Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Verwaltung der Grtspoli^el in den Städten.

der dein Landrat obliegende Anteil an der Kreisverwaltung von städtischen Be¬
hörden wahrgenommen wird. Diese Ausnahme läßt sich dadurch rechtfertigen, daß
es sich bei den einschlagenden Geschäften meist um Dinge handelt, welche bis zu
einem gewissen Grade mit der Gemeindeverwaltung in Verbindung gebracht
werden können, und weil es thatsächlich undurchführbar wäre, deu städtischen
Behörden für die Verwaltung der Krcisangelegenheiten einen staatlichen Be¬
amten vorzusetzen. Anders liegt es bei der Polizeiverwaltung, welche, genau ge¬
nommen, mit der städtischen Verwaltung weiter nichts gemein hat, als das Gebiet,
auf welchem beide ausgeübt werden, der Gemeindeverwaltung sogar häufig
geradezu entgegensteht und dieser wie jedem andern Rechtssubjekte gegenüber im
Stciatsiutercsse gewisse Handlungen oder Unterlassungen erzwingen soll, welche
das Gemeindcinteresse an sich nicht fordert, weshalb denn auch die städtischen
Pvlizeiverwaituugeu unmittelbar unter die vorgesetzten staatlichen Verwaltungs¬
behörden gestellt sind, wodurch gerade der Übelstand eintritt, den man durch
die Organisation der Stadtkreise für die Organe der Kreisvermaltuug beseitigt
hat. Es geht hieraus hervor, daß die Delegation der Polizeigewalt auf städtische
Behörden unserm Systeme der Selbstverwaltung durchaus nicht entspricht. Daß
die Städte trotzdem so lebhaft dafür arbeiten, eigne Polizeiverwaltungen zu er¬
halte", welche als eignes Recht von ihren Behörde" ausgeübt werden soll, ent¬
spricht dem allen Deutschen innewohnenden zentrifugalen Charakter und zielt
darauf ab, ähnlich wie im Mittelalter, deu Städten eine Art Immunität zu
geben, sie als möglichst wenig von der Staatsgewalt beeinflußte Gemeinwesen
hinzustellen; dies paßt aber nicht mehr in unsre neue Zeit, welche dem Staate
gegenüber keine Städter und Landleute, sondern nur noch Staatsbürger kennt,
und es enthält einen Widerspruch in sich selbst, daß die Städte, deren Be¬
wohner sonst so besonders lebhaft gegen eine ständische Gliederung des Staates
arbeiten, in dieser Richtung das ständische Prinzip aufrecht erhalten wollen.
Unsre Selbstverwaltung kauu nur dann mit Erfolg durchgeführt werden, wenn
jeder Zweig der öffentlichen Thätigkeit genau dein zugewiesen wird, dein er
zukommt, da andernfalls eine Thätigkeit die andre durchkreuzt und dadurch
hemmt oder gar aufhebt. Daß dies bei Übertragung der Pvlizeiverwaltung an
städtische Behörden der Fall ist, werden wir weiter unten sehen.
"

Ließe sich aber auch die Übertragung der Polizeiverwaltnng auf die Städte
entgegen der hier entwickelten Ansicht prinzipiell rechtfertige", so stehen derselben
doch sehr erhebliche praktische Bedenken entgegen. Es mögen hier einige solche
hervorgehoben werden, welche a"s der Abgrenzung der Polizeibezirke, deren
Widerstreit zwischen den städtischen und staatlichen Interessen, der Steckling der
städtischen Polizeibeamte" und der Zersplitterung der Polizeiverwaltnng hervor¬
gehen.

