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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Lamoens.

gezweifelt. Dennoch ergriff es ihn von neuem mit schmerzlicher Gewalt, daß
man auch hier dieses Ausganges gewiß sein mußte. In dem schmucklosen Sprech¬
zimmer ging er ruhelos auf und ab, die halbe Stunde, die er hier verlebte,
dehnte sich dem Erregter in qualvoller Weise aus, er mußte sich sagen, wie
verschwindend gering die Aussicht sei, hier etwas vou dem zu hören, was ihm
allein noch wissenswert dünkte, und dennoch zwang er sich, geduldig auszuharren.

Da vernahm er leise Tritte -- Fray Rafael, nach der Gewohnheit des
Ordens von einem andern Ordensbruder begleitet, kam in das Gemach. Er
blickte einigermaßen überrascht auf seinen Besucher, machte aber das Zeichen
des Segens und hub selbst an: Wir sehen uns zu schwerer Stunde wieder,
Senhor Luis! Es sind harte Prüfungen, die es Gott gefallen hat, uns und
diesem Lande aufzuerlegen. Und was führt Euch an solchem Tage zu mir, zu
uns? Vermag Euch dies Haus eiuen Dienst zu leisten?

Ich denke nicht, ehrwürdiger Bruder, versetzte Camoens. Ich kam zu
Euch, um Euch wissen zu lassei,, was mir einer der Flüchtlinge vom afrikanischen
Schlachtfelde berichtet hat. Euer Ordensbruder, Fray Tellez, der auch mir
wohlwollte, hat seinen Eifer für den Glauben mit dem Leben bezahlt; ein
Soldat, der mir zuverlässig erschien und der bei den barmherzigen Brüdern in
Setubal Zuflucht gesucht hat, will ihn unter den Toten des Schlachtfeldes er¬
kannt haben.

So ließen uns unsre Brüder, die zum Dienste der Besatzung in Arzilla
sind, gleichfalls schon wissen, entgegnete Fray Rafael ruhig. Sie hoffen, daß
man ihnen den Leichnam des Beneidenswerter, der den Märtyrertod gefunden
hat, ausliefern werde. Der neue Sultan von Marokko ist uns nicht feindselig
gesinnt, er hat selbst König Sebastians Leiche der Sorgfalt gefangener Por¬
tugiesen vertraut, er wird, hoffen wir, nicht zögern, auch sie gegen Lösegeld zur
christlichen Bestattung zu überlassen.

Camoens hörte aus der Antwort des Jesuiten heraus, daß man im Ordens-
hause nicht erst seit einigen Stunden Nachrichten habe; aufwallend und mit einer
Bitterkeit, die er nicht zu besiegen vermochte, sagte er: Ich wußte nicht, ehr¬
würdiger Bruder, daß Ihr Euch in dem unübersehbaren Elende und Unheile
so rasch schon christlich gefaßt hättet! Da Ihr jedoch alles zu wissen scheint,
verzeiht mir noch eine Frage. Haben Euch die Ordensglieder in Arzilla nicht
auch berichtet, ob unter den jungen Toten aus des Königs Umgebung etwa
ein Mädchen -- ein Weib gefunden worden ist, welches Seine Majestät in
Pagentracht ins Feld begleitet hat? Oder vermögt Ihr, sofern Ihr nichts
erführe, noch jetzt nach dein Schicksal einer Unglücklichen, das mir schwer auf
dem Herzen liegt, forschen zu lassen?

Camoens' Blick richtete sich mit Spannung auf die beiden Priester, es war
ihm, als ob sich dieselben rasch angesehen und ein Zeichen gewechselt hätten.
In seiner Erregung meinte er selbst ein flüchtiges, höhnisches Lächeln auf Fray


Lamoens.

gezweifelt. Dennoch ergriff es ihn von neuem mit schmerzlicher Gewalt, daß
man auch hier dieses Ausganges gewiß sein mußte. In dem schmucklosen Sprech¬
zimmer ging er ruhelos auf und ab, die halbe Stunde, die er hier verlebte,
dehnte sich dem Erregter in qualvoller Weise aus, er mußte sich sagen, wie
verschwindend gering die Aussicht sei, hier etwas vou dem zu hören, was ihm
allein noch wissenswert dünkte, und dennoch zwang er sich, geduldig auszuharren.

Da vernahm er leise Tritte — Fray Rafael, nach der Gewohnheit des
Ordens von einem andern Ordensbruder begleitet, kam in das Gemach. Er
blickte einigermaßen überrascht auf seinen Besucher, machte aber das Zeichen
des Segens und hub selbst an: Wir sehen uns zu schwerer Stunde wieder,
Senhor Luis! Es sind harte Prüfungen, die es Gott gefallen hat, uns und
diesem Lande aufzuerlegen. Und was führt Euch an solchem Tage zu mir, zu
uns? Vermag Euch dies Haus eiuen Dienst zu leisten?

Ich denke nicht, ehrwürdiger Bruder, versetzte Camoens. Ich kam zu
Euch, um Euch wissen zu lassei,, was mir einer der Flüchtlinge vom afrikanischen
Schlachtfelde berichtet hat. Euer Ordensbruder, Fray Tellez, der auch mir
wohlwollte, hat seinen Eifer für den Glauben mit dem Leben bezahlt; ein
Soldat, der mir zuverlässig erschien und der bei den barmherzigen Brüdern in
Setubal Zuflucht gesucht hat, will ihn unter den Toten des Schlachtfeldes er¬
kannt haben.

