werden wach erhalten, was der Spanier einschläfern, lebendig, was er
toten will! Ich habe Euch nie ein Wort gesagt, Freund, das nicht tief aus
meiner Seele kam, hente sage ich Euch: entschlage Euch unedeln Kleinmuth und
seid stolz, daß Euer Werk eine Kraft mehr ist, die dies Land und dies Volk
besitzen, um dem Untergange zu trotzen.

Mit einem wunderbaren Aufleuchten in seinen Zügen hatte Camoens den
Worten Varretvs gelauscht, dann senkte sich sein Blick, und er hauchte kaum
hörbar: Und wenn es kommt, wie Ihr liebevoll verheißt, Manuel, wenn das
Land sich dereinst man erhebt, so steht zwischen mir und dem Andenken bei
meinem Volke, um das ich mein Leben eingesetzt habe, jene unselige Huldigung
an König Sebastian, die mir halb ans meinem Herzen kam, die mich zerbrochen
hat vor meiner Zeit.

Befehlt das der Zukunft, die gegen Euch nicht unbilliger sein wird, als
gegen uusern unglücklichen jungen König. Haltet nur das eine bis in Eure letzte
Stunde fest, daß Ihr für die Prüfung, die uns bevorsteht, den Glanz, den Mut,
den Lebenshauch unsrer großen Tage in Euer Gedicht gerettet habt. Wilts
Gott, so erfahrt Ihr noch selbst, was Eure Gesänge uns in der Zeit der Trübsal
bedeuten werden. Ich verlasse Portugal, Luis, sobald die Krone an Philipp
von Spanien fällt, ich gehe, um Esmahs willen, nach Malta, und überlasse
nieine Güter den Rittern aus jenem Eiland, um Esmah, wenn ich nicht mehr
bin, einen mächtigen Schutz zu sichern. Ich lasse Euch nicht, nachdem ich Euch
wiedergefunden, Ihr werdet genese», werdet mit mir gehen!

Ich muß Euch allein erfahren lassen, Manuel, was mein armes Werk zu
wirken vermag, entgegnete der Dichter. Seht mich an und sagt Euch selbst,
ob ich auf etwas andres hoffen darf, als auf ein Grab in heimischer Erde.
Euch mögen so gute Tage blühen, als es fern vom Vaterlande giebt, und in
Eurer Todesstunde sei es Euch ein Trost, daß Ihr Erquickung in mein wundes
Herz geträufelt habt. Ihr wißt nicht, was ich erlitt, Manuel, für mich allein
erlitt, neben dem, was alle erleiden. Catarina Palmeirim, für die ich mich
zu opfern glaubte, hat mir ihren Haß, ihre Verachtung ins Gesicht geschlendert,
hat mich des Unwürdigsten angeklagt in dem Augenblicke, wo ich des einzigen
Wunsches voll war, der Gebeugten, Schmerzgcbrochenen zu dienen. Das war
mehr, als ein Mensch trägt, in jener furchtbaren Stunde ist mir der Mut zum


Grenzboten III. 1886. 36
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/289>, abgerufen am 01.07.2024.