Das Pvlizeiiuteresse verlangt oft eine Abgrenzung der Pvlizeibczirke, welche
sich mit den Stadtbezirken nicht deckt, der Gemcindebezirk grenzt eine wirt-


Die Verwaltung der Grtspoli^el in den Städten.

der dein Landrat obliegende Anteil an der Kreisverwaltung von städtischen Be¬
hörden wahrgenommen wird. Diese Ausnahme läßt sich dadurch rechtfertigen, daß
es sich bei den einschlagenden Geschäften meist um Dinge handelt, welche bis zu
einem gewissen Grade mit der Gemeindeverwaltung in Verbindung gebracht
werden können, und weil es thatsächlich undurchführbar wäre, deu städtischen
Behörden für die Verwaltung der Krcisangelegenheiten einen staatlichen Be¬
amten vorzusetzen. Anders liegt es bei der Polizeiverwaltung, welche, genau ge¬
nommen, mit der städtischen Verwaltung weiter nichts gemein hat, als das Gebiet,
auf welchem beide ausgeübt werden, der Gemeindeverwaltung sogar häufig
geradezu entgegensteht und dieser wie jedem andern Rechtssubjekte gegenüber im
Stciatsiutercsse gewisse Handlungen oder Unterlassungen erzwingen soll, welche
das Gemeindcinteresse an sich nicht fordert, weshalb denn auch die städtischen
Pvlizeiverwaituugeu unmittelbar unter die vorgesetzten staatlichen Verwaltungs¬
behörden gestellt sind, wodurch gerade der Übelstand eintritt, den man durch
die Organisation der Stadtkreise für die Organe der Kreisvermaltuug beseitigt
hat. Es geht hieraus hervor, daß die Delegation der Polizeigewalt auf städtische
Behörden unserm Systeme der Selbstverwaltung durchaus nicht entspricht. Daß
die Städte trotzdem so lebhaft dafür arbeiten, eigne Polizeiverwaltungen zu er¬
halte», welche als eignes Recht von ihren Behörde» ausgeübt werden soll, ent¬
spricht dem allen Deutschen innewohnenden zentrifugalen Charakter und zielt
darauf ab, ähnlich wie im Mittelalter, deu Städten eine Art Immunität zu
geben, sie als möglichst wenig von der Staatsgewalt beeinflußte Gemeinwesen
hinzustellen; dies paßt aber nicht mehr in unsre neue Zeit, welche dem Staate
gegenüber keine Städter und Landleute, sondern nur noch Staatsbürger kennt,
und es enthält einen Widerspruch in sich selbst, daß die Städte, deren Be¬
wohner sonst so besonders lebhaft gegen eine ständische Gliederung des Staates
arbeiten, in dieser Richtung das ständische Prinzip aufrecht erhalten wollen.
Unsre Selbstverwaltung kauu nur dann mit Erfolg durchgeführt werden, wenn
jeder Zweig der öffentlichen Thätigkeit genau dein zugewiesen wird, dein er
zukommt, da andernfalls eine Thätigkeit die andre durchkreuzt und dadurch
hemmt oder gar aufhebt. Daß dies bei Übertragung der Pvlizeiverwaltung an
städtische Behörden der Fall ist, werden wir weiter unten sehen.
"

Ließe sich aber auch die Übertragung der Polizeiverwaltnng auf die Städte
entgegen der hier entwickelten Ansicht prinzipiell rechtfertige», so stehen derselben
doch sehr erhebliche praktische Bedenken entgegen. Es mögen hier einige solche
hervorgehoben werden, welche a»s der Abgrenzung der Polizeibezirke, deren
Widerstreit zwischen den städtischen und staatlichen Interessen, der Steckling der
städtischen Polizeibeamte» und der Zersplitterung der Polizeiverwaltnng hervor¬
gehen.