So ließen uns unsre Brüder, die zum Dienste der Besatzung in Arzilla
sind, gleichfalls schon wissen, entgegnete Fray Rafael ruhig. Sie hoffen, daß
man ihnen den Leichnam des Beneidenswerter, der den Märtyrertod gefunden
hat, ausliefern werde. Der neue Sultan von Marokko ist uns nicht feindselig
gesinnt, er hat selbst König Sebastians Leiche der Sorgfalt gefangener Por¬
tugiesen vertraut, er wird, hoffen wir, nicht zögern, auch sie gegen Lösegeld zur
christlichen Bestattung zu überlassen.

Camoens hörte aus der Antwort des Jesuiten heraus, daß man im Ordens-
hause nicht erst seit einigen Stunden Nachrichten habe; aufwallend und mit einer
Bitterkeit, die er nicht zu besiegen vermochte, sagte er: Ich wußte nicht, ehr¬
würdiger Bruder, daß Ihr Euch in dem unübersehbaren Elende und Unheile
so rasch schon christlich gefaßt hättet! Da Ihr jedoch alles zu wissen scheint,
verzeiht mir noch eine Frage. Haben Euch die Ordensglieder in Arzilla nicht
auch berichtet, ob unter den jungen Toten aus des Königs Umgebung etwa
ein Mädchen — ein Weib gefunden worden ist, welches Seine Majestät in
Pagentracht ins Feld begleitet hat? Oder vermögt Ihr, sofern Ihr nichts
erführe, noch jetzt nach dein Schicksal einer Unglücklichen, das mir schwer auf
dem Herzen liegt, forschen zu lassen?

Camoens' Blick richtete sich mit Spannung auf die beiden Priester, es war
ihm, als ob sich dieselben rasch angesehen und ein Zeichen gewechselt hätten.
In seiner Erregung meinte er selbst ein flüchtiges, höhnisches Lächeln auf Fray


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[0245] Lamoens. gezweifelt. Dennoch ergriff es ihn von neuem mit schmerzlicher Gewalt, daß man auch hier dieses Ausganges gewiß sein mußte. In dem schmucklosen Sprech¬ zimmer ging er ruhelos auf und ab, die halbe Stunde, die er hier verlebte, dehnte sich dem Erregter in qualvoller Weise aus, er mußte sich sagen, wie verschwindend gering die Aussicht sei, hier etwas vou dem zu hören, was ihm allein noch wissenswert dünkte, und dennoch zwang er sich, geduldig auszuharren. Da vernahm er leise Tritte — Fray Rafael, nach der Gewohnheit des Ordens von einem andern Ordensbruder begleitet, kam in das Gemach. Er blickte einigermaßen überrascht auf seinen Besucher, machte aber das Zeichen des Segens und hub selbst an: Wir sehen uns zu schwerer Stunde wieder, Senhor Luis! Es sind harte Prüfungen, die es Gott gefallen hat, uns und diesem Lande aufzuerlegen. Und was führt Euch an solchem Tage zu mir, zu uns? Vermag Euch dies Haus eiuen Dienst zu leisten? Ich denke nicht, ehrwürdiger Bruder, versetzte Camoens. Ich kam zu Euch, um Euch wissen zu lassei,, was mir einer der Flüchtlinge vom afrikanischen Schlachtfelde berichtet hat. Euer Ordensbruder, Fray Tellez, der auch mir wohlwollte, hat seinen Eifer für den Glauben mit dem Leben bezahlt; ein Soldat, der mir zuverlässig erschien und der bei den barmherzigen Brüdern in Setubal Zuflucht gesucht hat, will ihn unter den Toten des Schlachtfeldes er¬ kannt haben. So ließen uns unsre Brüder, die zum Dienste der Besatzung in Arzilla sind, gleichfalls schon wissen, entgegnete Fray Rafael ruhig. Sie hoffen, daß man ihnen den Leichnam des Beneidenswerter, der den Märtyrertod gefunden hat, ausliefern werde. Der neue Sultan von Marokko ist uns nicht feindselig gesinnt, er hat selbst König Sebastians Leiche der Sorgfalt gefangener Por¬ tugiesen vertraut, er wird, hoffen wir, nicht zögern, auch sie gegen Lösegeld zur christlichen Bestattung zu überlassen. Camoens hörte aus der Antwort des Jesuiten heraus, daß man im Ordens- hause nicht erst seit einigen Stunden Nachrichten habe; aufwallend und mit einer Bitterkeit, die er nicht zu besiegen vermochte, sagte er: Ich wußte nicht, ehr¬ würdiger Bruder, daß Ihr Euch in dem unübersehbaren Elende und Unheile so rasch schon christlich gefaßt hättet! Da Ihr jedoch alles zu wissen scheint, verzeiht mir noch eine Frage. Haben Euch die Ordensglieder in Arzilla nicht auch berichtet, ob unter den jungen Toten aus des Königs Umgebung etwa ein Mädchen — ein Weib gefunden worden ist, welches Seine Majestät in Pagentracht ins Feld begleitet hat? Oder vermögt Ihr, sofern Ihr nichts erführe, noch jetzt nach dein Schicksal einer Unglücklichen, das mir schwer auf dem Herzen liegt, forschen zu lassen? Camoens' Blick richtete sich mit Spannung auf die beiden Priester, es war ihm, als ob sich dieselben rasch angesehen und ein Zeichen gewechselt hätten. In seiner Erregung meinte er selbst ein flüchtiges, höhnisches Lächeln auf Fray

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/245>, abgerufen am 03.07.2024.