Das Pvlizeiiuteresse verlangt oft eine Abgrenzung der Pvlizeibczirke, welche
sich mit den Stadtbezirken nicht deckt, der Gemcindebezirk grenzt eine wirt-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0251" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198971"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Verwaltung der Grtspoli^el in den Städten.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_686" prev="#ID_685"> der dein Landrat obliegende Anteil an der Kreisverwaltung von städtischen Be¬<lb/>
hörden wahrgenommen wird. Diese Ausnahme läßt sich dadurch rechtfertigen, daß<lb/>
es sich bei den einschlagenden Geschäften meist um Dinge handelt, welche bis zu<lb/>
einem gewissen Grade mit der Gemeindeverwaltung in Verbindung gebracht<lb/>
werden können, und weil es thatsächlich undurchführbar wäre, deu städtischen<lb/>
Behörden für die Verwaltung der Krcisangelegenheiten einen staatlichen Be¬<lb/>
amten vorzusetzen. Anders liegt es bei der Polizeiverwaltung, welche, genau ge¬<lb/>
nommen, mit der städtischen Verwaltung weiter nichts gemein hat, als das Gebiet,<lb/>
auf welchem beide ausgeübt werden, der Gemeindeverwaltung sogar häufig<lb/>
geradezu entgegensteht und dieser wie jedem andern Rechtssubjekte gegenüber im<lb/>
Stciatsiutercsse gewisse Handlungen oder Unterlassungen erzwingen soll, welche<lb/>
das Gemeindcinteresse an sich nicht fordert, weshalb denn auch die städtischen<lb/>
Pvlizeiverwaituugeu unmittelbar unter die vorgesetzten staatlichen Verwaltungs¬<lb/>
behörden gestellt sind, wodurch gerade der Übelstand eintritt, den man durch<lb/>
die Organisation der Stadtkreise für die Organe der Kreisvermaltuug beseitigt<lb/>
hat. Es geht hieraus hervor, daß die Delegation der Polizeigewalt auf städtische<lb/>
Behörden unserm Systeme der Selbstverwaltung durchaus nicht entspricht. Daß<lb/>
die Städte trotzdem so lebhaft dafür arbeiten, eigne Polizeiverwaltungen zu er¬<lb/>
halte», welche als eignes Recht von ihren Behörde» ausgeübt werden soll, ent¬<lb/>
spricht dem allen Deutschen innewohnenden zentrifugalen Charakter und zielt<lb/>
darauf ab, ähnlich wie im Mittelalter, deu Städten eine Art Immunität zu<lb/>
geben, sie als möglichst wenig von der Staatsgewalt beeinflußte Gemeinwesen<lb/>
hinzustellen; dies paßt aber nicht mehr in unsre neue Zeit, welche dem Staate<lb/>
gegenüber keine Städter und Landleute, sondern nur noch Staatsbürger kennt,<lb/>
und es enthält einen Widerspruch in sich selbst, daß die Städte, deren Be¬<lb/>
wohner sonst so besonders lebhaft gegen eine ständische Gliederung des Staates<lb/>
arbeiten, in dieser Richtung das ständische Prinzip aufrecht erhalten wollen.<lb/>
Unsre Selbstverwaltung kauu nur dann mit Erfolg durchgeführt werden, wenn<lb/>
jeder Zweig der öffentlichen Thätigkeit genau dein zugewiesen wird, dein er<lb/>
zukommt, da andernfalls eine Thätigkeit die andre durchkreuzt und dadurch<lb/>
hemmt oder gar aufhebt. Daß dies bei Übertragung der Pvlizeiverwaltung an<lb/>
städtische Behörden der Fall ist, werden wir weiter unten sehen.<lb/>
"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_687"> Ließe sich aber auch die Übertragung der Polizeiverwaltnng auf die Städte<lb/>
entgegen der hier entwickelten Ansicht prinzipiell rechtfertige», so stehen derselben<lb/>
doch sehr erhebliche praktische Bedenken entgegen. Es mögen hier einige solche<lb/>
hervorgehoben werden, welche a»s der Abgrenzung der Polizeibezirke, deren<lb/>
Widerstreit zwischen den städtischen und staatlichen Interessen, der Steckling der<lb/>
städtischen Polizeibeamte» und der Zersplitterung der Polizeiverwaltnng hervor¬<lb/>
gehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_688" next="#ID_689"> Das Pvlizeiiuteresse verlangt oft eine Abgrenzung der Pvlizeibczirke, welche<lb/>
sich mit den Stadtbezirken nicht deckt, der Gemcindebezirk grenzt eine wirt-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0251] Die Verwaltung der Grtspoli^el in den Städten. der dein Landrat obliegende Anteil an der Kreisverwaltung von städtischen Be¬ hörden wahrgenommen wird. Diese Ausnahme läßt sich dadurch rechtfertigen, daß es sich bei den einschlagenden Geschäften meist um Dinge handelt, welche bis zu einem gewissen Grade mit der Gemeindeverwaltung in Verbindung gebracht werden können, und weil es thatsächlich undurchführbar wäre, deu städtischen Behörden für die Verwaltung der Krcisangelegenheiten einen staatlichen Be¬ amten vorzusetzen. Anders liegt es bei der Polizeiverwaltung, welche, genau ge¬ nommen, mit der städtischen Verwaltung weiter nichts gemein hat, als das Gebiet, auf welchem beide ausgeübt werden, der Gemeindeverwaltung sogar häufig geradezu entgegensteht und dieser wie jedem andern Rechtssubjekte gegenüber im Stciatsiutercsse gewisse Handlungen oder Unterlassungen erzwingen soll, welche das Gemeindcinteresse an sich nicht fordert, weshalb denn auch die städtischen Pvlizeiverwaituugeu unmittelbar unter die vorgesetzten staatlichen Verwaltungs¬ behörden gestellt sind, wodurch gerade der Übelstand eintritt, den man durch die Organisation der Stadtkreise für die Organe der Kreisvermaltuug beseitigt hat. Es geht hieraus hervor, daß die Delegation der Polizeigewalt auf städtische Behörden unserm Systeme der Selbstverwaltung durchaus nicht entspricht. Daß die Städte trotzdem so lebhaft dafür arbeiten, eigne Polizeiverwaltungen zu er¬ halte», welche als eignes Recht von ihren Behörde» ausgeübt werden soll, ent¬ spricht dem allen Deutschen innewohnenden zentrifugalen Charakter und zielt darauf ab, ähnlich wie im Mittelalter, deu Städten eine Art Immunität zu geben, sie als möglichst wenig von der Staatsgewalt beeinflußte Gemeinwesen hinzustellen; dies paßt aber nicht mehr in unsre neue Zeit, welche dem Staate gegenüber keine Städter und Landleute, sondern nur noch Staatsbürger kennt, und es enthält einen Widerspruch in sich selbst, daß die Städte, deren Be¬ wohner sonst so besonders lebhaft gegen eine ständische Gliederung des Staates arbeiten, in dieser Richtung das ständische Prinzip aufrecht erhalten wollen. Unsre Selbstverwaltung kauu nur dann mit Erfolg durchgeführt werden, wenn jeder Zweig der öffentlichen Thätigkeit genau dein zugewiesen wird, dein er zukommt, da andernfalls eine Thätigkeit die andre durchkreuzt und dadurch hemmt oder gar aufhebt. Daß dies bei Übertragung der Pvlizeiverwaltung an städtische Behörden der Fall ist, werden wir weiter unten sehen. " Ließe sich aber auch die Übertragung der Polizeiverwaltnng auf die Städte entgegen der hier entwickelten Ansicht prinzipiell rechtfertige», so stehen derselben doch sehr erhebliche praktische Bedenken entgegen. Es mögen hier einige solche hervorgehoben werden, welche a»s der Abgrenzung der Polizeibezirke, deren Widerstreit zwischen den städtischen und staatlichen Interessen, der Steckling der städtischen Polizeibeamte» und der Zersplitterung der Polizeiverwaltnng hervor¬ gehen. Das Pvlizeiiuteresse verlangt oft eine Abgrenzung der Pvlizeibczirke, welche sich mit den Stadtbezirken nicht deckt, der Gemcindebezirk grenzt eine wirt-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/251
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/251>, abgerufen am 22.07.2024.